Zwei Jahre nach einem Vorstoß der CSU verlangt SPD-Chef Sigmar Gabriel Änderungen beim Kindergeld für EU-Ausländer. Foto: dpa

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel verlangt, dass für Kinder in anderen EU-Staaten weniger Kindergeld überwiesen wird. Dem Bundesfinanzminister wirft er Untätigkeit vor. Doch die EU-Regeln lassen wenig Handlungsspielraum.

Berlin - „Wer betrügt, der fliegt“ – mit dieser Ansage hat die CSU im Jahr 2014 eine Debatte um Sozialleistungen für EU-Bürger entfacht. Anlass war, dass seit dem 1. Januar 2014 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen besteht. Die Diskussion blieb nicht folgenlos. Der Gesetzgeber verschärfte die Regelungen mehrfach. Erst Ende der vergangenen Woche billigte der Bundesrat ein Gesetz, wonach der Bezug von Sozialleistungen für EU-Bürger an strengere Voraussetzungen geknüpft wird. Das reicht dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel offenbar nicht aus. Er fordert, dass in bestimmten Fällen das Kindergeld für EU-Ausländergekürzt wird. Wenn die Kinder weiterhin in ihrer Heimat leben soll nach Gabriels Worten das Kindergeld nach dem Lebensstandard im jeweiligen EU-Land bemessen werden. Die Freizügigkeit dürfe nicht missbraucht werden, um in die Sozialsysteme einzuwandern, meinte Gabriel.

Gabriel schwenkt auf CSU-Kurs ein

Der SPD-Chef greift damit Forderungen auf, die die CSU schon vor mehr als zwei Jahren erhoben hat. Die CSU wollte seinerzeit erreichen, dass Kindergeld nur für hier lebende Kinder gezahlt wird. Die Initiative der Bayern führte beim Kindergeld jedoch nur zu kleineren Änderungen. Um Missbrauch und doppelten Leistungsbezug zu vermeiden, wurde Ende 2014 beschlossen, dass nur bei Vorlage einer Steueridentifikationsnummer die Sozialleistung ausbezahlt wird. Gabriel beklagte, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seit vielen Monaten einen Vorschlag für die Kürzung des Kindergelds schuldig bleibe. In manchen Großstädten gebe es „ganze Straßenzüge mit Schrottimmobilien“, in denen Migranten nur lebten, weil sie für ihre Kinder im EU-Ausland Kindergeld auf deutschem Niveau erhielten. Nach Auskunft der Arbeitsagentur erhalten EU-Bürger, die ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben, Kindergeld. Es ist auch möglich, für die Kinder, die im Ausland leben, Kindergeld in voller Höhe zu beziehen. Dies kommt in der Praxis nach Auskunft der Behörden gar nicht so selten vor.

Doch nach dem EU-Recht kann Deutschland die Leistungen nicht einfach kürzen. Das Finanzministerium, das für die Regelungen zum Kindergeld zuständig ist, sieht zwar ebenfalls Korrekturbedarf. Doch die EU-Kommission habe anders entschieden, teile das Ministerium mit. „Die EU-Kommission hat letzte Woche eine Initiative vorgelegt, nach der das Kindergeld in der EU nicht an das Preisniveau im Aufenthaltsland des Kindes angepasst werden soll“, teilte das Schäuble-Ressort mit. In der Entscheidung der Kommission vom 13. Dezember 2016 heißt es: „Das Land der Erwerbstätigkeit des Elternteils ist auch weiterhin für die Zahlung der Kinderbeihilfe zuständig und dieser Betrag kann nicht angepasst werden, wenn das Kind woanders lebt.“ Brüssel begründet das Beharren auf dem bisherigen Rechtslage damit, dass weniger als ein Prozent der Leistungen für Kinder von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen transferiert werden.

Höhere Hürden für Sozialhilfebezug

Dass die Hürden für den Bezug von Sozialleistungenin einem Mitgliedsland erhöht werden, darin sind sich die Bundesregierung und die EU-Kommission einig. Der Bundestag verabschiedete jüngst einen Vorschlag von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), der sicherstellen soll, dass nur EU-Bürger, die in Deutschland arbeiten und hier Beiträge zahlen, auch Ansprüche auf Leistungen aus dem Sozialsystem erhalten. Wer nicht in Deutschland arbeitet oder selbstständig ist, dem stehen künftig innerhalb der ersten fünf Jahre keine dauerhaften Leistungen wie Hartz IV zu. Die Betroffenen können nur Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise erhalten, und zwar längsten für einen Monat. Diese Regelung gilt von 2017 an. Auch die EU-Kommission will den Mitgliedsstaaten mehr Möglichkeiten geben, den Bezug von Sozialleistungen zu erschweren. Das gilt aber nicht für das Kindergeld.

Gabriel erntete für seinen Vorstoß Lob von der CSU sowie Kritik von Grünen und Linken. Der CDU-Bundesvize Thomas Strobl sagte dieser Zeitung: „Die Entscheidung über die Spitzenkandidatur rückt näher und Herr Gabriel entdeckt seine populistische Ader wieder.“ Offenbar habe er vor seinem Konkurrenten Martin Schulz Fracksausen. Das Finanzministerium habe das Thema längst auf dem Schirm und brauche keine Nachhilfe von Gabriel, sagte Strobl.