Martin Kölbel hat einen Vortrag zu Thaddäus Troll als Wahlkämpfer gehalten. Foto: Fritzsche

Zum Thaddäus-Troll-Wochenende hat der Literaturwissenschaftler Martin Kölbel über Thaddäus Troll als Wahlkämpfer und politischen Menschen gesprochen.

Bad Cannstatt/Hofen - Wenn Zeitzeugen, die die behandelten Aspekte erlebt haben, im Publikum sitzen, ist das nie ganz einfach für den Vortragenden“, so Sabine Fandrych vom Fritz-Erler-Forum und bezog sich dabei auf Eleonore Lindenberg. Lindenberg war 15 Jahre lang Thaddäus Trolls Sekretärin, pflegt heute seinen Nachlass – und war gekommen, um sich Martin Kölbels Vortrag „Troll als Wahlkämpfer und politischer Mensch“ anzuhören. Dazu hatte der Verein ,’s Dudelsäckle’ gemeinsam mit dem Fritz-Erler-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung eingeladen, zum Ende des Thaddäus-Troll-Wochenendes.

Troll wollte unbeeinflusst bleiben

Der Berliner Literaturwissenschaftler Martin Kölbel war, so gestand er gleich ein, „überrascht“ gewesen, im Trollschen Nachlass neben Essays, Mundarttexten und Gedichten auch politische Texte zu finden. Troll erwecke den Anschein, ein „Spätling“ zu sein, „der lange zögerte und überredet werden musste“, politisch zu werden: Zwar war er seit 1959 für den Süddeutschen Schriftstellerverband aktiv, aber erst 1969, mit 55 Jahren, bekannte er sich zur SPD – Parteimitglied war er aber nie.

Warum Troll erst so spät im Leben politisch aktiv wurde, dazu stellte Martin Kölbel eine These auf: Zum einen habe Troll sich nicht positionieren wollen, um seinen Stand als freier, unbeeinflusster Schreiber nicht zu verlieren. Warum er es dennoch getan hat, habe wohl mit Trolls Verhalten während des Dritten Reichs zu tun. „Seine Entnazifizierungsakte listet auf, dass er als Student SA-Sturmmann war, später war er beim Militär und danach kurze Zeit in Kriegsgefangenschaft“, so Kölbel. Dies habe zunächst nach typischem Mitläufertum ausgesehen: „Allerdings war er als Soldat für eine Feldberichterstattung zuständig“, sagte Kölbel. Dabei habe Troll Texte verfasst, die die Geschehnisse an der Front verharmlosten und beschönigten, also Propagandamaterial. Trolls späteres politisches Engagement versteht Kölbel als „nachgeholte Zivilcourage, zu der er vor 1945 nicht fähig war.“ Troll habe sich selbst den Vorwurf gemacht, nicht gegen das Regime rebelliert zu haben.

Troll hat auch Wahlkampfreden gehalten

1967 war Thaddäus Troll gemeinsam mit Günter Grass und Siegfried Lenz Teil der „Bürgerinitiative für die SPD“. „Das würde man heute als politisches Netzwerk bezeichnen“, sagte Kölbel. Die Schriftsteller konnten Gesicht zeigen, ohne Neutralität zu verlieren. Troll habe auch an Veranstaltungen teilgenommen, etwa an Dichterlesungen, bei denen nach der Lesung noch politisch diskutiert wurde. 1969 und 1972 habe Troll auch Wahlkampfreden gehalten. „Wohlstand ist für mich das Wohlfühlen in einem politischen Klima“, zitierte Martin Kölbel den Schriftsteller schließlich. „Seit Gustav Heinemann und Willy Brandt möchte ich in keinem anderen Land mehr leben.“