Marine Le Pen gibt sich im Wahlkampf aufrichtig und volksnah. Doch nun steht der Vorwurf im Raum, sie habe Geld veruntreut. Foto: AFP/CHRISTOPHE SIMON

Mitten im französischen Wahlkampf sorgen Vorwürfe der Veruntreuung gegen die extrem-rechte Präsidentschaftsanwärterin für Aufsehen.

Schlechte Nachrichten für Marine Le Pen. Die französische Rechtspopulistin soll während ihrer Zeit als Europaabgeordnete zusammen mit mehreren Vertrauten insgesamt rund 600.000 Euro veruntreut haben. Das geht aus einem Bericht der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf hervor. Das französische Nachrichtenportal „Mediapart“ veröffentlichte Auszüge aus einem neuen Papier, das im März der Pariser Staatsanwaltschaft zugestellt worden sei und im Moment noch geprüft werde.

Marine Le Pen weist die Vorwürfe zurück

Die Anschuldigungen kommen für Marine Le Pen zur Unzeit, da sie am Sonntag in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen gegen Emmanuel Macron antritt. Der Amtsinhaber gilt Umfragen zu Folge als leichter Favorit. Entsprechend heftig reagierte das Lager der extrem-rechten Politikerin. Ihr Anwalt wies alle Anschuldigungen zurück und wittert eine Verschwörung gegen seine Mandantin. Die Veröffentlichung so kurz vor der Stichwahl sei eine „Instrumentalisierung“, um Marine Le Pen zu schaden, sagte Rodolphe Bosselut. Allerdings konnte er die Anschuldigungen nicht entkräften, sondern wies lediglich darauf hin, dass es sich bei Teilen des Berichts um „mehr als zehn Jahre alte Fakten“ handle. Marine Le Pen sei „von keiner französischen Justizbehörde vorgeladen“ worden, fügte er hinzu.

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Gegenangriff von der rechten Seite

Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde wirft Marine Le Pen, ihrem Vater Jean-Marie Le Pen, ihrem Ex-Partner Louis Aliot und dem ehemaligen rechtsextremen Europaabgeordnete Bruno Gollnisch vor, rund 600 000 Euro veruntreut zu haben, die sie zurückzahlen sollten. Dem Bericht zufolge veruntreute Le Pen persönlich in ihrer Zeit als Straßburger Abgeordnete zwischen 2004 und 2017 öffentliche Gelder in Höhe von rund 137 000 Euro. Seit Juni 2017 wird gegen Marine Le Pen wegen des Verdachts ermittelt, Parteimitgliedern eine Scheinbeschäftigung als Assistenten im Europäischen Parlament verschafft zu haben. Louis Aliot, heute Bürgermeister von Perpignan, wies die Vorwürfe am Sonntag im Sender „Franceinfo“ zurück. Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf und „Mediapart“ bewegten sich außerhalb des Gesetzes, und er hoffe auf juristische Schritte, um herauszufinden, woher die Leaks kämen und wie die Untersuchung abgelaufen sei, sagte Aliot.

Am Sonntag meldete sich auch ein Vertreter des EU-Parlaments zu Wort. Man werde die zu Unrecht gezahlte Beträge zurückfordern. Insgesamt gehe es um „617.000 zu Unrecht gezahlte Euro“, hieß es aus Brüssel. Das Parlament werde in den kommenden Wochen mit den „Rückforderungen fortfahren“.

Marine Le Pens Nähe zu Moskau

Es ist nicht das einzige Problem, das die Rechtspopulistin im aktuellen Wahlkampf lösen muss. Angesichts des Krieges in der Ukraine wird ihr immer wieder ihre große Nähe zu Russland vorgeworfen. Die Verbindungen gehen soweit, dass Marine Le Pen und ihre Partei einst offenbar Millionenkredite von russischen Banken aufgenommen haben, um ihre Wahlkämpfe zu finanzieren. Das Geld soll bis heute nicht zurückgezahlt worden sein. Diese finanzielle Verbindung habe sie in keinerlei politische Abhängigkeit gebracht, verteidigte sie sich kürzlich.

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Beobachter halten das für wenig glaubhaft, zumal sie in der Vergangenheit keinen Hehl aus ihrer großen Bewunderung für den Kremlherrscher Wladimir Putin machte. Die offenen Freundschaftsbekundungen haben allerdings auch ihre Grenzen, wenn es um den Griff zur Macht geht. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Marine Le Pen Wahlbroschüren einstampfen lassen, in denen die französische Politikerin stolz lächelnd an der Seite von Putin zu sehen war. Dennoch kann sie ihre Sympathie für das Regime in Moskau nicht verheimlichen. Sobald der Ukraine-Krieg beendet sei, wolle sie für eine „strategische Annäherung“ zwischen Russland und der Nato werben, sagt Le Pen im Wahlkampf. Nicht nur deshalb wird ein möglicher Wahlsieg der Rechtsextremen im demokratischen Westen mit großer Besorgnis gesehen. Die seit Wochen viel beschworene Einigkeit der Nato und der Europäischen Union gegenüber Moskau wäre damit dahin.