Er beansprucht die Führungsrolle in der arabischen Welt: Mohammed bin Salman Foto: AFP

Saudi-Arabiens Thronfolger Mohammed bin Salman überrascht die Weltöffentlichkeit damit, dass er öffentlich das Existenzrecht Israels anerkennt. Doch hinter diesen Äußerungen steckt reines Kalkül.

Washington/Riad - Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat es eilig. Der künftige König will sein Land aus der Abhängigkeit vom Öl befreien und in den Kampf gegen den regionalen Rivalen Iran führen. Dazu braucht er starke Partner – vor allem die USA und Israel. Dass der Kronprinz jetzt als erster arabischer Spitzenpolitiker und als zukünftiger Herrscher über Mekka und Medina öffentlich das Existenzrecht des jüdischen Staates anerkennt, markiert eine Zeitenwende im Nahen Osten. Allerdings geht es in der neuen Phase nicht um Frieden: Es geht um Macht und um eine neue Blockbildung in der Region.

MBS, wie der 32-Jährige oft genannt wird, braucht den Rückhalt der USA für alles, was er tut. So fielen seine Äußerungen über eine gemeinsame Zukunft mit Israel nicht in Riad, sondern in einem Interview mit dem Chefredakteur der US-Zeitschrift „The Atlantic“, Jeffrey Goldberg. Es fand während der derzeitigen rund zweiwöchigen USA-Reise des Prinzen statt, bei der er sich um Investitionen für sein Reformprojekt „Vision 2030“ bemüht. Mit diesem Projekt will er Saudi-Arabien in die Moderne führen. Das Bündnis mit Israel, von dem MBS spricht, passt wiederum zur Nahost-Strategie der Trump-Regierung in Washington.

Salman versteht sich gut mit Jares Kushner

Nicht nur im „Atlantic“ bricht der junge Prinz alte Tabus. Schon im vergangenen Jahr soll MBS Israel besucht haben, obwohl es keine diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten gibt. Kürzlich öffnete Saudi-Arabien erstmals seinen Luftraum für ein Flugzeug auf dem Weg nach Israel. Einer der engsten Partner des saudischen Thronfolgers in der US-Regierung ist Jared Kushner, Donald Trumps Schwiegersohn und Nahost-Beauftragter. Der 36-jährige Kushner, ein strenggäubiger Jude, und MBS haben im vergangenen Jahr ein enges persönliches Verhältnis aufgebaut.

Die US-Regierung betrachtet MBS als Anker ihrer Nahost-Politik, die auf eine Stärkung Israels und eine Zurückdrängung des iranischen Einflusses in der Region ausgerichtet ist. Trump setzt alles auf die Karte MBS. Von ihm erwartet sich der Präsident milliardenschwere Waffenkäufe in den USA. Die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien und im saudischen Krieg im Jemen werden von der US-Regierung ignoriert.

Dreh- und Angelpunkt im engen Bündnis zwischen MBS und Trump besteht in der Feindschaft gegen den Iran. Der Prinz sieht im Nahen Osten ein „Dreieck des Bösen“, bestehend aus dem Iran, der Muslim-Bruderschaft und islamistischen Extremisten wie Al Kaida und dem IS, am Werk. Der Iran hat großen Einfluss im Irak, in Syrien und im Libanon; MBS zählt auch die Türkei – deren Präsident Recep Tayyip Erdogan ein überzeugter Unterstützer der Muslim-Bruderschaft ist – zum feindlichen Trio.

Religiöse Überlegungen spielen kaum eine Rolle

Auch eine Neuauflage der Fronten des Kalten Krieges schwingt mit. Während die USA auf der Seite der Saudis stehen, gehört Russland eher ins andere Lager. Wie der Zufall es will, treffen sich Erdogan und der iranische Präsident Hassan Rohani als Hauptvertreter des „Dreiecks des Bösen“ an diesem Mittwoch mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin, um über die Lage in Syrien zu sprechen.

Diesem Block setzt MBS seine geplante Allianz aus den Golf-Staaten, Ägypten, Jordanien und eben Israel entgegen. Religiöse Überlegungen spielen kaum eine Rolle. Im „Atlantic“ schwärmte Salman von der Harmonie zwischen Muslimen und Juden in der Gründungsphase des Islam. Dan Shapiro, ein früherer US-Botschafter in Israel, misst den Aussagen des Prinzen „riesige“ Bedeutung zu. MPS eröffne den saudisch-israelischen Beziehungen viele Möglichkeiten, schrieb Shapiro auf Twitter.

Im Bild der schönen neuen Welt des Nahen Ostens gibt es jedoch einige Schönheitsfehler. Shapiro wies darauf hin, dass auch MBS noch keine offizielle Anerkennung Israels ausgesprochen hat – die Äußerungen seien vage genug, um bei Bedarf wieder davon abrücken zu können. Eine der offenen Fragen ist die nach dem Schicksal der Palästinenser. Nach Trumps Vorstellung sollen sie keinen eigenen Staat neben Israel erhalten, sondern in einer Art israelischem Protektorat leben. Der saudische Prinz scheint damit einverstanden zu sein, doch völlig eindeutig ist seine Haltung nicht. Kurz nach dem Interview bekräftigte der Vater des Prinzen, König Salman, die traditionelle saudische Position zum Palästinenser-Problem. Vorerst bleibt es deshalb bei der Forderung Riads, dass Israel einer klaren Zwei-Staaten-Lösung und damit einem gleichberechtigen Nebeneinander eines jüdischen und eines palästinensischen Staates zustimmen muss. „Es gibt keinen ernstzunehmenden Hinweis darauf, dass sich diese Realität geändert hat“, schrieb Shapiro.

Kürzlich hat der Prinz er von einem Krieg gegen Teheran gesprochen

Zudem folgen nicht alle arabischen Staaten der Führung des saudischen Prinzen. Katar pflegt gute Beziehungen zum Iran und zur Muslim-Bruderschaft und wird deshalb seit dem vergangenen Jahr von Saudi-Arabien und drei gleichgesinnten Staaten mit Sanktionen belegt, die auch die Schließung der Grenzen umfassen. Unterstützung findet Katar in Teheran und Ankara.

Zudem ist keineswegs gewiss, dass MBS sein Reformprojekt erfolgreich abschließen und Saudi-Arabien modernisieren kann. Sollten konservative Gegner des Prinzen in Riad die Oberhand gewinnen, dürfte aus der Anerkennung Israels und der neuen Allianz nichts werden. Potenziell am folgenschwersten ist die Grundvorstellung Salmans von einem epischen und unausweichlichen Machtkampf mit dem Iran. Kürzlich hatte er von einem Krieg gegen Teheran in den kommenden Jahren gesprochen. Verständnis für die Sorgen der Iraner, die sich von Feinden umringt sehen, ist bei ihm nicht zu erkennen. MBS schickt sich an, den Nahen Osten aufzumischen – doch ob er der Region den Frieden bringt, steht auf einem ganz anderen Blatt.