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In der Nacht zum Sonntag wurden am Wagenburgtunnel Bäume gefällt. S21-Gegner protestierten.

Stuttgart - Die Bahn hat in der Nacht zum Sonntag überraschend mehr als 30 Bäume für ihr Milliardenprojekt Stuttgart 21 fällen lassen. Im strömenden Regen versuchten wütende Demonstranten, die Arbeiten am Wagenburgtunnel in der Nähe des Hauptbahnhofs zu stoppen. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften angerückt. Der stundenlange Dauerregen zermürbte die meisten S-21-Gegner schließlich: Weitgehend freiwillig gaben viele der gut 250 Demonstranten ihren Widerstand auf.

Kurz nach Mitternacht begannen Arbeiter damit, die ersten Bäume zu fällen. Bis etwa 5.45 Uhr habe die zuständige Firma die Bäume gehäckselt, sagte ein Polizeisprecher am Morgen. Danach seien Arbeiter und Polizei wieder abgerückt.

Das gut 2500 Quadratmeter große Gelände wird nach Angaben der Bahn gebraucht, um eine Baustelle für den neuen Fildertunnel einzurichten. Die 9,5 Kilometer lange Strecke soll den geplanten Stuttgarter Tiefbahnhof unter anderem mit dem neuen Bahnhof Flughafen/Messe verbinden. Die Bäume im Mittleren Schlossgarten waren von den Fällarbeiten in der Nacht nicht betroffen.

Aktion kam unerwartet

Die Aktion am Wagenburgtunnel kam am Samstagabend unerwartet. Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot an, die Stuttgart-21-Gegner trommelten über Twitter und Facebook ihre Leute zusammen. 90 Demonstranten schafften es schließlich hinter die Absperrungen der Polizei. Weitere 150 S-21-Gegner standen nach Polizeiangaben vor der Absperrung. Sie sangen und trommelten. Einige hielten Plakate hoch.

Matthias von Herrmann, Sprecher der Parkschützer, warf der Bahn vor, sie wolle erneut Fakten schaffen. „Es ist ein Armutszeugnis, dass unsere Regierung sich das bieten lässt und obendrein Polizei in den Einsatz schickt, obwohl die Sachlage weder rechtlich noch technisch noch finanziell geklärt ist“, sagte von Herrmann. Zudem seien Fällarbeiten bei Nacht und bei starkem Wind verboten.

Die Bahn wies die Vorwürfe zurück. Projektsprecher Wolfgang Dietrich betonte vor Ort, es seien alle Bedingungen der Behörden erfüllt. Nach der Volksabstimmung habe die Bahn die Pflicht, weiterzubauen. Das Projekt sei ohnehin schon um ein Jahr verzögert. „Man muss Gas geben und Maßnahmen abarbeiten, die möglich sind.“

Mit Lautsprecherdurchsagen forderte die Polizei die Demonstranten immer wieder auf, das Gelände zu verlassen. Notfalls werde sie auch zwangsweise räumen. Doch das war nicht nötig, denn die Beamten hatten ungewöhnliche Rückendeckung: Der Dauerregen und die niedrigen Temperaturen setzten den Projektgegnern, die sich in aller Eile auf den Weg gemacht hatten, arg zu. Die meisten machten sich nach einigen Stunden freiwillig auf den Heimweg. Einen Mann, der auf einen der Bäume geklettert war, mussten die Beamten schließlich herunterholen.

Anzeigen gegen 28 Projektgegner

Zwei Projektgegner besetzten gegen 1 Uhr laut Polizei Baumfällmaschinen. Einer kletterte von sich aus herunter, den anderen mussten Spezialkräfte der Polizei von einer fahrbaren Baumschere holen. Die Beamten nahmen die Beiden vorläufig fest. Insgesamt werde gegen 28 Menschen Anzeige erstattet, sagte der Polizeisprecher.

Die Bäume am Wagenburgtunnel haben nichts mit den Bäumen im Mittleren Schlossgarten zu tun. Die mehr als 170 teils sehr alten Platanen, Rosskastanien und Spitzahorne, die dort stehen, sollen ebenfalls bald gefällt werden. Um die Bäume hatte es zuletzt besonders heftige Auseinandersetzungen gegeben.

Am Samstagnachmittag hatten bereits rund 1200 Menschen in der Stuttgarter Innenstadt gegen das auf 4,1 Milliarden Euro veranschlagte Projekt und vor allem gegen den bevorstehenden Abriss des Südflügels am Hauptbahnhof demonstriert. An der Bahnhofsfassade brachten einige ein Transparent mit der Aufschrift „DB: Sinnlos Fakten schaffen! Grün-Rot: Sinnvolle Fakten ignorieren?“ an. Das Aktionsbündnis gegen das Bauprojekt forderte, die Arbeiten für den geplanten Tiefbahnhof zu stoppen, bis alle offenen Fragen zu Baurecht und Naturschutz geklärt seien.

Im Anschluss an die Demonstration zogen einige hundert Demonstranten durch die Innenstadt und blockierten den Verkehr auf mehreren Straßen. Vereinzelt kam es nach Polizeiangaben zu Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften.