Eine Personenkontrolle der Ludwigsburger Polizei verursacht erheblichen Wirbel in der linken Szene. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Sechs linke Aktivisten müssen hohe Bußgelder zahlen, weil sie nach einer Demo den Mindestabstand nicht eingehalten haben sollen. Zahlen wollen die jungen Leute nicht – sie richten stattdessen schwere Vorwürfe gegen die Ludwigsburger Polizei.

Ludwigsburg - Hat die Polizei unschuldige Menschen bestraft, nur weil ihr das politische Engagement dieser Menschen nicht gefällt? Es sind schwere Vorwürfe, die der Kreisverband der Partei Die Linke und der Jugendverband Linksjugend erhebt. Nach einer Demonstration sollen Polizisten Aktivisten in Ludwigsburg grundlos einer Personenkontrolle unterzogen und mit einem Bußgeld belegt haben. Der Fall liegt bereits einige Monate zurück, wird aber erst jetzt öffentlich.

Der Grund: Die Bußgeldbescheide sind nun zugestellt worden – jeweils 528 Euro sollen sechs Mitglieder der Linksjugend zahlen. „Mit dem Verfahren gegen die Jugendlichen wird politisches Engagement bestraft“, sagt Konrad Ott, der Kreissprecher der Linken. „Ich fordere Polizei und Ordnungsamt auf: Lassen Sie das Verfahren fallen.“ Michael Neuhaus, der Bundessprecher der Linksjugend, hat angekündigt, dass der Verband „gegen diese überzogene und unverhältnismäßige Reaktion seitens der Ludwigsburger Behörden mit allen rechtlichen und politischen Mitteln vorgehen“ werde.

Stadt und Polizei schildern die Vorkommnisse völlig anders

Dass Stadt und Polizei deswegen die Bußgeldbescheide zurücknehmen, ist nicht zu erwarten – sie schildern die Vorkommnisse gänzlich anders. Verhängt wurden die Bußgelder wegen der Corona-Verordnung, denn laut der Polizei hatten die Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren den Mindestabstand von eineinhalb Metern nicht eingehalten. „Damit lag ein Verstoß gegen die Corona-Verordnung vor.“ Deshalb habe man Personalien aufgenommen und die Anzeige an die Bußgeldstelle der Stadt übermittelt.

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Die Demonstration zum Tag der Arbeit fand in diesem Jahr in Bietigheim-Bissingen statt und war längst beendet, als die Jugendlichen in Ludwigsburg kontrolliert wurden – sie waren auf dem Weg zu einer anderen Veranstaltung, hatten aber immer noch ihre roten Fahnen von der Demo dabei. Nach eigenen Angaben trugen sie Schutzmasken und waren in Zweier-Gruppen unterwegs. „Ich bin schockiert. Obwohl wir uns an die gängigen Schutzmaßnahmen gehalten haben, werden wir so unter Druck gesetzt“, sagt Markus Moskau, einer der Betroffenen und in Ludwigsburg bekannt als Gründer und Kopf der dortigen Fridays-for-Future-Bewegung.

Viele Partei- und linke Jugendgremien haben sich jetzt mit den sechs Jugendlichen solidarisiert, die Empörung ist groß. „Der Fall ist für mich ganz klar eine Benutzung der Corona-Maßnahmen, um politische Repression gegen linke Aktivistinnen und Aktivisten zu rechtfertigen“, sagt Arn Bronner, der Sprecher der Linksjugend Baden-Württemberg. Auch die Höhe des Bußgelds wird kritisiert. Dass es sich auch um minderjährige und erwerbslose Personen handle, scheine das Ordnungsamt nicht zu interessieren, heißt es in einer Mitteilung.

Corona-Bußgelder werden sehr häufig angefochten

Ebenso wie die Polizei regiert auch die Stadt gelassen auf die Anschuldigungen und verweist auf die am 1. Mai geltende Corona-Verordnung. Auf dieser Grundlage seien zu diesem Zeitpunkt öffentliche Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen verboten gewesen. Für Demonstrationen galten zwar Sonderregeln, aber: „Zum Zeitpunkt der Kontrolle befanden sich die Demonstrationsteilnehmer nicht mehr auf einer Versammlung“, betont die Stadtsprecherin Meike Wätjen.

Die Anschuldigung, das Bußgeld sei unangemessen hoch, weist das Rathaus ebenfalls zurück. Dieses sei für derartige Verstöße von der Stadt „generell und nicht nur auf diesen Vorfall bezogen auf 500 Euro festgesetzt“, erklärt Wätjen. Hinzu kämen gesetzlich vorgeschriebene Gebühren und Auslagen in Höhe von 28,50 Euro. „Insoweit erfolgt hier keine unangemessene, gegen eine bestimmte Gruppe gerichtete Bußgeldfestlegung.“ Auch Peter Widenhorn, der Sprecher des Ludwigsburger Polizeipräsidiums, betont: „Die Personenkontrolle fand völlig unabhängig von jedweder politischen Couleur statt. Davon wäre auch jede andere Gruppe betroffen gewesen, die sich nicht an die Regeln gehalten hätte.“

Dass gegen Corona-Bußgelder Einspruch eingelegt wird, ist keine Seltenheit. Nach Angaben des Rathauses wurden in Ludwigsburg bislang 65 Verfahren wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung eingeleitet, 47 davon wurden angefochten und müssen gerichtlich geklärt werden.