Ein Küstenschutzboot für Saudi-Arabien wird auf ein Transportschiff verladen. Die Bremer Lürssen-Gruppe hatte den milliardenschweren Auftrag für den Bau einer Flotte neuer Patrouillenboote erhalten und 2015 mit dem Bau begonnen. Foto: ZB

Die Kriegswaffengeschäfte mit Saudi-Arabien blühen. In den ersten neun Monaten des Jahres lag Riad mit Genehmigungen im Gesamtwert von 416 Millionen Euro auf Platz zwei. Wegen des Falls Khashoggi wird nun selbst in der Union ein Kurswechsel angemahnt.

Stuttgart - Auf seiner Facebook-Seite verbreitet der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, einen schwarzen Panzer auf grünem Grund – und die Botschaft: „Saudi-Arabien war bisher der zweitbeste Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Obwohl die Groko für Länder einen Exportstopp verhängt hat, die am Jemen-Krieg beteiligt sind.“ Anlass ist eine Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage Nouripours, die unserer Zeitung vorliegt.

Demnach hat die Bundesregierung nach den vorläufigen Zahlen bis zum 30. September Exportgenehmigungen im Wert von 416 Millionen Euro für Saudi-Arabien erteilt. Lediglich Algerien wurde mit einem Gesamtwert von 741 Millionen besser bedient. Es folgten die USA (376 Millionen), Pakistan (149) und Großbritannien (132). Insgesamt wurden von Januar bis September Rüstungsausfuhren im Gesamtwert von 3,62 Milliarden Euro genehmigt.

„Europäisch abgestimmte Korrektur unserer Saudi-Arabien-Politik“

Besonders kritikwürdig erscheint die Rangliste, weil Saudi-Arabien mit etlichen weiteren Staaten die vom Iran gestützten Huthi-Rebellen im Jemen bekämpft und so den Bürgerkrieg befeuert. Somit drängen vor allem Oppositionspolitiker in Berlin auf eine restriktivere Haltung.

Nouripour moniert, dass der wirtschaftliche Faktor die Bundesregierung im Fall Khashoggi davon abhalte, mit Sanktionen gegenüber Riad zu reagieren. Zwar begründe sie ihre Waffenlieferungen mit dem Bestreben, Einfluss auf Saudi-Arabien auszuüben. Es zeige sich aber, dass der Einfluss durch die Waffengeschäfte von saudischer Seite auf die Bundesregierung ausgehe.Auch bei der SPD regt sich Unmut – massiv dringen einige Abgeordnete auf schärfere Ausfuhrregeln. Und selbst in der Union setzt ein Umdenken ein: Der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter (CDU), fordert im Fall Khashoggi eine „lückenlose Aufklärung“. „Nach meinem jetzigen Kenntnisstand sind die vielfachen Indizien gegen das saudi-arabische Königshaus schon erdrückend“, sagte er unserer Zeitung. „Sollten sich die Erkenntnisse in dem Fall weiter verdichten, spreche ich mich für eine europäisch abgestimmte Korrektur unserer Saudi-Arabien-Politik aus.“ Denn die Berücksichtigung der Menschenrechtslage „ist in unseren Exportrichtlinien vorgeschrieben – und der einzige wirkliche Hebel, der uns als Europäer bleibt, ist wirtschaftlicher Natur“.

„Koalitionsbeschlüsse für Rüstungsexporte zu 100 Prozent umsetzen“

Aber auch rüstungspolitisch mahnt der Außenpolitiker eine konsequentere Position an: Beim Waffenexport an die im Jemen-Konflikt unmittelbar beteiligten Akteure gebe es zwar Ausnahmen für bereits erteilte Vorgenehmigungen, etwa bei acht ungepanzerten Patrouillenbooten. „Unabhängig davon spreche ich mich klar dafür aus, dass der Bundessicherheitsrat die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Beschlüsse im Rüstungsexportbereich zu hundert Prozent umsetzt“, pocht Kiesewetter auf Einhaltung der Jemen-Klausel. Es ist ein klares Signal an das Wirtschaftsministerium, das sich Exportgenehmigungen an Saudi-Arabien und andere Länder der Jemen-Koalition „im Einzelfall“ weiterhin vorbehält, wie es intern offenbart. Laut dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2017 landete der Wüstenstaat bei den Einzelgenehmigungen von Waffenexporten auf Platz sechs mit einem Gesamtwert von 254 Millionen (nach 530 Millionen im Vorjahr). Geordert hatte Riad vor allem die Patrouillenboote und gepanzerte Fahrzeuge. An der Spitze lagen Algerien (1,36 Milliarden) und Ägypten (708 Millionen). Schiffe, Hubschrauber, Artillerie-Ortungssysteme und Tausende Gewehre – Saudi-Arabien kann vieles gebrauchen, um militärische Stärke aufzubauen.

Für die USA ist das Königreich sogar der Hauptabnehmer. Laut dem schwedischen Forschungsinstitut Sipri erwarb das Königreich 61 Prozent seiner Kriegswaffen von 2013 bis 2017 in den Vereinigten Staaten. 23 Prozent des Bedarfs kaufte Riad in Großbritannien, 3,6 Prozent in Frankreich – aus Deutschland kamen nur 1,7 Prozent.