Die Polizei will das Risiko von Messerstechereien in der City verringern. Foto: Lichtgut/Julian Rettig (Archiv)

Die Statistiken und Erhebungen der Polizei überzeugen politisch nicht alle im Stuttgarter Gemeinderat. Dort regt sich Widerstand gegen die geplante Waffenverbotszone in der City. Bald soll eine Entscheidung getroffen werden.

Das Land Baden-Württemberg hat den Weg frei gemacht für eine Waffenverbotszone in der Stuttgarter Innenstadt. Der Polizeipräsident in der Stadt, Markus Eisenbraun, hofft, dass er diese „als weiteres Mittel“ zur Beruhigung der Lage in der Stadt an die Hand bekommt für seine Einsatzkräfte. Denn nach der Ruhe der Coronajahre ziehe die Zahl der Straftaten wieder an. Zudem seien bei Auseinandersetzungen immer öfter Messer im Spiel. Doch es regt sich Widerstand im Gemeinderat, der bald über das Einrichten der Zone entscheiden soll. „Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass eine Mehrheit dagegen sein wird“, sagt Luigi Pantisano vom Linksbündnis.

Polizei: Anstieg der Messerdelikte Für den Polizeipräsidenten ist die Lage eindeutig: „Messer spielen immer häufiger eine Rolle bei Auseinandersetzungen, vor allem in der Innenstadt. Wir verzeichnen da seit fünf Jahren einen Anstieg“, sagt Markus Eisenbraun. Warum sie mitgebracht werden, wenn junge Leute am Wochenende oder sonst abends ausgehen, darauf hat die Polizei selbst keine Antwort. Sie weiß nur, dass es in erster Linie junge Männer sind, die mit den potenziell als Waffe einsetzbaren Messern in der Tasche unterwegs seien. Und da aus Sicht der Sicherheitskräfte ein Streit, bei dem jemand ein Messer zur Verfügung hat, wenn es zur Schlägerei kommt, wesentlich gefährlicher ist, als wenn „nur“ die Fäuste fliegen, will sie dem Phänomen mit der Verbotszone begegnen.

Etwa jeder vierte Messereinsatz in Stuttgart in der City Genaue Zahlen aus dem Lagebericht, wie er sie im Frühjahr dem Gemeinderat präsentiert hatte, gibt der Chef der Stuttgarter Polizei im Herbst nicht heraus – das soll erst mit der Polizeistatistik 2022 öffentlich werden. Aber einen Trend gebe es. Die Polizei schaue genau auf drei Delikte: Straftaten gegen das Leben, Sexualdelikte und sogenannte Rohheitsdelikte. Bei diesen werte man aus, wann ein Messer mitgeführt, dessen Benutzung angedroht oder es verwendet wurde. Mehr als ein Viertel davon spielt sich im Stadtbezirk Mitte ab, sagt Eisenbraun, und davon wiederum zwei Drittel an einem Wochenende. Ein Blick in die Kriminalstatistik ergebe einen anderen Eindruck. Das liege daran, dass die Zahlen dafür aus dem Vorjahr stammen – und da sei es aufgrund der Lockdown-Situation eben noch anders gewesen, sagt Eisenbraun. Allmählich bewege sich alles wieder auf dem Niveau wie vor Corona – und dazu komme der Anstieg der Zwischenfälle mit Messern.

Mit zeitlichem Verzug schlagen sich diese Zahlen in der Statistik nieder. „Neben den Straftaten haben wir aber auch noch weitere Themen“, fügt der Polizeichef hinzu. 85 Verstöße gegen das Waffengesetz habe man etwa im Sommer in der Innenstadt festgestellt. Das seien Messer und Gegenstände, die grundsätzlich verboten sind. Hier kann die Polizei schon jetzt einschreiten. Die Waffenverbotszone ermöglicht das Einziehen der Messer und weitere Konsequenzen. Sie wäre zeitlich und räumlich begrenzt. „Eine Grundlage für weitere Kontrollen gibt sie uns nicht“, betont Eisenbraun. Nur, wenn die Polizei aus anderen Gründen jemanden kontrolliere, habe sie die Möglichkeit, wegen des Waffenverbots einzugreifen.

Widerstand im Gemeinderat Stadtrat Luigi Pantisano glaubt das nicht. „Wir haben im Wesentlichen zwei Punkte, warum wir dagegen sind“, sagt er. Zum einen wolle man der Polizei kein zusätzliches Instrument an die Hand geben, „um weitere unbegründete Kontrollen“ zu machen, bei denen Pantisano auch ganz klar Racial Profiling unterstellt: Viele junge Leute würden wegen ihrer Hautfarbe und Herkunft von der Polizei kontrolliert. Zum anderen sehen er und alle im Gemeinderat, die gegen die Waffenverbotszone seien, keine Grundlage. Es habe an 200 Abenden, an denen die Mobile Jugendarbeit unterwegs gewesen sei, nur an zwei Abenden Situationen gegeben, „an denen es begründet war, größer einzugreifen.“ Auch habe er kein Verständnis dafür, dass man argumentiere, wer ein Messer dabei habe, könnte es einsetzen. „Das ist mir zu viel Pre-Crime“, sagt Pantisano in Anlehnung an Predictive Policing. Bei dieser Methode werden künftige Einsätze aufgrund von Erfahrungswerten geplant, also unter der Annahme, was passieren könnte. Mit Pantisanos Fraktion haben auch die FDP und die Fraktionsgemeinschaft Puls eine Ablehnung der Waffenverbotszone kommuniziert. Pantisano hofft, dass auch die Grünen und die SPD dagegen stimmen werden.

Die Polizei analysiert den Lagebericht

Polizeichef: Mitgeführte Messer sind nicht zum Schmieren von Vesperbroten da Für Polizeichef Eisenbraun stellt sich die Lage anders da. Er sehe zwar auch, dass die Lage in der Innenstadt sich befriedet habe. Aber die gewaltbereite Klientel sei da. „Die fallen nicht auf, weil gemischtes Publikum unterwegs ist und die Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt wirken“, so Eisenbraun. Er glaube keinem, der am Wochenende in der Partyszene in der City unterwegs sei, dass der „ein Messer dabei hat, um sich ein Vesperbrot zu schmieren“, sagt Eisenbraun.