Die Arbeit an der Rezeption ist heute schon mit einigem Papierkrieg verbunden, wie Ulrich Bauknecht vom Hotel Azenberg demonstriert. Ihm schwant Schlimmeres, falls die Bettensteuer kommt. Foto:  

Der Hotel- und Gaststättenverband versucht, die Gemeinderatsmehrheit in letzter Minute umzustimmen. Leider hätten die Fraktionen vor ihrem Beschluss nicht das Gespräch gesucht, klagt er. Mit der Bettensteuer verbindet man viele Befürchtungen.

Stuttgart - Bettensteuer in Stuttgart? Nicht mit uns, sagt der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Der hiesige Kreisverband will die Einführung der Steuer auf private Hotelübernachtungen verhindern. Deshalb sucht er nun das Gespräch mit den Gemeinderatsfraktionen. Und wenn die Stadträte am 9. Dezember in die zweite Runde der städtischen Haushaltsberatungen starten, will man im Rathaus auch noch sichtbar Flagge zeigen.

„Die Kollegen sind aufgewühlt“, sagt der Dehoga-Kreisvorsitzende Markus Hofherr, und das sei kein Wunder. Das Vorhaben möge manchem zwar als einfach erscheinen. Tatsächlich bedeute diese Steuer vor allem für die vielen kleinen und mittleren Beherbergungsbetriebe in Stuttgart hohen bürokratischen Aufwand, Personalbedarf und Folgekosten für die Anpassung von elektronischen Hotelverwaltungsprogrammen.

Mehraufwand von gut zwei Millionen Euro?

Der Dehoga hat sich in Freiburg umgehört, denn die dortige Bettensteuer soll in Stuttgart Pate stehen für eine sogenannte Kulturförderabgabe. Ergebnis: Der Hotelbetrieb, der gegen die Freiburger Regelung nach wie vor gerichtlich vorgeht, halte bei 25 000 Übernachtungen im Jahr zusätzlich eine 70-Prozent-Stelle für nötig, um den erhöhten Aufwand bei der Gästeankunft zu bewältigen. Im Endeffekt ergäbe sich in Stuttgart bei rund 1,5 Millionen Geschäftsreisenden, deren Reisezweck zu dokumentieren wäre, ein personeller Mehraufwand für die Beherbergungsbetriebe im Volumen von 2,1 Millionen Euro pro Jahr, schätzt Hofherr – bei netto gerade mal 3,4 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr für die Stadt. Mit Anrufen und Aufwand müssten, wenn man die Vorschriften ernst nehme, freilich auch die Unternehmen rechnen, die Geschäftsreisende nach Stuttgart schicken.

Dort müssten die Hotels im Zweifel auch um 18 Uhr noch Bestätigungen einholen, dass ein geschäftlicher Anlass für die Übernachtung und damit ein Freistellungsgrund vorliegt, sagt Ulrich Bauknecht, Geschäftsführer im Hotel Azenberg. Gebucht werde oft kurzfristig über Reservierungssysteme, die den Hotels nicht immer E-Mail-Adressen der Gäste weitergäben. Die Gäste könnten daher vorab oft nicht gebeten werden, Bescheinigungen vom Arbeitgeber mitzubringen. Die Hotelbetriebe seien aber haftbar für die ordnungsgemäße Abwicklung.

Manche EDV-Programme sind mit Prozentrechnen überfordert

Privatreisenden wiederum sollen die Hotels eine fünfprozentige Steuer auf den Übernachtungspreis (ohne Zusatzleistungen wie das Frühstück) berechnen. Auch dies gestalte sich nicht einfach. Die Zimmerpreise seien wechselhaft, würden oft tagesaktuell quasi durch Algorithmen in Computerprogrammen gebildet. Manchmal seien die Übernachtungen Teil von Pauschalreisepreisen. Dann gebe es Unterschiede zwischen dem, was das Hotel Kontingentabnehmern von Zimmern berechne, und dem, was Pauschalreiseveranstalter oder Zimmerreservierungssysteme dem Reisenden abverlangen. Das Fazit lautet: Kontrollen und Korrekturen seien unvermeidlich. Dem Reservierungssystem gegenüber könne der Hotelbetrieb Preise aber nur am Anreisetag verändern, bei der Abreise nicht mehr. Man laufe Gefahr, dass die Reservierungssysteme vom Hotel am Ende noch eine Kommissionsgebühr auf den Bettensteueranteil kassieren. Aber auch die Verwaltungsprogramme, die die Hotels selbst einsetzen, seien momentan mit Prozentrechnungen überfordert. Besser wäre daher eine feste Gebühr pro Übernachtung, aber die halten Hofherr und Bauknecht auch für ungerecht.

Natürlich gebe es Städtetouristen, die in städtische Kultureinrichtungen gehen, sagt Hofherr. Stärker besucht seien aber die Wilhelma und private Einrichtungen wie Automobilmuseen und Musicaltheater. Das Gastgewerbe sei mit knapp 40 Prozent auch nur der zweitwichtigste Nutznießer des Tourismus in Stuttgart. Dafür, sagt Hotelchef Bauknecht, tue die Branche aber schon viel. Sie finanziere nicht nur auf freiwilliger Basis die Kongressakquise mit, sie werbe auch aktiv Gäste und umgarne Busreiseveranstalter.

Die Hoteliers fragen: Was ist mit den Airbnb-Gästen?

Dass OB Kuhn (Grüne) und die Ratsmehrheit nur die Hotelbranche ins Visier nehmen, erklärt sich Bauknecht so: „An uns kann man sich einfach halten. Wir können unseren Sitz und die Arbeitsplätze nicht ins Ausland verlagern.“ Auf Ferienwohnungen, die von Touristen über Portale wie Airbnb gebucht würden, habe die Stadt bisher noch gar keinen Zugriff, weil sie die Adressen nicht erfahre. Auch von daher sei der Plan nicht gerecht. Dass die Hotels seit 2010 mit einem geringeren Mehrwertsteuersatz kalkulieren können, könne auch kein Anlass sein, nun örtlich wieder etwas abzuschöpfen, meinen Hofherr und Bauknecht. Die damalige Entlastung habe man für Investitionen genützt, wovon auch die Stadt Vorteile habe.

Erster Zielbeschluss im Rathaus bereits gefasst

Die Übernachtungssteuer, die in Stuttgart angepeilt wird, soll hier Kulturförderabgabe heißen und sich am Modell der Bettensteuer in Freiburg orientieren. Nach Informationen unserer Zeitung hat das bei der Ersten Lesung des Haushalts in nicht-öffentlicher Sitzung eine Mehrheit im Verwaltungsausschuss beschlossen: die Vertreter der Grünen, der SPD, des Linksbündnisses um SÖS und Die Linke, der Fraktionsgemeinschaft Puls und außerdem auch OB Fritz Kuhn. Bei der Dritten Lesung am 20. Dezember dürfte dieser Zielbeschluss im Gemeinderat bestätigt werden. Die Umsetzung wird laut Verwaltung, sozusagen aus technischen Gründen, wohl erst Mitte 2021 möglich sein.