Wird die Wahl des Unionsfraktionschefs zum Misstrauensvotum gegen Kanzlerin Angela Merkel? Foto: Getty

Wird die Wahl des Unionsfraktionschefs zum Misstrauensvotum gegen Kanzlerin Angela Merkel? Sollte die Fraktion ihren Vertrauten Volker Kauder abwählen, dürfte die Debatte über ihre Zukunft wieder losbrechen.

Berlin - Kurz vor der mit Spannung erwarteten Kampfabstimmung um den Vorsitz der Bundestagsfraktion sind in der Union die Rufe nach einer Abkehr von Personaldebatten lauter geworden. „Es wäre natürlich schön, wenn man auch sieht, dass die große Koalition auch manches beschlossen hat und dazu jetzt auch zurückkehrt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), am Dienstag in Berlin. Nun müsse etwa nach der Diskussion über die berufliche Zukunft von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen wieder ein Arbeitsmodus erreicht werden.

Grosse-Brömer sagte, bei den Unionsmitgliedern an der Basis gebe es den Eindruck, dass man sich „zu intensiv mit der Personalie Maaßen beschäftigt hat und dann am Anfang sicherlich auch falsch“. Nun müsse die Union endlich über Punkte reden, „die wir positiv gemacht haben, aber die teilweise durch die Causa Maaßen gar nicht so deutlich geworden sind“. Grosse-Brömer nannte den Wohngipfel, das Baukindergeld oder Entscheidungen in der Migrationspolitik wie zum Familiennachzug.

Amt gegen Mitbewerber verteidigen

Nach seiner ersten Wahl vor 13 Jahren musste Fraktionschef Volker Kauder (CDU/69) erstmals sein Amt (15 Uhr) gegen einen Mitbewerber verteidigen. Kauder gilt als Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die ihn wie CSU-Chef Horst Seehofer und der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, zur Wiederwahl vorgeschlagen haben. Ein Erfolg von Kauders Herausforderer und Stellvertreter Ralph Brinkhaus (CDU/50) würde nach zwei dramatischen Regierungskrisen innerhalb weniger Monate auch als Zeichen weiter schwindenden Rückhalts für Merkel in der Fraktion gewertet.

Kauder war nach dem für die Union enttäuschenden Abschneiden bei der Bundestagswahl bei der Wiederwahl des Fraktionschefs mit einem Ergebnis von nur 77 Prozent abgestraft worden. Zuvor hatte der Baden-Württemberger meist Zustimmungswerte von weit über 90 Prozent erhalten - 2013 waren es sogar 97,4 Prozent.

Erfahrene Unionsabgeordnete trauten dem Westfalen Brinkhaus ein Ergebnis von um die 30 Prozent zu. Ein Sieg bei der Wahl des Fraktionschefs würde als Überraschung gewertet - umso deutlicher wäre das Zeichen in Richtung Merkel. Grosse-Brömer wollte sich nicht zu den Wahlchancen der Kandidaten äußern. Er sagte auf Nachfrage: „Ich habe mit Volker Kauder als Fraktionsvorsitzendem wie ich finde nicht nur vertrauensvoll, sondern auch erfolgreich zusammengearbeitet. Und deswegen würde ich diese Arbeit gerne fortsetzen.“

Bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden wurde damit gerechnet, dass Abgeordnete gerade aus der seit langem Merkel-kritischen CSU-Gruppe ein Zeichen gegen die Kanzlerin setzen wollen und deshalb für Brinkhaus stimmen. Die Wahl ist geheim - Konsequenzen müssen sie also nicht befürchten. Dobrindt sagte, die CSU-Abgeordneten hätten in der routinemäßigen Sitzung am Montagabend über die Kandidaten gesprochen. Er habe dabei seine Unterstützung für Kauder wiederholt. Bis auf eine weitere unterstützende Stimme für dem amtierenden Fraktionschef habe es zu diesem Thema keine weitere Wortmeldung gegeben.

Keine Kandidatur gegen Angela Merkel

Brinkhaus hatte seine Kandidatur unter anderem mit dem Wunsch nach einer aktiveren Rolle der Unionsfraktion gegenüber der Regierung begründet. Zudem warb der 50-Jährige für mehr Teamgeist. Wiederholt hatte er betont, seine Kandidatur richte sich nicht gegen Merkel. Kauder hatte gesagt, er wolle die nächsten Jahre gemeinsam mit der Fraktion gestalten. Es komme entscheidend auf die Union an, wenn es darum gehe, die Arbeit der Koalition mit Augenmaß zu prägen.

Bei der Wahl am Dienstag wurde neben dem Fraktionschef die gesamte Führungsriege der CDU/-CSU-Abgeordneten neu gewählt - bis auf Dobrindt, der als CSU-Landesgruppenchef schon nach der Bundestagswahl für die gesamte Legislaturperiode gewählt wurde. Die Wahlmodalitäten sind in der Vereinbarung zur „Fortführung der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU“ festgelegt. Dort heißt es unter anderem: „Die Wahl für Ämter in der Fraktion erfolgt zu Beginn der Wahlperiode des Bundestages für ein Jahr, dann für den Rest der Wahlperiode“.