Die Briten sagen bye-bye zur EU. Foto: AFP

Das britische Volk votiert mehrheitlich für einen Austritt aus der EU. Die Folgen sind unabsehbar. Der historische Entscheid ist eine Ohrfeige für das heimische Establishment und die internationalen Organisationen, kommentiert London-Korrespondent Peter Nonnenmacher.

London - Sie haben es getan. Sie haben sich für Austritt entschieden. Die Briten kappen die Taue, die sie an die EU binden. Nigel Farage feiert bereits das „Morgengrauen für ein unabhängiges Vereinigtes Königreich“. Zu Beginn der Nacht noch hatte der Ukip-Chef geglaubt, dass die Schlacht verloren gehen würde für die EU-Gegner. Umfragen und Bookies hatten die Pro-Europäer in Sicherheit gewogen. In der City of London knallten schon die Korken, und Westminster glaubte aufzuatmen zu können. Wenige Stunden später aber erwachte Großbritannien, fast ungläubig, zu einer anderen Welt. Denn die britischen Wähler hatten sich das anders gedacht.

In weiten Teilen von England und Wales mochte man den Appellen des heimischen Establishments und der großen internationalen Institutionen nicht folgen. Nationalkonservative und mit aller Welt unglückliche Labour-Wähler vereinten sich zu einer Rebellion gegen die EU. Dass viele Tories und natürlich alle Anhänger Farages für den Austritt stimmen würden, hatte man ja erwartet. Dass aber Millionen Labour-Leute ebenfalls ihr Kreuz hinter den „Unabhängigkeitstag“ setzen würden – das kam fürs Pro-EU-Camp als böse Überraschung in dieser Nacht. Teils aus Protest gegen Austerität und eigene Regierung, teils aber auch, weil sie sich mit der EU als einer positiven Kraft nicht identifizieren konnten, fanden sich viele in die Krise geratene Gebiete bereit, den „Oberen“ zu trotzen und Europa Goodbye zu sagen. Städte wie Sheffield, wie Coventry, wie Birmingham, von denen man es nicht gedacht hätte, stimmten für Austritt. Sogar Wales kehrte sich ab. Nur Nordirland, Schottland und London standen fest zu Europa. Aber das war, summa summarum, nicht genug.

Noch ist, zu dieser frühen Stunde, kaum abzusehen, welch enormen Folgen dieser Volksentscheid nun nach sich zieht. Das britische Pfund, am Vortag noch auf Höhenflug, schlug am Freitag hart auf dem Boden neuer Realitäten auf. Auf den Märkten, die sich derart verkalkuliert hatten, wurden zum Wochenende schwere Tumulte erwartet. Ganz Europa, und die Welt über Europa hinaus, wird die schockierende Nachricht dieser Nacht erst einmal verarbeiten müssen. Und in Schottland fragt man sich bereits, ob man zulassen soll, gegen den klaren Willen schottischer Wähler aus der EU geworfen zu werden. Über David Cameron aber ist schon der Stab schon gebrochen worden. Er war es, der dieses Referendum veranstaltete und der es problemlos zu gewinnen glaubte. Es war nicht nur eine persönliche Fehlkalkulation. Es war ein Entscheid von katastrophalen Dimensionen. Selbst die gestern für Brexit gestimmt haben, stehen sich heute morgen erschrocken an.