Matthias Müller (links) und Hans Dieter Pötsch (rechts) sind nun als Vorstände der Porsche Holding ins Visier der Justiz geraten. Was wussten sie wann? Foto: imago stock&people

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt, ob der Abgasskandal von VW beim Großaktionär Porsche Holding verheimlicht wurde.

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt gegen VW-Chef Matthias Müller, den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn sowie VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Die drei Beschuldigten sind jedoch nicht als VW-Manager ins Visier der Stuttgarter Staatsanwaltschaft geraten, sondern als Vorstände des VW-Großaktionärs Porsche Holding. In dieser Holding haben die Familien Porsche und Piëch ihre Beteiligung am Wolfsburger Autoriesen gebündelt. Es gebe den Anfangsverdacht der Marktmanipulation, so die Staatsanwaltschaft. Die drei Beschuldigten werden verdächtigt, die Aktionäre der Porsche Holding bewusst zu spät über die finanziellen Konsequenzen des Abgasskandals informiert zu haben. Das Wertpapierhandelsgesetz verlangt, dass wichtige, kursrelevante Informationen unverzüglich veröffentlicht werden müssen. Porsche weist die Vorwürfe zurück.

Durch den Abgasskandal wurde die Porsche Holding in die roten Zahlen gerissen

Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine Strafanzeige der Börsenaufsichtsbehörde Bafin, die nach längeren Untersuchungen im vergangenen Sommer erfolgte. Bekannt wurde der Abgasskandal durch eine Veröffentlichung der US-Umweltbehörden am 18. September 2015. Am 22. September 2015 räumte VW die Manipulation der Software von Dieselmotoren öffentlich ein und kündigte an, dass für die finanzielle Bewältigung der Folgen des Abgasskandals hohe Rückstellungen gebildet würden. Am gleichen Tag verbreitete die Porsche Holding eine Pressemitteilung, in der die Aktionäre darüber informiert wurden, dass der Abgasskandal auch auf die Bilanz des Großaktionärs durchschlagen werde. Durch den Abgasskandal wurde der Großaktionär Porsche ebenso wie VW in die roten Zahlen gerissen, der Aktienkurs der Holding hat sich bis heute nicht von diesem Schock erholt.

Die Ermittlungen dürften auf der Porsche-Hauptversammlung für Diskussionen sorgen

Seit den turbulenten Tagen im Herbst 2015 wird an immer mehr juristischen Schauplätzen der Frage nachgegangen, welcher Manager wann was wusste. Immer wieder wurde gemutmaßt, dass die jahrelangen kriminellen Betrügereien den Vorständen wohl kaum verborgen geblieben sein könnten. Die Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft dürften auch die Diskussionen auf der nächsten Porsche-Hauptversammlung am 30. Mai befeuern. Der prominente Aktionärssprecher Christian Strenger, einst Chef der zur Deutschen Bank gehörenden Fondsgesellschaft DWS und ein unermüdlicher Kämpfer für die Einhaltung von Recht und guten kaufmännischen Sitten, hat bereits vor Bekanntwerden der Ermittlungen in einem Gegenantrag verlangt, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Strenger meint, es sei sehr unwahrscheinlich, dass die betrügerische Manipulation der Dieselmotoren „über mindestens acht Jahre nur von subalternen Mitarbeitern ohne jedes Zutun oder Duldung von der Konzernführung erfolgt sein soll“. VW hat in einem schriftlichen Schuldeingeständnis gegenüber US-Behörden zwar rekonstruiert, wie die Betrügereien abliefen. Die Rolle der Vorstände wird in diesem „Statement of Facts“ aber nicht beleuchtet. Ob die Aktionäre von VW zu spät informiert wurden, untersucht bereits seit längerem die Staatsanwaltschaft in Braunschweig. Der Verdacht der Marktmanipulation richtet sich hier gegen Pötsch, Winterkorn und den VW-Markenchef Herbert Diess.

Eine Vielzahl von Anlegern verlangt Schadenersatz

Neben den strafrechtlichen Ermittlungen gibt es auch eine Vielzahl von zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, die sich gegen VW und Porsche richten. Aktionäre erheben den Vorwurf, dass sie zu spät informiert wurden und verlangen Schadenersatz. Auch sie glauben, dass VW-Vorstände lange vor der Veröffentlichung im Herbst 2015 Kenntnis von den betrügerischen Manipulationen hatten und dass jene VW-Vorstände, die zugleich im Vorstand von Porsche saßen, auch die Aktionäre der Stuttgarter Holding hätten informieren müssen.

Um die Vielzahl von Anlegerklagen zu bündeln, werden sowohl in Braunschweig als auch in Stuttgart Musterverfahren vorbereitet, in denen wichtige Fragen vorab geklärt werden sollen. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat als Musterkläger die Fondsgesellschaft Deka Investment ausgewählt, die von der Kirchentellinsfurter Kanzlei Tilp vertreten wird. Die Verhandlung soll im nächsten Jahr stattfinden. Im Stuttgarter Verfahren ist noch offen, wann verhandelt wird.

„Die Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bestätigen unsere Einschätzungen“, meint Andreas Tilp, der viele vertritt. Der Erfolg der von seiner Kanzlei eingereichten Klagen sei jedoch nicht davon abhängig. „Aus meiner Sicht haben wir auch ohne die jüngsten Ermittlungen alles, was es für erfolgreiche Schadenersatzansprüche braucht“, sagt der Jurist.