Clemens Maier (rechts) ist neuer Ordnungsbürgermeister in Stuttgart. Nach der Wahl erhält er einen Blumenstrauß von OB Fritz Kuhn. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Kandidat der Freien Wähler und Trossinger Bürgermeister Clemens Maier setzt sich mit 33 Stimmen gegen den Linken-Stadtrat Christoph Ozasek durch, der von 22 Stadträten unterstützt wird. Der nicht gerade üppige Vorsprung des Favoriten hat seine Gründe.

Stuttgart - Die große Überraschung blieb aus: Als neuer Bürgermeister für Sicherheit, Ordnung und Sport ist am Donnerstag mit Clemens Maier der Kandidat der vorschlagsberechtigten Fraktion Freie Wähler gewählt worden. Bei der Wahl in einer Gemeinderatssitzung war der Vorsprung des bisherigen Trossinger Bürgermeisters vor seinem Herausforderer Christoph Ozasek (Die Linke) allerdings nicht üppig.

Gegenkandidat Ozasek mit 22 Stimmen

Aus dem Kreis der stimmberechtigten 58 Stadträte und OB Fritz Kuhn (Grüne) kamen 33 Ja-Stimmen für Maier, 22 für Ozasek. Zudem gab es vier Enthaltungen. Wer wie wählte, kann wegen der geheimen Wahl niemand sagen. Vor der Sitzung hatte sich jedoch abgezeichnet, dass Maier möglicherweise von den Grünen, von der FDP und von der Fraktionsgemeinschaft Puls nicht sämtliche Stimmen zufallen würden. Und das Linksbündnis – bestehend aus SÖS, Die Linke sowie den beiden Stadträten der Piraten und der Tierschutzpartei – dürfte mit den an diesem Tag zur Verfügung stehenden sechs Stimmen einheitlich hinter dem 34-jährigen Sozialwissenschaftler und amtierenden Stadt- und Regionalrat Ozasek gestanden haben. Die SPD hatte signalisiert, dass man das Vorschlagsrecht der Freien Wähler respektieren wolle, dass man keine Situation wie vor zehn Jahren wolle. Damals war der Grünen-Kandidat Werner Wölfle bei der Besetzung des Sozialreferates durchgefallen, obwohl das Vorschlagsrecht unstrittig bei der Grünen-Fraktion lag. Das führte zu atmosphärischen Spannungen im Gemeinderat. Gewählt wurde Isabel Fezer (FDP). Der Fraktionschef der Freien Wähler, Jürgen Zeeb, war damals mitverantwortlich dafür und sagte, es gehe eben nicht nur um das Vorschlagsrecht, sondern auch um die Kompetenz. Zehn Jahre später reklamierte Zeeb das Vorschlagsrecht der Freien Wähler für den Posten des Ordnungsbürgermeisters.

Zweifel am Kandidaten Maier

Ob Maier allerdings zu den Aufgaben in Stuttgart passt, war in den vergangenen Tagen im Rathaus und in den sozialen Medien heftig diskutiert worden. Der Radentscheid Stuttgart, eine Initiative von Fahrradfahrern mit Unterstützung zahlreicher Vereine und Organisationen, hatte für die Verhinderung von Maier und für Ozasek getrommelt. „Diese Wahl ist richtungsweisend für die Stuttgarter Verkehrsentwicklung und nicht zuletzt die Lebensqualität in unserer Stadt“, hatte Thijs Lucas, Sprecher des Radentscheids, dem Gemeinderat in Erinnerung gerufen. Die untere Straßenverkehrsbehörde im Ordnungsamt habe eine Schlüsselposition für die Lösung aller Verkehrsprobleme, für Luftreinhaltung, Fahrverbote und Staubeseitigung. Zudem sei sie nicht unbedingt an die Entscheidungen des Gemeinderats gebunden. So ein Bürgermeister könne daher viel blockieren, hieß es bei der Initiative Radentscheid. In Stuttgart müssten „immer noch dominierende Grundsätze der autogerechten Stadt aus der bisherigen Verkehrsplanung“ überwunden werden. Maier habe in Trossingen gezeigt, dass er nicht der Richtige für die Aufgaben in Stuttgart sei.

Tatsächlich ist die untere Straßenverkehrsbehörde keine herkömmliche Abteilung der Stadtverwaltung, sondern der Umsetzung der Straßenverkehrsordnung und der Vorgaben der oberen Straßenverkehrsbehörde beim Land besonders verpflichtet. Der bisherige Amtsinhaber Martin Schairer (CDU) hatte darauf immer wieder einmal verwiesen.

Problemthema Verkehrspolitik

Als Kreisrat in Tuttlingen hatte Maier der gezielten Förderung des Umstiegs vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel in der Vergangenheit alles andere als das Wort geredet. Das sei nur sinnvoll, wenn damit mindestens so viel Mehreinnahmen wie Mehrausgaben verbunden wären. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagte er im Hinblick auf Stuttgart, er wolle die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs steigern und das Radwegenetz verbessern, aber alles mit Maß und Ziel. Dagegen steht Ozasek klar für das Ziel, mehr Autos aus der Stadt herauszuhalten. Ozasek betonte in der Vorstellungsrede seine Verwurzelung in Stuttgart und dass er als Praktiker Lösungen für eine sichere, lebenswerte und klimagerechte Stadt anstreben wolle. Er strebe eine „Exitstrategie“ für Lärm, Luftschadstoffe und Klimakrise ab, wolle eine sanfte Mobilitätskultur. Verkehrsüberwachung und Vollzugsdienst wolle er weiterentwickeln. Sein Motto sei: So viel Freiheit wie möglich, so viel Sicherheitsmaßnahmen wie nötig. Das Linksbündnis aus dem er kommt, hat allerdings nach der Gemeindeordnung kein Vorschlagsrecht, weil es eine Fraktionsgemeinschaft ist, die Freien Wähler aber eine Fraktion stellen, wenngleich nur halb so groß.

Familie bleibt in Trossingen

Bei seiner Vorstellungsrede hatte sich Maier nach dem Gegenwind der letzten Tage offensichtlich um Entgegenkommen bemüht. Er hatte den Siegerentwurf des Ideenwettbewerbs zur B 14 wegweisend und die Entwicklung hin zu einer Fahrradstadt „auch sinnvoll“ genannt. Er sei dafür, neue Radwege auszuweisen und den Autodurchgangsverkehr möglichst „herauszunehmen“. Der knappe Straßenraum solle mithilfe neuer Spielregeln neu geordnet werden. Die bisherigen Beschlüsse des Gemeinderats betrachte er als bindend, die Zielbeschlüsse für eine fahrrad- und fußgängerfreundliche Stadt werde er unterstützen. Jeder Bürger solle sich jederzeit in Stuttgart sicher fühlen können. Sicherheit und Ordnung seien vor allem dazu da, den Bürgern Lebensqualität und Freiheit zu garantieren.

Der Jurist und promovierte Theologe Maier, 46 Jahre alt, wird nun am 1. November im Stuttgarter Rathaus anfangen. Die Familie mit den drei Kindern will er zwar in Trossingen lassen. Er versprach aber, er wolle für sich „hier vor Ort schnell eine Wohnung beziehen“.

Die Freien Wähler von Kreisverband und Ratsfraktion zeigten sich sehr zufrieden mit dem Wahlerfolg. Fraktionschef Zeeb dankte ausdrücklich allen Stadträten, die das Vorschlagsrecht seiner Fraktion akzeptiert hätten.