Giorgia Meloni: Die faschistischen Wurzeln ihrer Partei sind nicht zu übersehen. Foto: dpa/Alessandro Garofalo

Das Ergebnis der Wahlen in der Heimat löst bei hier lebenden Italienern gemischte Gefühle aus. Zu denen gehören neben Angst auch Fatalismus und Verständnis.

Der Ausgang der italienischen Parlamentswahlen kann auch in Stuttgart für Sprachlosigkeit sorgen. Man bitte um Entschuldigung und Verständnis, heißt es aus dem italienischen Kulturinstitut, aber „aus gewissen Zwängen heraus“ wolle man sich nicht zum Sieg des Rechtsbündnisses äußern. Ebenso wenig zur designierten neuen Regierungschefin Giorgia Meloni von den rechtsnationalen Fratelli d’Italia. Deren Gesinnung ja am Parteisymbol abzulesen ist. Die grün-weiß-rote Flamme steht für den italienischen Faschismus und erinnert an den Hitler-Verbündeten Benito Mussolini. Unter diesem Zeichen steht möglicherweise bald auch Italiens Außenministerium samt den Generalkonsulaten und den angeschlossenen Kulturinstituten. Und die haben sich zunächst einmal Zurückhaltung auferlegt.

Andere Vertreter der italienischen Kulturszene in Stuttgart können unbefangener ihre Gedanken zum Rechtsruck in der Heimat zum Ausdruck bringen. „Mein Eindruck ist, dass die Menschen in Italien resigniert sind“, sagt der Schriftsteller und Übersetzer Cesare De Marchi. Das liest er auch aus der historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 63 Prozent ab. „Und viele, die gewählt haben, haben sich für die Fratelli entschieden, weil sie alle anderen Parteien schon ausprobiert hatten“, meint der seit 2001 in Stuttgart lebende De Marchi, der bei seinen Landsleuten auch ein politisches Desinteresse feststellt. „In Deutschland würde vor und nach einer solchen Wahl eine ganz andere öffentliche Diskussion stattfinden, das garantiert hier allein schon die höhere Qualität der Medien“, sagt der Deutsch-Italiener, der auch von beiden Wahlrechten Gebrauch macht.

Nur wenige Italiener in Deutschland wählen

Damit gehört De Marchi zu einer Minderheit, haben doch gerade einmal 145 000 von 672 000 in Deutschland wahlberechtigten Italienern und Italienerinnen ihre Stimme abgegeben, eine Beteiligung von 21,6 Prozent. Zu diesem Ergebnis hat eventuell beigetragen, dass hierzulande keine italienischen Wahllokale eingerichtet wurden, was andere Länder wie Frankreich für ihre im Ausland lebenden Landsleute möglich machen. Stuttgarts 19 000 Bürger mit italienischer Abstimmung erhielten Briefwahlunterlagen, die ausgefüllt zurück an das zuständige Generalkonsulat an der Lenzhalde geschickt werden mussten. Dort werden die Interessen von den 185 000 Italienern in Baden-Württemberg vertreten. Nur in den Regionen von Rio de Janeiro und Buenos Aires leben im Ausland auf vergleichbarer Fläche mehr Italiener.

Das Wahlverhalten der Italoschwaben und Italobadener entspricht größtenteils dem ihrer Landsleute im gesamten Bundesgebiet. Dabei fällt auf, dass im deutschen Ergebnis der Italienwahl die Sozialdemokraten von der Partito Democratico (PD) mit knapp 30 Prozent fast gleichauf mit den Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni liegen, die mit ihrer Partei insgesamt aber einen Vorsprung von über sieben Prozentpunkten hat. Was im Rechtsbündnis mit der Lega von Matteo Salvini und Silvio Berlusconis Forza Italia die Mehrheit im Parlament bedeutet. „Ich traue dieser Kombination genauso wenig, wie ich Wladimir Putin traue“, sagt der Schriftsteller Cesare De Marchi, „obwohl sich Giorgia Meloni gegen den Angriff Russlands und für die Unterstützung der Ukraine ausgesprochen hat.“ Zu seiner Beruhigung trage andererseits bei, dass sich italienische Regierungen in der Regel nicht allzu lange an der Macht halten können. 66 sind es seit dem Zweiten Weltkrieg bisher gewesen.

Melonis Aversion gegen Deutschland

Carmine Napolitano betrachtet die Wahl in der Heimat seiner Eltern mit gemischten Gefühlen. „Die Entwicklung macht mir Angst, die Ultrarechten werden in Europa immer stärker, wo führt das noch hin?“, fragt sich der gebürtige Stuttgarter und gibt selbst die Antwort: „Sicher nicht in ein geeintes Europa.“ Der Stuttgarter Gastronom, Getränkevertreter und Fußballtrainer kommt durch seine Tätigkeiten mit vielen Leuten in Kontakt und stellt fest: „So viele Italiener haben Meloni gewählt, nur gibt das in Stuttgart keiner offen zu.“ Ein Grund könnte sein, dass die Fratelli-Chefin betont, unter einer Aversion gegen Deutschland zu leiden. Man müsse für ihre Wähler aber auch Verständnis aufbringen. „Es ist ein Protest. Viele sehen sich selbst von den extrem gestiegenen Preisen und ihr Land von der Einwanderung von Flüchtlingen existenziell gefährdet und denken, sie müssten deshalb ein extremes Zeichen setzen“, sagt Carmine Napolitano. Er selbst hat sein italienisches Wahlrecht nicht wahrgenommen und erklärt, dass dahinter die Überzeugung steht, sich mit keiner Partei identifizieren zu können.