Lyon Sussmann und die Belegschaft der Hautana um 1928 Foto: Stadtarchiv

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Marke Hautana von Lyon Sussmann der größte Arbeitgeber der Stadt Böblingen. Ein Vortrag soll an ihn erinnern.

Mit dem Hautana-Büstenhalter erlangte der Unternehmer Lyon Sussmann einst Weltruhm. In Böblingen war seine Firma um 1930 der größte Arbeitgeber. Vor 90 Jahren ist Sussmann gestorben. Aus diesem Anlass lädt die Stadt Böblingen am Mittwoch, 25. Juni, um 19 Uhr zu einer Gedenkveranstaltung im Großen Sitzungssaal des Neuen Rathauses ein. Der ehemalige Kulturamtsleiter Günter Scholz hat sich intensiv mit Leben und Werk des Böblinger Ehrenbürgers beschäftigt und wird einen Vortrag halten.

 

Lyon Sussmann wurde am 31. Oktober 1843 in Tauberbischofsheim geboren. Er entstammt einer der ältesten und bedeutendsten jüdischen Gemeinden in Baden. Der Vater, Moses Sussmann, hatte es dort mit einem Handelsgeschäft zu Wohlstand und Ansehen gebracht. Lyon Sussmann ließ sich zunächst in Stuttgart nieder und führte dort ein Kurz- und Strumpfwarengeschäft. 1878 trat er als Teilhaber in die Mechanische Trikotweberei Ludwig Maier ein. Bald wurde er leitender Unternehmer der Firma, die nach dem Bau der Gäubahn 1884 nach Böblingen umzog.

Hautana als größter Arbeitgeber Böblingens

Mit der Entwicklung des Büstenhalters der Marke Hautana gelangte das Unternehmen zu Weltrang. Für Böblingen ergab sich eine erhebliche Zunahme von Arbeitsplätzen. Bis 1925 wuchs die Belegschaft auf rund 500 Personen an. So war die Hautana bis in die 1930er-Jahre der größte Arbeitgeber der Stadt. In „Anerkennung seiner besonderen Verdienste um die Entwicklung der hiesigen Industrie“ wurde Sussmann am 29. Oktober 1913, am Vorabend seines 70. Geburtstags, von der Stadt Böblingen die Ehrenbürgerwürde verliehen.

Der Ehrenbürger war ein Unternehmer mit wirtschaftlichem Weitblick, aber auch mit sozialem Gewissen. Er legte Wert auf die Einrichtung von gesunden und freundlichen Arbeitsplätzen und schuf für die damalige Zeit vorbildliche Sozialeinrichtungen. Zugleich hat sich Sussmann durch sein vielfältiges karitatives Engagement über die Werksgrenzen hinaus verdient gemacht.

Hautana-Passage oder Hautana-Parkhaus

Vom Nationalsozialismus erlebte Sussmann noch die Anfänge. Er starb am 8. Februar 1935. An der Beisetzung ihres Ehrenbürgers auf dem Israelitischen Teil des Stuttgarter Pragfriedhofs nahm kein offizieller Vertreter der Stadt Böblingen teil. Sussmanns Lebenswerk wurde beschlagnahmt und „arisiert“, wie es in der NS-Propagandasprache hieß. Seiner Schwiegertochter Erna Sussmann, geb. Simon, die nach dem Tod von Lyon Sussmanns Sohn Hans (1925) maßgeblich an der Firma beteiligt war, und ihren Kindern ist das leidvolle Schicksal der Emigration widerfahren. Seit 1981 sind die markanten Werksanlagen der Hautana aus dem Stadtbild verschwunden, der Name ist nur noch durch Bezeichnungen wie Hautana-Passage oder Hautana-Parkhaus präsent.

In seinem Vortrag wird Günter Scholz das Leben und Wirken Lyon Sussmanns in Böblingen beleuchten und damit in Zeiten des vielerorts aufflammenden Antisemitismus ein Plädoyer dafür halten, die Bedeutung von Jüdinnen und Juden für Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur unseres Landes in Erinnerung zu rufen. Die Begrüßung erfolgt durch Ersten Bürgermeister Tobias Heizmann.