IG-Metall-Chef Detlef Wetzel Foto: dpa

Der Volkswagen-Skandal wird den Konzern nicht nur Milliarden kosten, sondern möglicherweise auch Einbußen beim Absatz verursachen. Die IG Metall reagiert auf dieses Szenario schon jetzt.

Frankfurt - Im Skandal um manipulierte Abgas-Messwerte bei VW fordert die Industriegewerkschaft Metall, die Ermittlungen nicht auf das Unternehmen, sondern auf Personen zu konzentrieren, die für die Manipulationen Verantwortung tragen. „Es geht hier um Menschen, die unendlichen Schaden am Industriestandort, am Unternehmen und an den Beschäftigten angerichtet haben“, sagte IG-Metall-Chef Detlef Wetzel in Frankfurt. Die müssten „persönlich zur Verantwortung gezogen werden“.

Konsequenzen, die zu Lasten der Belegschaft des VW-Konzerns gehen, lehnt Wetzel dagegen ab. Es gelte hier die gleiche Devise wie bereits bei der Finanzkrise: „Wir zahlen nicht für eure Krise“. Die Arbeitnehmer hätten vielmehr „nach bestem Wissen beste Autos gebaut“.

Vorwürfe, die IG Metall habe ihre starke Stellung bei VW nicht genutzt, um den Skandal zu verhindern, wies Wetzel zurück. „Die Frage, welche Motoren und Komponenten verwendet werden, ist nicht durch die Mitbestimmung abgedeckt.“ Es dürfe nicht dazu kommen, dass „alles, was schlecht läuft, der Mitbestimmung in die Schuhe geschoben wird, und wenn es gut läuft, war es Herr Winterkorn“. Die IG Metall müsse sich aber fragen, warum sie von den Manipulationen nichts gewusst habe.

Vizechef Hofmann: In einer guten Unternehmenskultur müssen Mitarbeiter kritische Anmerkungen machen können

Nach Ansicht von IG-Metall-Vize Jörg Hofmann, der in drei Wochen voraussichtlich zum Nachfolger Wetzels gewählt wird, wird es zu den Aufgaben der IG Metall auch gehören, auf eine andere Führungskultur bei VW hinzuwirken. „Zu einer guten Unternehmenskultur gehört es, dass Mitarbeiter kritische Anmerkungen machen können.“ Hier sei auch die IG Metall gefragt.

Sollte der VW-Skandal die Diesel-Technologie insgesamt in Verruf bringen, wäre nach Hofmanns Einschätzung das Erreichen der Klimaschutz-Ziele der EU in Gefahr. Der Diesel sei „in der Übergangsphase zur Elektromobilität unverzichtbar, um die Grenzwerte einzuhalten“, so Hofmann. Denn er stoße nur ein Drittel bis die Hälfte der Menge des Treibhausgases CO2 in die Luft wie ein Benziner. Er liege beim Ausstoß von Feinstaub und Stickoxiden nur noch geringfügig über den Benzinern. Überdies hingen bei Zulieferern viele Arbeitsplätze am Diesel. „Bei Herstellern macht eine Verlagerung zwischen Benzin und Diesel vergleichsweise wenig aus“, sagte Hofmann. Bei Zulieferern, die an emissionsarmen Antrieben arbeiten, könne dies aber sehr wohl Auswirkungen haben, sagte Hofmann, ohne den Bosch-Konzern zu erwähnen, bei dem der Diesel seit jeher ein besonders hohes Gewicht hat und bei dem er im Aufsichtsrat sitzt. In Deutschland hingen 20 000 Arbeitsplätze direkt am Diesel. Bosch selbst gibt zu dem Skandal derzeit keinen Kommentar ab.

Konzernchef Müller: Im Oktober sollen technische Lösungen präsentiert werden

Derweil treibt Volkswagen die Aufklärung des Skandals voran, von dem weltweit bis zu elf Millionen Fahrzeuge betroffen sind. Der neue VW-Chef Matthias Müller sagte, die amerikanische Großkanzlei Jones Day sei beauftragt und werde nun mit der externen Untersuchung beginnen. „Vor uns liegen ein langer Weg und viel harte Arbeit.“

Müller sagte zudem, der Konzern stehe bei der Aufklärung des Abgasskandals nicht allein. Die Familien Porsche und Piëch als Großaktionäre sowie das Land Niedersachsen stünden zu Volkswagen. In der nach Unternehmensangaben weltweit in rund 75 Standorte des Konzerns übertragenen Rede kündigte er an, dass Volkswagen den Behörden im Oktober technische Lösungen präsentieren werde, um die Manipulation von Abgaswerten zu beenden. Die betroffenen Kunden sollten bereits in den kommenden Tagen informiert werden, dass das Abgasverhalten ihrer Fahrzeuge in Kürze nachgebessert werden müsse.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erwartet keinen Schaden für die deutsche Gesamtwirtschaft, sofern der VW-Konzern die Vorwürfe im Manipulationsskandal um Dieselmotoren aufklärt. Auf die Frage, ob er die Sorgen einiger Parteifreunde teile, sagte der SPD-Chef vor der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin: „Nein, die habe ich nicht. Jedenfalls nicht, wenn wir vernünftig damit umgehen.“

Kretschmann sieht ein „Desaster ersten Ranges“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht mit der Affäre um manipulierte Fahrzeug-Abgassysteme das weltweite Vertrauen in deutsche Wertarbeit in Gefahr. Die VW-Affäre sei ein „Desaster ersten Ranges“ und nicht nur schlimm für Volkswagen selbst. „Das kann unter Umständen sehr tief gehen, dass das ganze Vertrauen in die Marke „Made in Germany“ erschüttert wird“, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Die ganze Welt verbinde mit „Made in Germany“ Zuverlässigkeit, Solidität, technische Kompetenz und Technologieführerschaft.

Baden-Württemberg habe ein großes Interesse daran, das Vertrauen in die Automobilindustrie wieder herzustellen, sagte Kretschmann. Denn in dem Bundesland hänge jeder vierte Arbeitsplatz von der Branche ab. Kein Zweifel bestehe darüber, dass die Abgastests im Labor die Verbräuche und Emissionen realistischer abbilden müssten.