Nach den Krawallen Ende März in Ludwigsburg will die Polizei Maßnahmen gegen rivalisierende Straßenbanden verschärfen. Foto: dpa

Es wäre eine Premiere in Stuttgart: Das Landeskriminalamt plädiert für eine Waffenverbotszone in der Stadt. Das soll eine Eskalation zwischen Straßengangs verhindern. Die Stadt will „Maßnahmen zur Befriedung“ unterstützen.

Stuttgart - Das Landeskriminalamt (LKA) scheut sich nicht vor drastischen Maßnahmen, um den Konflikt unter Straßenbanden aus der Region Stuttgart zu unterbinden: Die Behörde plädiert für ein Waffenverbot in der Stadt, um blutige Kämpfe auf der Straße zu verhindern.

Denn die Ermittler registrieren im Zusammenhang mit den Konflikten zwischen rivalisierenden Banden ein neues Ausmaß: „Diese Straßengangs treten nicht nur auf öffentlichen Plätzen auf, sondern laufen auch durch Wohngebiete“, sagt Sigurd Jäger, Inspektionsleiter für organisierte Kriminalität beim LKA. In den vergangenen Wochen marschierten die verfeindeten Gruppen der sogenannten Stuttgarter Kurden und der United Tribuns an öffentlichen Plätzen und in Wohngebieten auf. Ihr Ziel: Machtdemonstrationen.

Der Vorstoß des LKA für Tabuzonen wird seitens der Stadt nicht ausgeschlossen. „Zu beurteilen, ob ein Waffenverbot nötig wird, ist in erster Linie Aufgabe der Polizei. Selbstverständlich werden wir die nötigen Maßnahmen gemeinsam besprechen und von unserer Seite aus prüfen“, sagt Stadtsprecher Sven Matis, „wenn wir die Polizei im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten unterstützen können, werden wir das gerne tun.“ Die Waffenverbotszone könnte für Teile oder das gesamte Stadtgebiet gelten, wenn es die Lage erfordere.

Treffen wäre beinahe eskaliert

Am Sonntag vor zwei Wochen wäre das Treffen der sogenannten Stuttgarter Kurden und selbst ernannten Tribunen beinahe eskaliert. Ein Großaufgebot der Polizei beruhigte die Situation. Die Polizisten beschlagnahmten Schlag- und Stichwaffen. Die Gruppe der Krawallmacher reagierte auf die Polizeiaktion derweil mit Spott und pöbelt im Internet unbeeindruckt weiter.

Der Vorfall hat das Fass zum Überlaufen gebracht – und er bewegt Polizei und Landeskriminalamt, über weitere Maßnahmen nachzudenken. Dabei schaut man auf Möglichkeiten, die es in anderen Bundesländern schon gibt. Eines dieser Beispiele ist Bremen. Dort galt die Verbotszone in Teilen der Innenstadt, als sich libanesische Familienclans bekriegten.

Inzwischen hat der Bremer Senat dieses Konzept erweitert: Neben der Waffen- und Flaschenverbotszone in der Bahnhofsvorstadt gibt es weitere „besondere Kontrollorte“, an denen die Polizei anlassunabhängig Personen überprüfen kann. Diese Brennpunkte werden je nach Gefahrenprognose für die nächsten Monate festgelegt.

"Wir müssen auf alles gefasst sein“

„Angesichts des Mordopfers, das ein Bandenkrieg 2013 in Esslingen forderte, müssen wir auf alles gefasst sein“, sagt Sigurd Jäger vom LKA. „Wir behalten die Gruppen scharf im Auge und werden konsequent unsere Kontrollen verschärfen“, fügt er hinzu. Dazu dienten auch behördliche Tabuzonen.

Im Stuttgarter Rathaus zeigt man sich im Härtefall offen für ähnliche Maßnahmen in der Stadt. Solche Einschränkungen seien juristisch durchaus möglich, so Matis. „Aber es ist allen Beteiligten klar, dass für so einen weitreichenden Eingriff die rechtlichen Hürden sehr hoch sind.“ Anders als im Stadtstaat Bremen müsste sich die Ordnungsbehörde der Unterstützung des Innenministeriums vergewissern. Dieses müsste laut Matis das Polizeigesetz entsprechend ergänzen.

Stefan Keilbach, Sprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart, hält jede Regelung, die für weniger Waffen oder waffenähnliche Gegenstände sorgt, für hilfreich. Allerdings könne es nicht allein um Polizeikontrollen gehen. Letztlich seien auch städtischer Vollzugsdienst und Sozialarbeit gefordert.

Taktik der Nadelstiche

Das Landeskriminalamt hat außerdem eine „Taktik der Nadelstiche“ gegen die Streitlust der Banden ausgeklügelt. So könne etwa die Führerscheinstelle auf entsprechenden Hinweis die charakterliche Eignung eines Gang-Mitglieds, das Auto fährt und bereits straffällig geworden ist, prüfen. So verfuhr die Polizei in der Vergangenheit bereits bei kriminellen Rockern.

Sollte es juristisch möglich sein, die sogenannten Stuttgarter Kurden als Nachfolgeorganisation der verbotenen Red Legion ebenfalls zu verbieten, könnte das Vereinsvermögen beschlagnahmt werden. Ins Visier geraten würden dann auch die Online-Plattformen, die die Gruppe zu Propagandazwecken nutzt. Die Polizei hat bei Personenkontrollen festgestellt, dass einige ehemalige Red-Legion-Anhänger nun bei den sogenannten Stuttgarter Kurden mitmischen.

Die Polizei sorgt sich vor allem um den wachsenden Zulauf. „Ehre und Respekt – diese falsch verstandenen Werte scheinen die jungen Männer stark anzuziehen“, sagt LKA-Experte Jäger. In kurzer Zeit habe sich die Zahl der Mitglieder deutlich erhöht. „Präventionsarbeit können wir alleine nicht genug leisten“, ergänzt Ulrich Heffner, Sprecher beim LKA. Hier sieht er auch andere Stellen, etwa die kurdischen Vereine, in der Pflicht: „Die kommen vielleicht besser an die jungen Männer ran.“

Die Polizei jedenfalls rechnet mit weiteren Provokationen. Ein Mitglied der kurdischen Gruppe kündigte jüngst im Internet an: „Weiter so! Die kurdische Jugend wird noch jedem die Kutte ausziehen!“ Eine ziemlich klare Kampfansage.