Emmanuel Macron und seine Brigitte feiern den Wahlsieg. Foto: AFP

Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron will das Land grundlegend reformieren. Pragmatisch und ohne ideologische Scheuklappen will der 39-Jährige ans Werk gehen. Auf seinem Weg setzen er und seine Anhänger auch auf ein starkes Europa.

Stuttgart - Emmanuel Macron übernimmt im Fall eines Sieges ein „Land am Scheideweg“. Das hat der zukünftige Präsident während des Wahlkampfes immer wieder betont. Den Franzosen stünden schwere Zeiten und tiefe Veränderungen bevor. Keine schönen Aussichten also – und dennoch ist Macron Favorit im Kampf um das höchste Staatsamt. Der 39-Jährige verkörpert Jugend, Charme, Charisma, Ideen von einer besseren Zukunft – eben all das, was dem Gros der herkömmlichen Politiker fehlt. Bewusst hat er sich mit seiner Bewegung „En Marche“ von den Traditionsparteien abgesetzt. Er verortet sich in der politischen Mitte. „Die Alternative rechts oder links ist überholt“, lautet sein Credo und vergleicht sich, nicht ganz unbescheiden, mit großen Vorbildern, die Frankreich einst durch schweren Zeiten geführt haben. „Ich wähle das Beste von Links, das Beste von Rechts, das Beste der Mitte. Wie General de Gaulle.“

Vertreter einer neuen Generation

Seine Anhänger erkennen in dem ehemaligen Investmentbanker den Vertreter einer neuen Generation, der nicht die ideologischen Grabenkämpfe der Vergangenheit führen will, sondern auf Pragmatismus setzt. Auf 32 Seiten hat Macron seine mal mehr, mal weniger konkreten Vorschläge niedergeschrieben, auf deren Grundlage er Frankreich in den kommenden Jahren „transformieren“ will. Seine Hoffnung auf dem Weg in die von ihm versprochene bessere Zukunft setzt Macron, im Gegensatz zu seiner rechtspopulistischen Konkurrentin Marine Le Pen, auch auf Europa. Er wirbt für eine Vertiefung der europäischen Integration. So will der 39-Jährige einen Haushalt, ein Parlament und einen Finanzminister für die Eurozone. Zusammen mit Deutschland will der überzeugte Pro-Europäer außerdem die gemeinsame europäische Verteidigungspolitik stärken. Er schlägt einen europäischen Verteidigungsfonds für gemeinsame Rüstungsausgaben vor.

Macrons Nähe zu Deutschland

Seine offensichtliche Nähe zu Deutschland bedeutet allerdings nicht, dass Macron auch ein bequemer Partner wäre. Jüngst hat er bei einem Besuch in Berlin die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft scharf kritisiert. Deutschland müsse erkennen, „dass seine wirtschaftliche Stärke in der jetzigen Ausprägung nicht tragbar ist“, sagte er. Deutschland profitiere vom Ungleichgewicht in der Eurozone und erziele sehr hohe Handelsüberschüsse. „Die sind weder für seine eigene Wirtschaft gut noch für die Wirtschaft der Eurozone“, resümierte der zukünftige Präsident. „Hier muss ein Ausgleich geschaffen werden.“

Die Staatsausgaben zurückfahren

Für sein eigenes Land plant der Politiker grundlegende Reformen. Macron will bei den Staatsausgaben binnen fünf Jahren 60 Milliarden Euro einsparen und dazu unter anderem 120 000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Auch hier bleibt vieles im Vagen, zum Beispiel, wie er diesen drastischen Umbau bei den traditionell sehr streikfreudigen Franzosen durchsetzen will. Zugleich sollen Unternehmen bei Steuern und Abgaben entlastet werden. So soll die Unternehmenssteuer von knapp 33 Prozent auf 25 Prozent sinken. Steuerentlastungen soll es auch für die Bürger geben: 80 Prozent der Haushalte sollen drei Jahre lang von der Wohnungssteuer befreit werden.

Druck auf Arbeitslose erhöhen

Nicht ohne Widerspruch dürfte auch sein Idee bleiben, die 35-Stunden-Woche weiter lockern und Unternehmen und Gewerkschaften mehr Raum zu geben, über die Arbeitszeiten zu verhandeln. Zugleich soll der Druck auf Arbeitslose erhöht werden, angebotene Jobs anzunehmen. Macron scheint auch gewillt, sich mit dem mächtigen öffentlichen Sektor anzulegen. Nach seinem Willen sollen die umstrittenen Sonderrenten für Beamte und Mitarbeiter von Staatskonzernen abgeschafft werden. An dem Vorhaben war Mitte der 90er Jahre eine konservative Regierung gescheitert.

Investitionen in die Zukunft

Macron will allerdings nicht nur sparen. Sein Ziel es auch, mehr in Zukunftssektoren zu investieren. Ihm schwebt ein 50 Milliarden Euro schwerer Investitionsplan vor. Der Großteil davon – jeweils 15 Milliarden Euro – soll in die berufliche Aus- und Weiterbildung und in die Energiewende fließen. In Zeiten der Terrorangst kann auch Macron die Sicherheit nicht außer Acht lassen. Er will 10 000 Polizisten einstellen und 15 000 Gefängnisplätze schaffen lassen. Außerdem plant er, eine Nachbarschaftspolizei einführen. Die exakte Kostenrechnung zu Ausgaben, Einsparungen, Schulden für diesen ambitionierten Entwurf ist Macron noch schuldig geblieben. Das stört seine Fans allerdings nicht. Sie warten nun auf die „Révolution“ in Frankreich – so zumindest lautet der Titel der politischen Biografie des möglichen Präsidenten.