Der Sozialdemokrat und ehemalige Oberarzt Peter Tschentscher will Erster Bürgermeister von Hamburg bleiben. Foto: dpa/Daniel Karmann

Längere Zeit lagen Sozialdemokraten und Grüne in Hamburg gleichauf in den Umfragen. Doch in den letzten Tagen hat sich der Sozialdemokrat Peter Tschentscher nach vorne geschoben.

Hamburg - Das Finale im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf sagte er kurzerhand ab. Nach der rassistischenBluttat von Hanau rief der SPD-Kandidat stattdessen zum Gedenken an die Opfer und zum Demonstrieren „gegen Rechts“ auf – und alle demokratischen Parteien folgten seiner Ansage.

Der 54-jährige Peter Tschentscher hatte schon zuvor einen Wahlkampf geführt, der nicht auf Polarisierung, sondern auf Zusammenführen setzt. „Die ganze Stadt im Blick“, lautet die Botschaft, die der amtierende Erste Bürgermeister Tschentscher und seine SPD seit Wochen unters Volk bringen. Gemeint sind: Jung und Alt, Innenstadt und Außenbezirke, Arbeitnehmer und Wirtschaft, Leute mit und ohne Auto. Und noch viele mehr.

Die Bundesspitze der SPD war an der Elbe nicht erwünscht

An diesem Sonntag finden die Bürgerschaftswahlen statt. Es könnten die einzigen Landtagswahlen in der Bundesrepublik in diesem Jahr sein – falls die Wähler in Thüringen nicht noch einmal an die Urnen gerufen werden. In Hamburg haben Tschentscher und seine Leute beste Chancen, am Wahlabend als strahlende Sieger dazustehen. Das hat es bei den kriselnden Sozialdemokraten in Deutschland lange nicht mehr gegeben. In der Berliner Parteizentrale hoffen sie sogar, dass die Hamburg-Wahl eine Trendwende markiert.

Die neuen, linken Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hielt der bürgerliche Tschentscher im Wahlkampf zwar bewusst außen vor. Aber das heißt ja nicht, dass man anschließend nicht gemeinsam Erfolge feiern darf. Gemessen am chaotischen Zustand der CDU wirkt die SPD im Bund gerade wie ein Hort der Stabilität.

Olaf Scholz hatte knapp die absolute Mehrheit verfehlt

Laut jüngsten Umfragen dürften die Hamburger Sozialdemokraten gegenüber der Wahl 2015, als sie mit dem heutigen Vizekanzler Olaf Scholz an der Spitze die absolute Mehrheit knapp verfehlten, jetzt zwar Stimmanteile verlieren. Aber sie können damit rechnen, klar auf Platz eins zu landen. Und zwar deutlich vor den Grünen, ihrem bisherigen Juniorpartner in der Stadtregierung.

Die Ökopartei hatte lange gehofft, mit Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank als Spitzenkandidatin einen Machtwechsel im Hamburger Rathaus bewerkstelligen zu können. Zum ersten Mal eine Frau an der Stadtspitze, zum ersten Mal eine Grüne, nach Baden-Württemberg das zweite Land unter grüner Führung – das war die Erzählung.

CDU muss eine Debakel fürchten

Doch dann trat ein, was zuletzt auch bei anderen Landtagswahlen zu beobachten war: Je näher der Wahltermin rückte, desto mehr machte der Amtsinhaber Boden gut. Intern rechnen die Grünen nun damit, dass sie ihr Ergebnis gegenüber der letzten Wahl verdoppeln werden. Das wäre ein schöner Erfolg, aber eben nicht Platz eins. Für eine Fortsetzung der Koalition würde es aber allemal reichen. Tschentscher selbst sagt: „Rot-Grün ist eine sehr nahe liegende Option.“

Die CDU in Hamburg muss sich derweil mit ihrem Spitzenkandidaten Marcus Weinberg auf ein Debakel gefasst machen. Die Parteifreunde in Erfurt und Berlin machten den Wahlkämpfern das Leben zuletzt zusätzlich schwer. Alle anderen Formationen sind in Hamburg unter „ferner liefen“.

Schatten der Vergangenheit

Es könnte also alles wunderbar sein für Tschentscher. Wenn da nicht gewisse Schatten der Vergangenheit wären – von denen nicht klar ist, wie sehr sie das Wahlergebnis am Ende doch noch verdunkeln können.

Sowohl die Grünen-Bürgermeisterkandidatin Fegebank als auch die Spitzenkandidaten der Oppositionsparteien hatten von Tschentscher Aufklärung zum Umgang der Finanzbehörden mit der Warburg Bank rund um den so genannten „Cum-Ex“-Skandal verlangt. Im Raum stehe der Vorwurf der politischen Einflussnahme, sagte die Zweite Bürgermeisterin Fegebank in einem TV-Duell. Es müsse klar gemacht werden, warum eine Steuerrückforderung von 47 Millionen Euro aus dem Jahr 2009 nicht erhoben wurde und verjährte.

Die SPD in Hamburg erhielt noch 2017 stattliche Parteispenden von der Bank oder deren Umfeld. Tschentscher wies im TV-Duell den Vorwurf der politischen Einflussnahme erneut zurück. Zum konkreten Fall wollte sich der Bürgermeister wegen des Steuergeheimnisses aber nicht äußern.