Daniel Günther macht die CDU zur mit Abstand stärksten Partei im Kieler Landtag – und lässt sich auf der Wahlparty seiner Partei dafür feiern. Foto: Getty Images Europe

Mit Daniel Günther siegt ein Newcomer der Christdemokraten in der schleswig-holsteinischen Landtagswahl. Aber noch ist offen, ob er eine Regierungskoalition zustande bringt.

Kiel - Kaiserwetter am Wahlsonntag in Kiel: Zu Tausenden bummeln Stadtbürger und Urlauber auf den Flohmärkten am Bootshafen und am Rathausmarkt bei strahlender Sonne umher. Nur in der SPD-Ecke im Kieler Landeshaus wird es am frühen Abend zappenduster. Die Sozialdemokraten sind – gemessen an den für sie vor wenigen Wochen noch komfortablen Umfragewerten von bis zu 33 Prozent – in ein tiefes Loch gestürzt.

Die auf einem Steg gelegene mondäne Seebar Düsterbrook glänzt gegen 18 Uhr in freundlich-mildem Abendlicht: Die CDU hört hier die erste Hochrechnung und feiert ihren Wahlsieg unter echten Palmen und mit Grauem Burgunder. Der Spitzenkandidat Daniel Günther taucht gegen 18.30 Uhr auf und wird stürmisch begrüßt mit „Daniel, Daniel“-Rufen. „Das ist ein großartiger Tag für die CDU und für Schleswig-Holstein“, sagt der 43-Jährige. Heute werde man feiern, aber „morgen die Ärmel hochkrempeln“ und „anpacken“, um den „Stillstand im Land zu beenden“. Es gehe jetzt darum, eine „starke Regierung unter Führung der CDU“ in Kiel zu bilden.

„Der ist sportlich-dynamisch und reißt andere mit“

Der Jubel ist laut, und als Günther wieder auf dem Weg in die TV-Studios ist, prosten drei Mitglieder der Jungen Union einander zu. Der Haustürwahlkampf habe den Christdemokraten viel gebracht, „wir haben die Masse dafür“, sagt der eine. „Ich habe mit Daniel Günther Zehn-Kilometer-Läufe gemacht. Der will Leistung, der ist sportlich-dynamisch und reißt andere mit“, sagt der 20-jährige Florian Weigel. Ein Dritter sagt, die CDU habe Themen gesetzt, aber SPD-Ministerpräsident Torsten Albig habe erstens nur zurückgeblickt auf die vergangenen fünf Jahre und sich zweitens „im Wahlkampf versteckt“ und den als links bekannten SPD-Landesparteichef Ralf Stegner vorgeschickt. Später kommt noch Ex-Ministerpräsident Harry Peter Carstensen dazu: „Ich bin begeistert, das ist ein Spitzenergebnis, das wir Daniel Günther zu verdanken haben.“

Ein frisches Gesicht in der politischen Landschaft

Es hat sich vollzogen, was die jüngsten Umfragen prophezeiten: Die Küstenkoalition von SPD, Grünen und der dänischen Minderheitenpartei Südschleswigscher Wählerverband (SSW) hat ihre ohnehin knappe Mehrheit verloren. Dabei hatten die Protagonisten von Rot-Grün-Blau noch in den letzten Tagen von einem Wandel nichts wissen wollen: Er könne keine Wechselstimmung erkennen, sagte der grüne Umweltminister Robert Habeck. Albig erklärte, er sei „nicht nervös“, die Wahlrennen seien stets knapp in Schleswig-Holstein.

Der neue Star ist ein Mann, den selbst Zeitungen in Norddeutschland als „Mister Unbekannt“ bezeichnen: Daniel Günther, Politikwissenschaftler und Berufspolitiker. Er war mit 26 schon CDU-Kreisgeschäftsführer; er ist smart, zurückhaltend, Langstreckenläufer, Familienvater und Katholik, was im protestantischen Schleswig-Holstein selten ist. Ein frisches Gesicht in der politischen Landschaft.

Unter den Christdemokraten konnten es am Wahlabend noch gar nicht alle glauben, dass der nach ständigen Führungswechseln in der Nord-CDU spät – im November 2016 – zum CDU-Spitzenkandidaten gekürte Günther der Partei den Sieg beschert hat. Im März lag sie in den Umfragen bei 27 Prozent, weit hinter der SPD. Aber Günther trommelte unermüdlich, absolvierte fünf Termine am Tag und attackierte die Landesregierung bei jeder Gelegenheit. Er warf ihr Passivität vor und punktete mit dem Versprechen, zur längeren Gymnasialzeit G 9 zurückzukehren – obwohl G8 einst unter der CDU eingeführt worden war. Er versprach ein höheres Tempo beim Autobahnbau sowie ein Bremsen beim Bau der Windkraftanlagen, gegen die sich in Schleswig-Holstein wegen der Verspargelung der Landschaft mehr und mehr Protest erhebt.

„Albig erscheint pastoral und arrogant“

Auffällig am Gesamtbild ist, dass die persönlichen Popularitätswerte von Ministerpräsident Albig seit Wochen im Sinkflug waren. Er ist der Ministerpräsident aller Länder, der am wenigsten vom Amtsbonus profitieren konnte. Eine links orientierte Jungwählerin meint, Albig habe zu wenig Inhalte transportiert: „Gerechtigkeit für alle“ habe als Wahlmotto eben nicht genügt – und er habe einen Personenkult betrieben. Der Kieler Politikwissenschaftler Ulrich Schippels, selbst Linken-Politiker, sagt, dass Albig mit seinem „präsidialen Führungsstil“ den einst populären CDU-Ministerpräsidenten Carstensen zu kopieren versuchte: „Carstensen war ländlich-rustikal geprägt. Albig erscheint pastoral und arrogant. Das kommt nicht gut rüber.“

Ministerpräsident Albig zeigte sich enttäuscht über die Niederlage. „Das ist ein bitterer Tag für die Sozialdemokratie, ein bitterer Tag für meine Regierung, ein bitterer Tag für mich“, sagte er. SPD-Vize Ralf Stegner befand, das Ergebnis spiegele nicht den Bundestrend wider.

Rechnerisch sind viele Koalitionen möglich

Für Koalitionen sind nun viele Optionen offen. Die CDU erhebt den moralischen Anspruch, die Federführung zu übernehmen: Eine große Koalition unter Führung der CDU ist denkbar aber unerwünscht. Wahrscheinlicher und ein Wunsch von Günther ist ein Jamaikabündnis von CDU, Grünen und FDP. Rechnerisch möglich wäre auch eine Ampelkoalition mit SPD, Grünen und der FDP, aber soll ein Wahlverlierer – die SPD – die Koalitionsgespräche anführen? Ausgeschlossen wird von der CDU ein Zusammengehen mit der AfD, die noch kurz vor der Wahl mit internem Streit Schlagzeilen machte: Ein AfD-Schiedsgericht annullierte wegen Unregelmäßigkeiten die Wahl des Landesvorstands. Die AfD feierte am Sonntag in der Provinz ihren Einzug ins Parlament.

Berührungsängste zwischen CDU und Grünen gibt es wenige. „Da kommt eine jung tickende Generation zusammen“, sagen Beobachter: „Wenn der FDP-Mann Wolfgang Kubicki im Herbst nach Berlin wechselt und jüngere Liberale nachkommen, könnte Jamaika gut gehen.“ Bei den realpolitisch tickenden Grünen in Kiel und der CDU gibt es bei Kita-Gebühren und der Finanzpolitik Gemeinsamkeiten, trennend ist die Energiepolitik, da die Nord-CDU den Ausbau der Windkraft bremsen will. Sollte Günther in die Staatskanzlei einziehen, wäre dies der erste Christdemokrat in der Amtszeit von Kanzlerin Merkel, der es aus der Opposition heraus geschafft hat, Ministerpräsident zu werden.