Wagyu-Rind eines deutschen Züchters. Das Fleisch zählt zu den teuersten Lebensmitteln Foto: dpa

Ein Steak ab 80 Euro aufwärts – den meisten Verbrauchern dürfte bei solchen Preisen der Appetit auf Fleisch vergehen. Beim Wagyu-Rind sind solche Preise normal, denn ein Kilo dieses Edelfleisches kostet mehrere Hundert Euro – und es hat durchaus Anhänger.

Stuttgart - Stephan Otto erinnert sich noch genau an den Grillabend bei Geschäftsfreunden in den USA, als er zum ersten Mal ein Steak vom Wagyu-Rind gegessen hat: „Eine Geschmacksexplosion“, beschreibt er es. Die Zartheit des Fleisches und der besondere Geschmack gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn. Er war so begeistert, dass er seine beiden Brüder überredete, dieses Fleisch nach Deutschland zu exportieren. Das war 2005.

Damals arbeitete Stephan Otto als Unternehmensberater, sein Bruder Michael als Luft- und Raumfahrtingenieur, sein Bruder Wolfgang im Marketing in einem Lebensmittelunternehmen. Gemeinsam gründeten die Brüder dann im rheinländischen Heinsberg Otto Gourmet – der erste Fleisch-Online-Händler in Deutschland und mittlerweile einer der großen Edelfleisch-Versender und wichtigster Fleischlieferant der Spitzengastronomie. Neun der zehn Drei-Sterne-Köche Deutschlands zählen zu den Kunden, ebenso rund 30 000 Privatkunden.

Dass nicht jeder Verbraucher Hunderte Euro fürs Kilo Fleisch hinblättern kann, ist auch Otto klar. „Spezialitäten sind immer ein Nischenmarkt.“ Es gehe nicht um Masse, sondern um Qualität. Jeden Monat importieren die Brüder etwa zwei Tonnen Wagyu-Fleisch aus den USA – von der Hochrippe bis zum Filet von der Morgan Ranch in Nebraska. Im Sortiment hat man freilich auch andere Sorten, ob Bison, toskanisches Chianina oder irisches Hereford, um nur einige Beispiele zu nennen.

Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland: gut 60 Kilogramm Fleisch

Auch wenn Edelfleisch nicht für den Massenmarkt taugt, bei Verbrauchern habe ein Sinneswandel stattgefunden, sagt Otto. Viele seien bereit, mehr Geld für hochwertiges Fleisch auszugeben, vom Schwein übers Rind bis zum Geflügel. Auch Sorten wie Angusrind oder exklusiveres Kobe und Wagyu Beef sind beliebt – vor allem bei Gourmets und Verbrauchern, die sich mal was Besonderes leisten wollen, etwa zu Weihnachten oder zum Jahreswechsel. Deshalb macht Otto Gourmet im Dezember auch rund 25 Prozent seines Jahresumsatzes.

Massentierhaltung und Lebensmittelskandale haben offenbar so manchen sensibilisiert. Das heißt aber keinesfalls, dass der Trend dahin geht, gar kein Fleisch mehr zu essen. Schließlich werden hierzulande pro Kopf der Bevölkerung jährlich gut 60 Kilogramm Fleisch verzehrt, besagt der Fleischatlas. Die Scheibe Schinken auf dem Brot, das Schnitzel am Mittag oder die Currywurst zwischendurch zählen da mit. Für sich genommen sind das jeweils nur wenige Gramm. Im Laufe der Tage und Wochen summiert sich das aber zu ganz schönen Mengen. Das zeigt sich auch an den Schlachtungen. Allein in Deutschland werden binnen eines Jahres rund 58 Millionen Schweine, 630 Millionen Hühner und 3,2 Millionen Rinder geschlachtet und landen als Steak, Schnitzel, Keule & Co. auf dem Teller.

Doch worin unterscheidet sich Edelfleisch eigentlich? Vor allem in der Aufzucht, der Tierhaltung und im Futter. „Wir arbeiten ausschließlich mit Züchtern zusammen, die wir persönlich kennen und die ihre Tiere artgerecht füttern, aufziehen und halten“, sagt Otto – der Quereinsteiger in Sachen Fleisch ist mittlerweile diplomierter Fleischsommelier. Sommeliers vom Wein kennt man, aber bei Fleisch eher nicht. Otto kennt sich in Zucht, Haltung, Schlachtung und Zubereitung aus – auch mit Fragen, wie sich etwa Tomahawk- und Rib-Eye-Steaks unterscheiden oder was New York Cut bedeutet.

Etwa insgesamt 1500 Wagyu-Rinder in Deutschland

Das Wagyu-Fleisch beispielsweise kommt von einem Züchter aus den USA, der über 25 Jahre Erfahrung und eine Herde mit rund 3000 Tieren hat. Wagyu-Züchter gibt es auch in Deutschland, allerdings mit kleineren Herden, manchmal nur zehn bis 15 Stück, sagt Klaus Möbius vom Wagyu-Verband Deutschland. Man sei daher nicht in der Lage, einer konstanten Nachfrage nachzukommen. Dem Verband gehören etwa 60 Zuchtbetriebe an, darunter vier in Baden-Württemberg. Möbius schätzt, dass in Deutschland insgesamt etwa 1500 Wagyu-Rinder gehalten werden. Verlässliche Zahlen gebe es nicht, sagt er.

Glaubt man Mythen, führen diese Rinder ein wahres Luxusleben: mit freiem Auslauf, Massagen, Musik, Streicheleinheiten und ab und an noch etwas Bier – das regt den Appetit an. „All diese Wellness-Maßnahmen dienen dazu, dem Tier keinen Stress zu bereiten, dass es ruhig und ausgeglichen ist und schön langsam Fett ansetzen kann“, bestätigt Möbius. Ein Wagyuzüchter aus dem Ostalbkreis etwa bekommt die Reste aus den Braukesseln einer Brauerei, die diese nicht nutzen kann. Die Kraftbrühe, die aussieht wie dickflüssiges Weizenbier, bekommen seine Rinder zweimal die Woche als Appetitanreger.

Die Tiere sollen schließlich fett werden. Anders als das übliche Rindfleisch ist das Fleisch der Wagyus stark marmoriert, also durchzogen von vielen Fettäderchen, die ein wichtiger Geschmacksträger sind. Fett übrigens, das vergleichbar mit dem Fett von Lachs ist und die für den menschlichen Körper wichtigen Omega-3-Fettsäuren enthält. Nach dem Marmorierungsgrad des Fleisches richte sich auch der Verkaufspreis, sagt Verbandschef Möbius.

Ein Kilo Wagyu-Filet von 300 bis gut 700 Euro

Das Fleisch ist wertvoll, weil es selten und teuer in der Produktion ist. Das Wagyu-Rind benötigt bis zur Schlachtreife mindestens doppelt so viel Zeit wie ein herkömmliches Rind, im Durchschnitt zweieinhalb bis drei Jahre. Artgerechte Haltung, Transparenz in der Produktion, keine Hormone, keine Antibiotika, kein Genfutter – all das hat seinen Preis. Kürzlich seien 28 weibliche Tiere versteigert worden. Im Durchschnitt erzielten sie Preise von 14 000 Euro, sagt Möbius – lebend versteht sich. Je nach Tier beziehungsweise je nach Fleischqualität summiert sich das Kilo auf mehrere Hundert Euro. Ein Kilogramm Wagyu-Filet kann da zwischen 300 und gut 700 Euro kosten. Viele Züchter verdienen ihr Geld aber nicht mit dem edlen Fleisch, sondern hauptsächlich mit Bullensamen und Embryos, die sie in ganz Europa verkaufen.

Edelfleisch wie vom Wagyu-Rind gewinnt aber immer mehr Liebhaber. Das mag auch daran liegen, dass es einige Fernseh-Köche entdeckt haben. Auch Handelsriesen wie Metro oder Rewe führen es teils in ihren Premium-Sortimenten.

Beim Versender Otto Gourmet sind rund 75 Prozent der Kunden Männer. Das habe mit dem Grillboom zu tun – der zweitwichtigsten Saison nach dem Weihnachtsgeschäft, sagt Otto. Anders als früher versuche man sich heute zu differenzieren: Man leiste sich den Grill für 500 Euro, bereite darauf ausgefallene Fleischstücke zu. Es gibt Kulturwissenschaftler, die setzen solchen Aussagen noch eine drauf. Die neue Lust am Fleisch bediene ein Bedürfnis der gehobenen Mittelschicht, sich von einfacheren Milieus abzugrenzen – nach dem Motto: Lachs ist Massenware, Champagner gibt’s beim Discounter, wilder Kavier ist aus ökologischen Gründen verpönt.

Wagyu – ein ganz besonderes Rind

Ursprung: Wagyu heißt übersetzt „japanisches Rind“ und steht für eine besondere Rinderrasse mit japanischem Ursprung – besser bekannt als Kobe-Rind. Dieser Name unterliegt einem Gebietsschutz, der sich auf die Region Kobe bezieht – anderswo heißen die Tiere Wagyu. Solche Wagyu-Herden gibt es außerhalb Japans in den USA, Australien und Kanada. In Deutschland kamen 2006 die ersten Wagyu-Rinder zur Welt

Aufzucht: Bekannt ist das Wagyu- oder Kobe-Rind durch besondere Aufzuchtmethoden – tägliche Massagen zu klassicher Musik, Kraftfutter, Reiswein bzw. Bier. Die genaue Fütterung wird von jedem Züchter geheim gehalten. Durch die aufwendige Wellnessbehandlung bildet sich angeblich eine spezielle Fettauflage, die dem Fleisch seine besondere Qualität verleiht. In Japan kann ein Landwirt nur wenige Rinder halten. Doch der Verkauf eines einzigen Kobe-Rindes reicht, um seine Familie ein Jahr lang zu ernähren.

Fleisch: Es gilt als zart, saftig, würzig und hat eine gleichmäßige, feine Marmorierung (intramuskuläres Fett). Diese Eigenschaften haben Wagyu-Fleisch für die Spitzengastronomie interessant gemacht.