Kroatenführer Dragan Covic war der Verlierer der Wahlen. Foto: Getty Images

Fast alles bleibt nach der Wahl im Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina wie es war. Ob aus Angst vor den anderen oder um den Arbeitsplatz.Nur die Schlappe von Kroatenführer Covic könnte das labile Staatslabyrinth in eine noch tiefere Krise lotsen.

Belgrad/Sarajevo - Schwache Institutionen, starke Parteien: Eindrücklich demonstrierten Bosniens routinierte Stimmenjäger in der Wahlnacht, wer in dem verschachtelten Parteienstaat das Sagen hat. Während die Zentrale Wahlkommission (CIK) auch Stunden nach Schließung der Wahllokale noch immer keine Ergebnisse zu veröffentlichen vermochte, feierten die vertrauten Platzhirsche mit den von ihren Parteien bekannt gegebenen Teilauszählungen schon lange vor Mitternacht ihren Sieg.

Muslimische Bosniaken verkünden Wahlsieg, bevor die Stimmen ausgezählt waren

Seine Partei der demokratischen Aktion (SDA) habe an allen Fronten gesiegt „und so muss es auch sein“, verkündete in Sarajevo zufrieden SDA-Chef Bakir Izetbegovic. Zur Genugtuung hat der konservative Mann der muslimischen Bosniaken allen Grund. Das Rennen um seine Nachfolge als bosniakischer Vertreter im Staatspräsidium hat sein Strohmann Sefik Dzaferovic gemacht. Und seine Frau Sebija Izetbegovic hat bei den Wahlen für das Teilstaatsparlament die meisten SDA-Stimmen erzielt. Auch im fernen Banja Luka konnte mit Milorad Dodik der mächtigste Mann im Teilstaat der Republika Srpska triumphieren.

Sein Sieg „sei klar wie eine Träne“, kommentierte er die Kür zum serbischen Vertreter in Bosniens dreiköpfigen Staatspräsidium.   Eine hoffnungslos hohe Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption, Kriminalität und Abwanderung: Zur Protestwahl hätten die Bewohner des Vielvölkerstaats eigentlich allen Grund gehabt. Aber dennoch bleibt nach den Präsidentschafts-, Parlaments-, Teilstaats- und Kantonswahlen in Bosnien fast alles wie es war.

Ob aus der von den Stimmenjägern gezielt geschürten Angst vor den anderen oder um den Arbeitsplatz: Mehrheitlich und ungewöhnlich einträchtig haben Muslims, Serben und Kroaten erneut für ihre vertrauten nationalistischen Leitwölfe – und den Stillstand gestimmt. Nur die unerwartete deutliche Schlappe des kroatischen HDZ-Chefs Dragan Covic könnte das labile Staatslabyrinth in noch tiefere Krisenabgründe führen.  

Kroatenführeh Covic: „80 Prozent der Kroaten haben mich gewählt.“

80 Prozent der kroatischen Wähler hätten ihn und die HDZ gewählt, grantelte Covic über die Niederlage beim Rennen um den kroatischen Sitz im Staatspräsidium gegen Zeljko Komsic von der multiethnischen DF. Es gehe nicht an, dass die Bosniaken für die Kroaten deren Vertreter wählten, wütete Covic: Dies werde eine „nie gesehene Krise“ auslösen.   Tatsächlich hatte Komsic mit der Schreckvision, dass die Zweckpartner Covic und Dodik im Staatspräsidium gemeinsam den Zentralstaat zerlegen könnten, auch viele Stimmen von Bosniaken auf sich vereinen können.

Versuche der HDZ, im neuen Wahlgesetz der muslimisch-kroatischen Föderation festschreiben zu lassen, dass Bosniaken keine Kroaten wählen dürfen, waren vor den Wahlen am Widerstand der bosniakischen Parteien gescheitert: Sie hatten befürchtet, dass mit der ethnischen Aufteilung von Wahldistrikten der von der HDZ angestrebten Schaffung eines eigenen kroatischen Teilstaats Vorschub geleistet werden solle.   Da die Verabschiedung eines Wahlgesetzes nicht gelang, hat Covic für die angedrohte Lahmlegung des Staats nun ein starkes Mittel in der Hand.

Bosnien droht Mutter aller Krisen

Sollte das Verfassungsgericht auf Antrag der HDZ die Wahl wegen des Fehlens eines Wahlgesetzes für ungültig erklären, könnten weder das Teilstaatparlament der Föderation noch das im Zentralstaat gebildet werden: Bosnien könnte in diesem Fall „die Mutter aller Krisen“ drohen. Doch selbst wenn der politische Supergau vermieden werden kann, ist auf allen Niveaus des labilen Staatsgebildes mit einem monatelangen Koalitionspoker zu rechnen. Egal, wie die Fleischtöpfe am Ende verteilt werden: Auch in den nächsten vier Jahren wird ein sich selbst blockierendes Bosnien vermutlich weiter auf der Stelle treten.