Generalbundesanwalt Harald Range, der Terroristenjäger, bekommt die ganze Tragweite und Last seines Amtes zu spüren Foto: dpa

Was ist da los? Auf einmal gibt es Ermittlungen gegen Journalisten wegen Landesverrats. Aber keiner will dafür verantwortlich sein. Die Suche nach einem Sündenbock läuft.

Berlin - Es war eine Beförderung – und gleichzeitig eine Auszeichnung. Als Harald Range im Oktober 2011 auf Vorschlag der damaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als neuer Generalbundesanwalt nominiert wurde, hätte er seine Laufbahn auch als Generalstaatsanwalt in Celle ausklingen lassen können.

Doch Range, selbst FDP-Mitglied, griff zu und wurde einen Monat später Chefankläger beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. „Der nette Herr Terroristenjäger“ überschrieb seinerzeit das „Hamburger Abendblatt“ Ranges Wechsel von der niedersächsischen Provinz nach Karlsruhe, ist doch der Generalbundesanwalt auf dem Gebiet des Staatsschutzes oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde. Terror, Extremismus, Landesverrat und Spionage sind das Terrain der Generalbundesanwaltschaft.

In diesen Tagen bekommt der 67 Jahre alte Jurist mit Studium in Göttingen und Bonn erneut die ganze Tragweite und Last seines Amtes zu spüren. So sehr sogar, dass Range, knapp ein Jahr vor Ende einer über 40 Jahre soliden, mindestens jedoch geräuschlosen Juristenkarriere im Staatsdienst, sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert sieht. Nicht schön für einen ambitionierten Generalbundesanwalt.

Was ist mit der NSA-Affäre um Merkels Handy?

Die Öffentlichkeit wie auch weite Teile im politischen Berlin hatten mit Unverständnis reagiert, dass es Range letztlich nicht gelungen war, nach Bekanntwerden der Ausspähung des Mobiltelefons von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – vermutlich durch den US-Geheimdienst NSA – eine Anklage einzuleiten. Stattdessen stellte Range das von ihm eingeleitete Ermittlungsverfahren ein – aus Mangel an Beweisen, wie er sagte.

Range gilt als freundlich, aber nicht unbedingt entscheidungsstark. „Das wäre schön, her damit!“, sagte er jüngst in einem „Spiegel“-Interview zu möglichen belastbaren Beweisen in Händen der Enthüllungsplattform „Wikileaks“ in der NSA-Spähaffäre. Ein Anflug von Offensive.

Sehr viel offensiver als gegen die mächtige NSA reagierte Range aktuell gegen zwei Journalisten des Blogs „netzpolitik.org“, gegen die er doch tatsächlich strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts des Landesverrats eingeleitet hatte, ebenso wie ein Verfahren gegen Unbekannt.

Ministerien auf Distanz

Der stellvertretende SPD-Vorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel sagte dazu am Montag: „Es ist für mich nach wie vor – auch persönlich – sehr verwunderlich, dass Range bei der massenhaften Ausspähung durch die NSA keinen Bedarf für Ermittlungen gesehen hat, jetzt im Falle der Blogger aber sehr wohl.“ Es entstehe zumindest der Eindruck, dass hier ein Exempel statuiert werden sollte mit Blick auf unangenehme Veröffentlichungen. Die Ermittlungen gegen die Journalisten seien in der SPD auf massive Irritationen gestoßen. Ein Sprecher des Innenministerium wiederum betonte, die Anzeige gegen Unbekannt habe sich „gegen diejenigen gerichtet, die die Dokumente herausgegeben haben“.

Range selbst wird aufmerksam verfolgt haben, wie sowohl das Bundesjustizministerium als auch die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz gestern jegliche Form einer Vertrauensäußerung für den Generalbundesanwalt unterließen.

Auch im Innenministerium wurde gestern Skepsis laut, ob die Blogger die Absicht gehabt hätten, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen.

Linke fordert Machtwort von Merkel

Ein Sprecher von Bundesjustizminister Heiko Maas vermied auf die Frage, ob der Generalbundesanwalt noch das uneingeschränkte Vertrauen des Ministers genieße, jede Festlegung. Maas soll die Ermittlungen gegen die beiden Journalisten in Frage gestellt haben. Der Bundesjustizminister ist von Amts wegen Dienstherr des Generalbundesanwalts und der Karlsruher Strafermittler. Range war Ende vergangener Woche plötzlich umgeschwenkt und erklärte, die Ermittlungen seien vorerst ausgesetzt.

Die Linke forderte ein Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel. Es handle sich um einen politischen und juristischen Skandal, den die Kanzlerin unverzüglich beenden müsse, sagte Linken-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn. Es reiche nicht aus, wenn sich Merkel hinter Maas stelle. Dem SPD-Politiker unterstellte Höhn „wachsweiches Distanzieren und Herumlavieren“.