Der Koordinator des Bürgerrats Klima in Stuttgart ist wohl Sympathisant von Fridays for Future. CDU und Freie Wähler stellen auch deshalb die Neutralität des Gremiums in Frage. Die Stadt hat klare Regeln für solche Fälle.
Darf ein Mitarbeiter der Stadt, der einen repräsentativen Bürgerrat zum Klima in Stuttgart organisiert, selbst Sympathisant oder Mitglied von Fridays for Future sein? Die Stuttgarter CDU sowie die Freien Wähler stellen dies in Frage. In einem Antrag hatten mehrere Stadträte den Bürgerrat Klima als tendenziös dargestellt. In acht Punkten hatten sie unter anderem bemängelt, dass sie bei einer Hintergrundrecherche festgestellt hätten, dass es „einige Kritikpunkte in Bezug auf die Neutralität der beteiligten Personen und Organisationen des Bürgerklimarats gibt“.
„Auch keinen Unterstützer der Kohleindustrie ausgewählt“
Konkret geht es den Kritikern um Bruno Wipfler, den Koordinator des Gremiums. Auf seinen Profilen in den sozialen Netzwerken sehe man „eine klare Unterstützung von Fridays for Future“, sagt Alexander Kotz, Fraktionsvorsitzender der CDU in Stuttgart. Die Freien Wähler haben zudem eine Einladung von Bündnis 90/Die Grünen in Remshalden (Rems-Murr-Kreis) gefunden, in welcher Bruno Wipfler als Vertreter der „Stuttgarter Fridays-for-Future-Gruppe“ angekündigt werde.
„Natürlich ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn ein städtischer Mitarbeiter sich bei Fridays for Future engagiert“, sagt Alexander Kotz. Auch Christdemokraten besuchten Demos, „aber die leiten auch keine Bürgerräte und sind gerade ja auch politisch nicht neutral“. Die Koordination des Bürgerrats erfordere aber „eine ganz besondere Neutralität“, sagt Kotz. „Umgekehrt hätte man sicher auch keinen aktiven Unterstützer der Kohleindustrie für das Projekt ausgewählt.“
Stadtverwaltung sieht keinen Konflikt
Ganz ähnlich äußert sich Konrad Zaiß, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler. Es sei „überhaupt nicht verwerflich, wenn ein städtischer Mitarbeiter Sympathisant oder Mitglied von Fridays for Future ist oder deren Demos besucht“. Wenn dieser Mitarbeiter aber den Bürgerrat Klima organisiere, „stellt sich unseres Erachtens schon die Frage, wie neutral dieser Mitarbeiter agieren kann“. Diese Neutralität sei „elementar“.
Unterdessen sieht die Stadtverwaltung keinen Konflikt. Es habe nicht nur eine Person den Bürgerrat Klima organisiert, „sondern die Vorbereitung, Umsetzung und Begleitung war eine breit angelegte Teamleistung der Stadtverwaltung – zusammen mit städtischen Gremien, Ausschüssen und Beiräten sowie vielen externen Akteuren“, argumentiert ein Sprecher. So habe beispielsweise die Planung der Sitzungen des Bürgerrats bei einer extern beauftragten Koordinierungsstelle gelegen.
Nur bezahlte Nebentätigkeiten müssen der Stadt gemeldet werden
Und sind die Mitarbeiter der Stadt in der Wahl ihrer Ehrenämter und Freizeitaktivitäten völlig frei? Grundsätzlich unterstütze die Stadtverwaltung ehrenamtliches Engagement ihrer Beschäftigten, betont der Sprecher. „Lediglich wenn dadurch Interessenkollisionen mit deren städtischen Tätigkeit entstehen könnten, ist Aufmerksamkeit geboten.“ Deshalb müssten Nebentätigkeiten gemeldet und genehmigt werden. Für Tarifbeschäftigte bestünde diese Pflicht jedoch nur für Nebentätigkeiten gegen Entgelt – nicht für Freizeitaktivitäten oder rein ehrenamtliche Tätigkeiten.
Dazu muss man wissen: Unterstützer von Fridays for Future werden nicht bezahlt. Das ist etwas anderes etwa bei der Letzten Generation, die sich größtenteils durch Spenden finanziert und den Vollzeitaktivisten so viel bezahlt, dass davon zumindest Miete und Nahrungsmittel finanziert werden können.
In Konstanz ist man beeindruckt vom Stuttgarter Bürgerrat Klima
Von den Teilnehmenden des Bürgerrats Klima selbst ist offenbar keine Kritik laut geworden, dass das Verfahren tendenziös war. Bei einer externen, unabhängigen Evaluation sei die Neutralität der Moderation hervorgehoben worden, sagt der Sprecher der Stadt Stuttgart. Und unter den auftretenden Akteuren innerhalb des Gremiums seien ganz unterschiedliche Organisationen, Unternehmen, Vereine und NGOs gewesen, „die in Stuttgart zu den Themen Mobilität, Wärme und Klima in den Blick fallen“.
In anderen Städten schaut man regelrecht beeindruckt nach Stuttgart: Philipp Baumgartner, der Leiter des Amtes für Klimaschutz in Konstanz, sagt etwa: „Man muss Stuttgart gratulieren, dass die Bürger für viele Themen ambitionierte, aber realistische Empfehlungen erarbeitet und ein breites thematisches Pensum in wenigen Monaten durchgearbeitet haben.“ Würden alle Städte so proaktiv die Großbaustellen Mobilitäts- und Energiewende angehen würden, wäre dem Klimaschutz in Deutschland wohl getan, meint er. Nun bleibe aber abzuwarten, wie stark sich die ausgiebige Beteiligung auf die Umsetzungsgeschwindigkeit auswirke: „Es wäre zu hoffen, dass die gemeinsam gefassten Schlüsse auch schneller und klarer umzusetzen sind.“
So geht es mit dem Bürgerrat Klima weiter
Gremium
In einem aufwendigen Verfahren wurden 61 Stuttgarterinnen und Stuttgarter ausgewählt, die den Querschnitt der Stadtbewohner abbilden. Diese hatten sich an sieben Samstagen mit Mobilität und Wärme beschäftigt. Daraus wurden 24 Empfehlungen, die der Bürgerrat im Sommer an den OB Frank Nopper (CDU) und den Gemeinderat übergeben hatte. Das waren konkrete Maßnahmen, was getan werden müsse, damit die Stadt bis 2035 klimaneutral wird – und was ein Querschnitt der Stuttgarter bereit ist, zu ändern. Dazu zählte unter anderem ein deutliches Zurückdrängen des Autos in der Stadt, also etwa viel weniger Parkplätze.
Umgang
Vonseiten der Stadtverwaltung wurden Stellungnahmen zu den Empfehlungen des Bürgerrats Stellungnahmen abgegeben, dazu hatte sich die Stadt im Vorhinein verpflichtet. Der Gemeinderat entscheidet unterdessen in den derzeit laufenden Haushaltsberatungen, welche der Empfehlungen aufgenommen wird und wofür Geld bereit gestellt wird in den kommenden Jahren. (jub)