Aufklärung der Ku-Klux-Klan-Vorwürfe gegen Polizisten wird schwierig: Daten sind gelöscht.
Stuttgart/Berlin - Innenminister Gall will in der Ku-Klux-Klan-Affäre eine schnelle Klärung und muss sich doch in Geduld üben. Denn es mangelt an Informationsmaterial – dank der geltenden Disziplinarordnung.
Wie groß waren die Umtriebe baden-württembergischer Bereitschaftspolizisten im rechtsextremen Ku-Klux-Klan? Innenminister Reinhold Gall (SPD) will das innerhalb der nächsten 14 Tage von Landespolizeipräsident Wolf-Dieter Hamann herausgefunden und zusammengestellt haben. Doch das dürfte kaum möglich sein. Denn der Landesvorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lautensack, bestätigte am Freitag entsprechende Informationen unserer Zeitung, wonach von den Vorgängen aus dem Jahr 2001 und 2002 bei der Bereitschaftspolizei Böblingen keine Akten mehr existieren können. „In der Landesdisziplinarordnung sind Regellöschzeiten festgelegt. Im Fall eines Verweises, wie ihn die Beamten damals erhalten haben, sind die Akten nach zwei bis drei Jahren zu löschen.“ Deshalb müsse „jetzt in dem gesamten Fall erst einmal Grund gemacht werden. Da kann jetzt niemand einfach eine Akte aufschlagen und schauen, was damals passiert ist“, sagte Lautensack.
In der 5. Bereitschaftspolizei-Abteilung Böblingen, in der später die 2007 von der Zwickauer Neonazi-Zelle ermordete Polizistin Michèle Kiesewetter Dienst tat, sind bisher offiziell zwei Polizisten überführt, Mitglieder der rassistischen Organisation gewesen zu sein. Unklar ist, ob es sich bei einem der beiden Beamten um den späteren Zug- oder Gruppenführer Kiesewetters handelt. Laut SWR steht er vielmehr im Verdacht, in eine andere Affäre verstrickt zu sein und in seiner Freizeit in Libyen Polizisten ausgebildet zu haben.
Gewerkschaftschef warnt vor Vorverurteilung der Polizisten
Nach Recherchen der Stuttgarter Nachrichten hatte der zweite überführte Polizist einen weiteren Kollegen mit dem Vornamen Timo zu Treffen in der rechtsradikalen Szene mit der Ku-Klux-Klan-Größe Achim S. mitgenommen. In seiner Vernehmung 2004 räumte der disziplinarrechtlich verfolgte Beamte ein, dass dieser Timo durch seine Beziehung zum Neonazi Achim S. in den Klan aufgenommen worden sei. In den Akten zum Mordfall Michèle Kiesewetter, die 2007 von den Thüringer Neonazis Böhnhardt/Mundlos in Heilbronn regelrecht hingerichtet wurde, tauchen zwei Kollegen der Beamtin mit Vornamen Timo auf: Der eine hatte zur Tatzeit Dienst im Polizeirevier Heilbronn. Der andere ist Polizeiobermeister, der mit Kiesewetter auch Diskotheken besucht hatte und mehrfach in Heilbronn zum Einsatz gekommen war. Sein Nachname steht handschriftlich in den Ermittlungsakten: Er ist auf einem Foto zu sehen, das in der Wohnung des rechtsradikalen Ku-Klux-Klaners Achim S. entstand. Dort soll auch ein „Unbekannter aus Ostdeutschland“ zu Besuch gewesen sein. Ein Kontakt zur Neonazi-Zelle?
Der Deckname des Hinweisgebers auf den Kontakt zwischen Böblinger Polizei und Ku-Klux-Klan war im Jahr 2003 übrigens „Staufenberg“ – mit einem f, und doch in Anlehnung an den Hitler-Attentäter?
Innenminister Gall will von Landespolizeipräsident Hamann einen Bericht, wie es zum Engagement der Beamten im Ku-Klux-Klan kam und wieso damals keine anderen, schärferen Disziplinarmaßnahmen gegen die Polizeibeamten verhängt wurden.
Gewerkschaftschef Lautensack warnt vor einer Vorverurteilung der Polizisten. „Natürlich muss geklärt werden, warum damals keine schärferen Maßnahmen ergriffen worden sind“, immerhin sei der Ku-Klux-Klan „kein Karnevalsverein“, sondern ein aktenkundig als rassistisch eingestufter Geheimbund. Derzeit gebe es aber noch „keine neuen Erkenntnisse, die ein weitergehendes Disziplinarverfahren rechtfertigen“ würden. Ein Suspendierung vom Dienst, wie es die polizeipolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Petra Häffner, fordert, lehnte Lautensack ab. Bei der Aufarbeitung des Falles gehe es erst mal um „die Art und Weise, wie man damals vorgegangen ist, aber nicht um das Strafmaß“. Eine sofortige Suspendierung könne sonst leicht die Konsequenz haben, „dass die Polizisten sich in ihr Arbeitsverhältnis einklagen“.
Ähnlich äußerte sich Rüdiger Seidenspinner, Landeschef der Polizeigewerkschaft. Eine Mitgliedschaft von Polizeibeamten im Ku-Klux-Klan sei durch nichts zu rechtfertigen: „Der Vorfall muss untersucht werden.“ Dennoch dürfe man jetzt nicht die gesamte Polizei in Haftung nehmen. „Was wir hier erlebt haben, sind zwei traurige und durch nichts zu tolerierende Einzelfälle. Die Bereitschaftspolizei ist aber kein Hort des Korpsgeistes.“
Wie Lautensack zeigte sich auch Seidenspinner überrascht, dass die Beamten damals für ihr Vorgehen nur mit einem Verweis bestraft worden sind. „Da gab es in der baden-württembergischen Polizei schon deutlich geringere Fälle, wo kräftiger hingelangt wurde.“ Die Palette der disziplinarrechtlichen Möglichkeiten reicht von der Rüge über den Verweis bis zur Geldbuße, der Reduzierung des Dienstgrades bis zur Entfernung aus dem Dienst.