Heckler & Koch wirft dem Konkurrenten C.G. Haenel Verletzungen des Patentrechts vor. (Archivbild) Foto: dpa/Wolf von Dewitz

C.G. Haenel, der Konkurrent des Schwarzwälder Waffenherstellers, scheint vor Gericht eine Niederlage zu erleiden. Die Firmen streiten um Patente für winzige Öffnungen im Gewehr, die dem Wasserabfluss dienen.

Düsseldorf - In einem Gerichtsstreit über Gewehrtechnik mit dem Hersteller Heckler & Koch sieht es für den kleineren Konkurrenten C.G. Haenel schlecht aus. Bei der Verhandlung am Dienstag vor dem Landgericht Düsseldorf sagte die Vorsitzende Richterin Bérénice Thom, dass sie von einer Patentverletzung von Haenel ausgehe. Unklar ist aber noch das Ausmaß.

Möglich ist zudem, dass das Verfahren ausgesetzt wird und das Landgericht erst ein Urteil des Bundespatentgerichts abwartet. Dort hatte Haenel eine separate Klage eingereicht, um das Patent für nichtig zu erklären. In dem Düsseldorfer Verfahren ist am 16. November Verkündungstermin. (Az. 4a O 68/20).

Streit um kleine Gewehröffnungen

Bei dem Patent von Heckler & Koch (HK), das Haenel verletzt haben könnte, geht es um winzige Öffnungen im Gewehr, die einen raschen Wasserabfluss und eine schnelle Schussbereitschaft ermöglichen sollen, wenn Soldaten durch einen Fluss waten oder am Meeresufer landen. Das nennt man in der Branche „over the beach“.

In der Verhandlung erläuterten die drei Richterinnen der Patentkammer und die Anwälte beider Firmen Details des Patents, das zwei Dutzend unterschiedliche Merkmale hat. Im Kern geht es um die Frage, ob solche „Fluiditätsdurchtrittsöffnungen“ überhaupt etwas Besonderes sind oder es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt, die schon lange zu haben ist - und zwar nicht nur von HK.

Wegen der Pandemie war die Verhandlung hybrid. Die Richterinnen saßen vor einem fast menschenleeren Saal und blickten auf Monitore, auf denen die Anwälte aus unterschiedlichen Orten Deutschlands zugeschaltet waren. Was nach digitalem Fortschritt im noch immer sehr analogen deutschen Gerichtswesen klingt, war nur bedingt praxistauglich: Immer wieder monierten die Anwälte, dass die Verbindung sehr schlecht und die Vorsitzende Richterin kaum zu verstehen sei. Sie baten um eine bessere Kopfhaltung vor dem Mikro oder um weniger Papierrascheln. Nach zwei Stunden war die Verhandlung vorbei.

Firmen wollen Großauftrag vom Bund

Das Verfahren am Düsseldorfer Landgericht ist ein Teil der erbitterten juristischen Auseinandersetzung zwischen Heckler & Koch und Haenel. Beide Firmen wollen unbedingt einen Großauftrag für die Bundeswehr über 120.000 Sturmgewehre an Land ziehen. Zunächst sah es für Haenel gut aus. Dann mussten die Thüringer zwei Rückschläge hinnehmen - derzeit sieht es so aus, als ob HK den Zuschlag bekommt. Bisher nutzt die Bundeswehr das Standard-Sturmgewehr G36, das ebenfalls HK baut.

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Das Patentverfahren vor dem Landgericht ist gewissermaßen ein Nebenschauplatz. HK wirft Haenel besagte Patentrechtsverletzung beim Halbautomatik-Gewehr CR223 und dessen Vollautomatik-Version MK556 vor. Letzteres Sturmgewehr will Haenel an den Bund verkaufen - sollte das Düsseldorfer Gericht nicht nur beim CR223, sondern auch beim MK556 eine Patentverletzung sehen, wäre Haenel bei dem Bundeswehr-Großauftrag wohl aus dem Rennen.

Welche Gewehre sind betroffen?

Allerdings sagte Haenel-Chef Olaf Sauer vor der Verhandlung der Deutschen Presse-Agentur, dass das MK556 nicht betroffen sei: Man habe die drei Bohrungen nur bis 2018 in der halbautomatischen Version des Sturmgewehrs genutzt, ohne vom angeblichen Patent gewusst zu haben. Als man davon Kenntnis erhalten habe, habe man auf ein Bauteil mit nur einer Bohrung zurückgegriffen. Die vollautomatische Variante des Sturmgewehrs, die Haenel beim Bundeswehr-Vergabeverfahren eingereicht hat, habe nie drei Bohrungen gehabt. Nach Auffassung von HK bezieht sich die Patentverletzung aber auch auf das MK556.

Und was sagen externe Fachleute? Aus Sicht des Vergaberechtlers Jan Byok von der Kanzlei Bird & Bird, der nicht in das Verfahren involviert ist, steht für Haenel viel auf dem Spiel. Sollte das Landgericht bei der CR223-Halbautomatik einen Patentverstoß feststellen, müssten die in den vergangenen Jahren ausgelieferten Gewehre zwar nicht wieder eingezogen werden. „Dann müsste Haenel aber Schadenersatz an Heckler & Koch zahlen, wie die Firma es für eine ordnungsgemäße Nutzung der Lizenz hätte tun müssen.“ So ein Schadenersatz würde nach objektiven Maßstäben berechnet. Mondpreise müssten nicht gezahlt werden. Dennoch könnte so ein Schadenersatz eine Firma finanziell empfindlich treffen.

Firmensitz im Schwarzwald

Droht Haenel ein Imageverlust, der sich auf die Erfolgsaussichten anderer Vergabeverfahren auswirken könnte? Der Jurist schüttelt den Kopf. „Patentverletzungen kommen in der Industrie am laufenden Band vor, das ist nichts Besonderes.“ Einen Makel für die Zukunft hätte Haenel durch eine Verurteilung auf keinen Fall. Byok weist auf das Wettbewerbsregister hin, in dem Wirtschaftsdelikte von Firmen aufgeführt sind. „Patentverstöße werden hier nicht eingetragen - das verdeutlicht, dass solche Vergehen keine Bedeutung haben für andere Vergabeverfahren“, sagt der Vergaberechtler.

Heckler & Koch hat seinen Firmensitz in Oberndorf im Schwarzwald, die Firma hat gut 1000 Beschäftigte. Hergestellt werden Sturm- und Maschinengewehre, Granatwerfer und Pistolen. Der Umsatz lag im 2020 Firmenangaben zufolge bei 275 Millionen Euro, was ein Plus von 15 Prozent war. HK beliefert die Bundeswehr seit mehr als sechs Jahrzehnten mit Sturmgewehren und anderen Waffen.

Haenel spielt in der Branche bisher nur eine Nebenrolle: Der Gewehrfabrikant aus Suhl im Thüringer Wald gehört zum Jagdwaffenhersteller Merkel, der wiederum Teil des staatlichen Rüstungskonzerns Caracal aus Abu Dhabi ist. Merkel und Haenel arbeiten eng verzahnt und haben insgesamt rund 130 Beschäftigte. Ihr Umsatz wird dieses Jahr nach Schätzung des Managements bei etwa 21 Millionen Euro liegen, das wäre ein Plus von etwa 20 Prozent.