Endlich wieder konkurrenzfähig? Der neue Formel-1-Mercedes Foto: dpa/Mercedes

Der neue Formel-1-Mercedes geht aus Gewichtsgründen ohne Farbe in die Saison 2023. Die Piloten Lewis Hamilton und George Russell freuen sich trotzdem auf das Auto – und der Teamchef Toto Wolff wünscht sich nur eines: die Rückkehr zu alter Stärke.

Es ist eine der ältesten Legenden der Formel-1-Geschichte, historisch ebenso schwer zu belegen wie zu widerlegen. Fakt aber ist, dass Mercedes 1934 zum Großen Peis von Deutschland mit einem Auto antritt, dass nicht mehr weiß, sondern silbern ist. Über Nacht, so heißt es, war der Lack abgekratzt worden, weil das Auto zu schwer war. Geschichte wiederholt sich: als der Werksrennstall der Neuzeit am Mittwoch den Rennwagen für die neue Saison vorstellt, ist dieser schwarz, obwohl er doch erst im Vorjahr wieder im Traditionssilber erstrahlt war. Diesmal ist es keine Legende, sondern verbrieft: damit dieser F1 W 14 im Gewichtslimit von 798 Kilogramm bleibt, musste der Lack runter. Und weil die Hülle der Rennautos von heute nicht mehr aus Aluminium ist, sondern aus dunklem Karbon, erscheint der Mercedes jetzt als großes Schwarzes. Macht ja auch schlanker.

Das freut Lewis Hamilton natürlich am meisten, er erkennt darin die fortgesetzte Botschaft von Black Lives Matter. Als Ausdruck der Solidarität mit der Bewegung hatte Mercedes Farbe bekannt, sehr mutig und sehr symbolträchtig. Teamchef Toto Wolff mag nicht ausschließen, dass es den ein oder anderen Silberstreifen wieder geben wird, wenn der Wagen durch die Entwicklung über die Saison hinweg leichter wird. Vorerst aber wiegen neue Räder, andere Steuergeräte und der modifizierte Unterboden zu schwer. Einen Trick, der auch an anderen neuen Rennwagen zu sehen ist, beispielsweise am Alfa Romeo. Mercedes leitet von der Farbgebung die generelle Motivation ab: „Alles für die Performance.“

Einfach freispachteln

Ach, könnte man auch die Seele der ganzen Mannschaft so einfach freispachteln. Der Abonnements-Champion ist im letzten Jahr ziemlich durchgerüttelt worden, weil das Auto ungeplant Sprünge auf dem Asphalt machte. Jetzt, im Jahr des Hasen, soll das Problem namens Porpoising gelöst sein, aber es bleibt natürlich etwas zurück, wenn ein Abonnements-Champion leer ausgeht. Nie zuvor war Lewis Hamilton in einem Formel-1-Jahr ohne Sieg geblieben, selten musste sich Toto Wolff der Vokabel „unberechenbar“ stellen. Etwas, was der Österreicher hasst, nach acht Erfolgsjahren in Serie sowieso. Was macht das mit einem, was bleibt nach der Entmachtung durch den Formel-1-Rivalen Red Bull? Ein Slalom zwischen Verzweiflung, Enttäuschung, Häme vom Gegner.

Der Krise davonfahren

Es gibt nur die eine Chance: der Krise davonfahren. Leichter gesagt (siehe Gewichtslimit) als getan. Mercedes behält das Grundkonzept des Autos, fast ohne die sonst so bauchigen Kühler auszukommen, bei. Es war ja nicht alles schlecht. George Russell, der den einzigen Sieg im letzten Jahr herausfahren konnte, bekam den neuen Dienstwagen zu seinem 25. Geburtstag, und er berichtet von einem „unheimlichen Feuer“ in der Belegschaft, dass er spüre. Lewis Hamilton, der mit 38 kurz vor der nächsten Vertragsverlängerung steht, spricht nicht nur von „Energie“, der Rekordweltmeister strahlt sie auch aus. Ganz entspannt reagiert er darauf, dass sich Toto Wolff fürs Fotoshooting seine Halbschuhe ausgeliehen und dann auch gleich anbehalten hatte.

Nachdenklicher Teamchef

Der Teamchef selbst ist nachdenklicher, was die lädierte Seele angeht. Wolff ist aus Prinzip ebenso ehrgeizig wie misstrauisch, weshalb er nach der Enthüllung des schwarzen Silberpfeils alles infrage stellt: „Er sieht gut aus. Aber ist er auch schnell genug? Wir erleben einen neuen Start, auch für unser Mindset.“ Gefordert ist eine Balance aus dem nötigen Mut und unnötigem Risiko. Dieses Yin und Yang am Limit macht für ihn auch den Reiz der Formel 1 aus: „In diesem Sport musst du stark sein. Aber eben auch demütig.“ Er bezweifelt, dass seine um den Testfahrer Mick Schumacher ergänzte Truppe schon gleich am Anfang erfolgreich gegenüber Red Bull Racing und Ferrari sein kann, sein Schlüsselsatz lautet: „Aber letztendlich werden wir es sein.“

Zunächst entscheidender sei etwas anderes: „Wir müssen wieder unseren eigenen Maßstäben genügen. Die Werte, die Stärken und die Denkweise sind die Basis, um wieder zu wachsen.“ Persönlich war es ein schwieriges letztes Jahr für ihn: „Ich musste erst mal mit meinen Emotionen klarkommen. Und ich habe viel über mich gelernt dabei.“ Vor zehn Jahren war er von Dieter Zetsche verpflichtet worden, um Rennleiter Norbert Haug zu ersetzen. Der ehemalige Mercedes-Vorstand machte Wolff gleich zum Team-Teilhaber. „Damals war einer meiner ersten Gedanken: Diesen Job hältst du nicht durch, bist du 50 bist“, erinnert sich Wolff, „und jetzt, mit 51, sitze ich immer noch hier.“

Der Lack mag ab sein, aber das Vertrauen in sich selbst und seine Mercedes-Mannschaft ist unverändert da. Es ist die pure Angriffslust, und noch einmal wird die Silberpfeil-Legende bemüht: „Geschichte wiederholt sich.“