Bodenseeufer bei Radolfzell: Die Stadt will das Ufer verschönern. Dafür sollen die dort seit Jahrzehnten im Sommer liegenden Beiboote weichen. Dagegen regt sich nun Protest Foto: Herr

In einer Hau-Ruck-Aktion sollen die Beiboote von Seglern und Wassersportlern am Radolfzeller Bodenseeufer beseitigt werden. In anderen Bodenseegemeinden ist das schon geschehen. Oft werden Naturschutzgründe angeführt. Aber ist das der wahre Grund? Und geht dadurch nicht der Charakter des Sees verloren?

Radolfzell - Ärger in der Idylle: Segler, Fischer und Motorbootfahrer auf dem Bodensee müssen sich regelmäßig mit Behörden auseinandersetzen, weil diese androhen, bestimmte Gewässer zu sperren. Ein aktueller Fall aus Radolfzell mutet besonders bizarr an. Dort wurde den Wassersportlern eine enge Frist gesetzt, ihre Beiboote vom Uferbereich zu entfernen. Das Problem: Wie sie in Zukunft zu ihren weiter draußen liegenden Booten kommen sollen, ist völlig unklar.

Die „Leidensfähigkeit der Wassersportler“ werde immer wieder geprüft, sagt der Präsident des Bodensee-Segler-Verbandes (BSVb), Markus B. Sagmeister – wie der jüngste Fall aus Radolfzell zeigt. Dort hat sich jahrzehntelang niemand daran gestört, dass die Beiboote der Segler den Sommer über am Ufer dümpelten. Mit den Schiffchen rudern die Skipper seit Generationen vor jedem Törn zu ihren draußen im Bojenfeld „Wäschbruck“ liegenden Booten.

Mitte November 2014 bekamen die Liegeplatzinhaber Post vom Rathaus. Inhalt: Die Beiboote dürfen künftig im Sommer nicht mehr in der Flachwasserzone liegen. Die im Schlick am Ufer liegenden Bojensteine samt Kette sollen binnen eines Monats beseitigt werden, ansonsten würden sie „kostenpflichtig entsorgt“. Stattdessen will die Stadt nun in gut 300 Meter Entfernung ein Lagerregal für die kleinen Zubringerboote errichten. Im Winter müssen diese dort weg und zu Hause verstaut werden.

Den Grund für die Aufforderung zur Entfernung der Beiboote nennt der Rathausbeamte Daniel Seefelder: Der gesamte Uferbereich soll neu überplant und verschönert werden. Bei den ersten Besprechungen dazu hätte die untere Wasserschutzbehörde im Landratsamt bemängelt, dass die Bojen das Ökosystem der Flachwasserzone stören würden. Die an den Steinen befestigten Ketten würden den Seeboden abrasieren und die Pflanzen vernichten, beschreibt es Seefelder. Daher habe man die 40 Besitzer der Boote und die Fischer zur Beseitigung aufgefordert. Der Ton sei „etwas hart“ gewesen, aber ohne Fristen komme man nicht weiter.

Alfred Rosenberger, einer der betroffenen Segler, gibt die ganze Sache Rätsel auf. Sein gut 30 Kilogramm schweres Beiboot wird der 71-Jährige in Zukunft wohl 300 Meter weit vom Regal bis zum Ufer schleppen müssen, um dann an sein Segelboot rudern zu können. Das Gleiche erwartet ihn nach jedem Törn. „Ich habe keine Ahnung, wie ich das allein schaffen soll“, sagt er. Die Beiboote seien zum Tragen viel zu schwer. Andere Segler – oft im Rentenalter – trifft es noch härter. Teilweise wiegen ihre Beiboote bis zu 70 Kilogramm.

In anderen Orten haben sich die „Ordnungshüter“ allerdings schon durchgesetzt: Bis zu drei Etagen hoch ins Regal müssen die Bojenfeldbenutzer ihre Beiboote am Ufer von Allensbach wuchten. „Das geht nur mit neuen, sehr leichten Booten, sagt der Pressesprecher des BSVb, Hans-Dieter Mölhenrich, der sein Schiff dort liegen hat. „Und die gibt’s für 1000 Euro.“ „Mann muss schon kräftig oder mindestens zu zweit sein, um das Beiboot jedes Mal ins Regal zu hieven“, so der 60-Jährige. Mölhenrich ahnt schon, dass es der Behörde nur darum geht, auf Dauer den Seglern die Freude am Boot zu nehmen und so die Bojenfelder weiter zu reduzieren.

Auch andernorts treffen die Welten aufeinander. Wegen der Sperrung einer Seefläche vor Sipplingen läuft gar eine Verfassungsbeschwerde. Und am Obersee nahe Linau wehren sich Wassersportler gegen ein Anker- und Befahrverbot eines Großteils der Wasserburger Bucht, in der ein EU-Vogelschutzgebiet eingerichtet werden soll.

Derweil protestiert der Radolfzeller Rosenberger auf seine Art: Er hat zwar das Boot entfernt, aber den Ankerstein noch nicht aus dem Morast gezogen, genauso wie fünf weitere Protestler auch. In den nächsten Tagen soll darüber nochmals mit der Behörde verhandelt werden.