Gunter Haug stellt Vikarin Birgit Scholz sein neues Buch vor. Foto: Sibylle Berger

Der Historiker Gunter Haug spricht in der Dreieinigkeitskirche über die fortwährende Suche nach Heimat. Sein Bestseller „Niemands Tochter“ ist jetzt in der 30. Auflage erschienen.

Vaihingen - Wo mein Herz ist, da ist mein Zuhause.“ Unter diesem Motto stand ein Vortrag am Dienstagabend im Zuge der kirchlichen Sommerwoche in der Dreieinigkeitskirche. Der Referent war der Historiker Gunter Haug: „Ich bin dankbar, als Referent eingeladen zu sein, denn so einfach ist der Begriff Heimat nicht. Was bedeutet dieses Schlüsselwort für mich? Die Heimat als Gefühl der Geborgenheit, der Sicherheit auch allem Fremden gegenüber.“

Haug führte die Zuhörer weiter hinein in die Begrifflichkeiten: „Was bedeutet dieses Schlüsselwort? Heimat ist unzählige Male missbraucht, ist eine 1000-köpfige Hydra.“ Bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 durfte die schwarz-rot-goldene Fahne jedoch ohne einen Hintergedanken geschwenkt werden.

Heimat hat mit dem Bauchgefühl zu tun

„Der Inbegriff Heimat für Robert Bosch war die Alb, Württemberg und die Schwaben,“ sagte Haug, der in Untermünzingen aufgewachsen ist. „Dort ist es neun Monate lang Winter und drei Monate kalt. Auch das ist Heimat.“ Die emotionale Verbindung mit Heimat sei, das Schöne verbinden zu wollen, sich wohlzufühlen. „Der Neckar ist Heimat, aber nicht überall kann man sich dort wohlfühlen. Also sei Heimat nicht unbedingt etwas Romantisches mit diffusem Wohlfühlcharakter. Heimat habe mehr mit dem Bauchgefühl zu tun. Haug berichtete von einer Radtour durchs Kraichgau: „Die Hügel sind planiert, die Hecken wegrasiert, Wohnkultur statt Vielfalt. Selige Kindheit, schöne Gefühle bleiben. Alles andere wird ausgeblendet im Sinne von: Da ist mein Herz, da ist meine Heimat, alles andere kommt weg.“

Haug erinnerte an die schmerzhafte, endlose Tragödie am Gazastreifen – Heimat für beide Seiten. „Wieso gelingt es dort nicht – an der Geburtsstätte von drei Religionen?“, fragte er und verwies auf die Kinder, die ausgerechnet dort kein Recht auf eine gesicherte Zukunft haben. Hier sei der Begriff Heimat überstrapaziert. Wer habe das Recht, anderen die Heimat zu nehmen?

Mitten in einer Völkerwanderung

Haug sieht die Menschheit mitten in einer Völkerwanderung. Er erinnerte an die letzte große Völkerwanderung der Germanen und den Bau des Limes durch die Römer. Der Limes war die Barrikade, um die anderen nicht hereinzulassen, die auch ein Stück vom Kuchen wollten. Mit einer Frage wollte Haug nachdenklich stimmen: „Muss man an einem Ort geboren sein, um ihn Heimat nennen zu dürfen?“

In diesem Zusammenhang sieht Gunter Haug – ein Schwabe mit fränkischem Migrationshintergrund – die Notwendigkeit einer emotionalen Nähe zu dem Begriff Heimat. Er beendete seinen Vortrag mit der kleinen Episode: „Mutter sagt zu mir: ‚Schreib’ doch mal was Gscheites von deiner Großmutter und deren bitterarmem Leben’.“ Haug recherchierte und schrieb das „Niemands Tochter.“ Das Buch wurde ein Bestseller und ist jetzt in der 30. Auflage erschienen.

Der Autor Gunter Haug hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter einige Kriminalromane. In letzter Zeit widmet er sich vor allem historischen und biografischen Tatsachenromanen, und er hält Vortragsreihen über Themen der süddeutschen Landeskunde.