Wahlplakate in Kiel mit Wolfgang Kubicki (FDP), Daniel Günther (CDU) und Torsten Albig (SPD) Foto: dpa

Bei der Landtagswahl am Sonntag in Schleswig-Holstein dürfen erstmals 16- und 17-Jährige mitwählen. Der SPD-Ministerpräsident Torsten Albig muss allerdings um die Macht fürchten.

Kiel - Die Monate mit dem Martin-Schulz-Effekt hatten auch der in Schleswig-Holstein regierenden Küstenkoalition aus SPD, Grünen und der dänischen Minderheitenpartei SSW satte Mehrheiten in den Umfragen beschert. Im Glauben an den Sieg konnte SPD-Regierungschef Torsten Albig (53) sich zurücklehnen und Sätze wie „Wir können das, wir wollen das“ plakatieren. Aber jetzt sind die Werte eingebrochen, die CDU unter dem erst im November 2016 aufs Schild gehobenen Spitzenkandidaten Daniel Günther (43) liegt in jüngsten Umfragen mit 32 bis 33 Prozent vor der SPD (29 bis 31 Prozent). Die Mehrheit der Küstenkoalition wackelt.

Der sanft dahinplätschernde Wahlkampf, der sich um Kita-Gebühren und den Ausbau der A 20 drehte, wurde spannend auf den letzten Metern. Torsten Albig, einst Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und seit 2012 Regierungschef in Kiel, ahnte die Bedrohung und sagte kürzlich: „Jetzt gibt es keine Themen mehr, jetzt gibt es Mobilisierung.“ Schleswig-Holstein sei „ein knappes Land“. Wer glaube, die SPD könne hier zehn Prozent vor der CDU liegen, der kenne es nicht.

Der CDU-Mann ist Langstreckenläufer

Daniel Günther, smarter Langstreckenläufer, der bisher eine reine Parteikarriere in der Landes-CDU hinter sich hat und entsprechend unbekannt war, gibt sich siegessicher auf der Zielgeraden: 35 Prozent plus X hat er bei einer Kundgebung im Hansa-Park von Sierksdorf im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel als Wahlziel genannt. Auch sein 100-Tage-Programm als Ministerpräsident stellte Günther vor: eine Lehrerbedarfsanalyse wegen des Unterrichtsausfalls und ein Bremsen des Ausbaus der Windkraft, die betroffenen Bürgern zunehmend zum Ärgernis wird. „Nach der Übernahme der Regierung wartet viel Arbeit auf uns“, sagt Günther. Mit wem er die Regierung aber bilden könnte, das ist fraglich.

Viel hängt vom Abschneiden der kleinen Parteien ab. Dem CDU-Mann Günther wird es für seine Wunschkoalition mit der wegen ihres populären Vormanns Wolfgang Kubicki traditionell starken FDP (8,5 bis elf Prozent in Umfragen) nicht reichen. Die CDU könnte noch die Grünen ins Boot holen und eine Jamaika-Koalition bilden. Die Grünen mit Spitzenkandidatin Monika Heinold und dem bundesweit bekannten Umweltminister Robert Habeck wollen die Küstenkoalition gern fortsetzen, aber sie betreiben keine „Ausschließeritis“, es gehe ihnen um Inhalte, sagen sie. Ihre Umfragewerte von stabil zwölf Prozent sichern ihnen die Position als drittstärkste politische Kraft in Kiel. Sollte die jetzige Koalition die Mehrheit verpassen – der SSW ist übrigens nicht an die Fünfprozenthürde gebunden –, könnte Albig auch auf die Liberalen zugehen, um eine Ampel mit Grünen und FDP zu versuchen. Auch eine Zusammenarbeit mit den Linken, deren Einzug in den Landtag nicht sicher ist, hat der Ministerpräsident nicht ausgeschlossen. Eine Wechselstimmung im Land war lange nicht zu spüren, Albig hatte im Vergleich zu seinem Widersacher von der CDU hohe Popularitätswerte. Doch Zug um Zug robbte sich Günther in den Umfragen nach vorne.

Die AfD ist schwach, die Flüchtlinge sind kein großes Thema

2,3 Millionen Bürger sind zur Wahl aufgerufen. Zu den Wahlberechtigten gehören erstmals die 16- und 17-Jährigen, eine Gruppe von 57 000 Wählern, die von den Parteien im Wahlkampf umworben wurden. Man habe viele Podiumsdiskussionen in Schulen gehabt und sich bemüht, jüngere Kandidaten zwischen 20 und 25 Jahren da zu platzieren, heißt es beispielsweise bei den Grünen. Vielleicht sind die Jungen das Zünglein an der Waage. Sicher ist, dass die Piraten wieder aus dem Landtag fliegen und die AfD, die in Umfragen zwischen fünf und sechs Prozent liegt, den Einzug schaffen könnte. Die AfD ist relativ schwach im Norden, denn die Flüchtlingspolitik war im Wahlkampf „kein Aufregerthema“.

Daniel Günther sieht sich übrigens in jedem Falle auf der Siegerseite: Er hat es geschafft, die seit dem Abgang des populären CDU-Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen 2012 durch ständige Führungswechsel gebeutelte Landes-CDU wieder auf Kurs zu bringen. „Es geht darum, dass wir in den letzten fünf Jahren ausprobiert haben, was Rumschnacken heißt“, sagt er. In den nächsten fünf Jahren gehe es darum, „anzupacken“. Auch bei einer Niederlage bleibe er auf jeden Fall in der Landespolitik.