Auch der australische Schauspieler Hugh Jackman musste sich schon mehrfach wegen Hautkrebs behandeln lassen. Foto: dpa-Zentralbild

Die Zahl der Hautkrebsfälle nimmt in Deutschland stark zu. Zu spät entdeckt, kann der schwarze Hautkrebs tödlich enden. Ärzte werben daher für die Früherkennung ab 35 Jahren. Doch die Zweifel, wie sinnvoll diese Maßnahme ist, sind noch immer groß.

Stuttgart - Wenn Ralf Merkert einen Patienten unter die Lupe nimmt, geht er systematisch vor: Mehr als 1,8 Quadratmeter Haut bedecken einen Erwachsenen. Darauf sind im Schnitt um die 30 Leberflecke verteilt. Und diese stehen unter Generalverdacht: „Häufiger als gedacht, kann sich daraus eine ernsthafte Erkrankung entwickeln“, sagt Merkert. Also untersucht der Leitende Arzt im Hauttherapiezentrum Stuttgart mit dem Auflichtmikroskop jede Hautpartie – vom Scheitel bis zur Fußsohle.

Hautkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten. „Wir unterscheiden verschiedene Erkrankungen“, sagt Peter von den Driesch, der als Ärztlicher Direktor das Zentrum für Dermatologie, Phlebologie und Allergologie am Klinikum Stuttgart leitet: das sogenannte Basaliom und das Plattenepithelkarzinom, als heller oder weißer Hautkrebs bekannt, und das maligne Melanom – der schwarze Hautkrebs. Letzteres sieht von den Driesch immer häufiger. Jede Woche behandelt er in der Hautklinik mindestens 25 Patienten mit der bösartigen Tumorerkrankung. „Es hat definitiv zugenommen.“ Das zeigen auch die Zahlen vom Robert-Koch-Institut: Demnach erkranken jährlich 21 400 Bundesbürger neu an schwarzem Hautkrebs, rund 3000 sterben daran. Bei der hellen Variante waren es 2017 rund zehnmal so viele Neuerkrankungen, wobei hier die Sterberate äußerst niedrig ist. Insgesamt bedeutet dies aber eine Steigerung der Erkrankungszahlen in den vergangenen 50 Jahren um das Fünffache.

Betroffen sind meist hellhäutige und lichtempfindliche Menschen

Der Sonnenbrand aus Kindertagen, die Abneigung gegen die damals noch recht schlierige Sonnencreme mit geringem Lichtschutzfaktor und das fehlende Bewusstsein um die Gefahr der UV-Strahlung – all das räche sich jetzt, sagen Dermatologen. Sie führen die hohe Erkrankungsrate bei schwarzem Hautkrebs vor allem auf die übermäßige Sonnenexposition in den ersten 15 Lebensjahren zurück, die das Erbgut in besonderem Maße schädigt. Betroffen sind meist hellhäutige und lichtempfindliche Menschen. Viele Patienten in der Hautklinik sind auch Männer, die früh ihre Haare verloren haben und sich nicht ausreichend vor Sonne geschützt haben. Dabei ist gerade die Kopfhaut ungemein sonnenempfindlich, sagt von den Driesch. Es gibt aber auch eine familiäre Häufung, die auf verschiedene nachteilige Genvarianten hindeuten kann. Und: Auch wenn viele Leberflecke rein statistisch gesehen ein Risikofaktor für diese Krebsform sind, können Melanome sich auch auf normaler Haut entwickeln.

Risikofaktoren sind Sonnenbrände in der Kindheit

Beim hellen Hautkrebs ist ebenfalls die Sonne schuld – allerdings entscheidet über das Erkrankungsrisiko mehr die Gesamtdosis an UV-Strahlung, die ein Mensch im Leben abbekommen hat. Aber es kommen auch andere Faktoren infrage: Röntgenstrahlung, krebserregende Stoffe oder eine generelle Immunschwäche. „Grundsätzlich gilt: Wer schwere Sonnenbrände in der Kindheit hatte, an Immunschwäche leidet, öfter geröntgt wurde und in dessen Familie es schon Fälle mit Hautkrebs gab, sollte verstärkt auf Hautveränderungen achten.“

Mit einem Auflichtmikroskop auf Fleckensuche

In seiner Praxis leuchtet Merkert mithilfe einer Lampe an seinem Auflichtmikroskop die Hautpartien optimal aus. Von verdächtigen Stellen wird ein Foto mit 18-facher Vergrößerung gemacht. Eine Software vermisst das Mal, bestimmt seine Form und Farbe. Zwei solcher Bilder werden abgespeichert – eines von einem Fleck an der Schulter und von einem weiteren am Brustbein. Dann bleibt Merkerts Blick an der Nase der Patientin hängen: an einer kleinen, verhornten Stelle oberhalb des Nasenflügels. Vielleicht schon eine sogenannte aktinische Keratose, eine Vorstufe von hellem Hautkrebs? Merkert macht ein Bild und sagt: „Wir beobachten das mal.“

Kritik an der Früherkennung

Früh erkannt, Gefahr gebannt? Dermatologen bezeichnen die Vorsorgeuntersuchung zusammen mit der für Darmkrebs als eine der effektivsten. So könnten potenzielle Krebsherde durch einen vergleichsweise kleinen chirurgischen Eingriff sofort unschädlich gemacht werden. Doch es gibt auch kritische Wissenschaftler. Sie bemängeln, dass seit der bundesweiten Einführung des Hautkrebs-Screenings vor zehn Jahren zwar häufiger schwarzer Hautkrebs erkannt worden ist, die Sterblichkeit am malignen Melanom jedoch nicht zurückgegangen ist. Die frühere und häufigere Diagnose führt bisher also offenbar nicht dazu, dass weniger Menschen sterben. Vermutlich, weil längst nicht alle schweren Fälle erkannt, dafür aber harmlose Tumore entdeckt werden, die auch ohne Behandlung nicht zu Problemen geführt hätten.

Bundesbürger werden wachsamer

Auch Peter von den Driesch sieht die Schwächen: „Es ist wichtig, die Evidenzbasis durch weitere Studien und weitere Forschung zu verbreitern.“ Speziell Deutschland sei dafür geeignet: „Wir sind das einzige Land, das einigermaßen systematisch ein Hautkrebs-Screening ab 35 Jahren anbietet.“ In den Niederlanden etwa gebe es diese Vorsorge nicht. Und dort sei die Zahl der Sterbefälle aufgrund von Hautkrebs relativ höher. „Wir dagegen haben bei steigenden Erkrankungszahlen wenigstens eine gleichbleibende Sterberate.“ Das könne man als Erfolg der Vorsorge sehen. Hinzu kommt der psychologische Effekt, den die Früherkennung auslöse: „Die Menschen sind wachsamer geworden.“ Vor allem Kinder werden in dem Bewusstsein erzogen, dass zu viel Sonne auf ungeschützter Haut schädlich ist.

Immuntherapien haben die Chemotherapie abgelöst

Auch die Behandlung von Hautkrebs hat Fortschritte gemacht – vor allem für Betroffene, bei denen der schwarze Hautkrebs Metastasen entwickelt hat und nicht mehr operabel ist: Seit 2011 werden statt Chemotherapien oder Bestrahlungen fast schon standardmäßig zielgerichtete Krebstherapien und Immuntherapien eingesetzt, mit deren Hilfe körpereigene Abwehrkräfte Tumorzellen bekämpfen. „Sie haben großen Anteil daran, dass die Überlebenszeit bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht wurde“, so von den Driesch.

Aber muss man es so weit kommen lassen? Im Hauttherapiezentrum Stuttgart überreicht der Hautarzt Ralf Merkert den Befund: „Exzision Nävus“ – die Entfernung eines der Male. Zwar sehen die Zellen unter dem Lasermikroskop unauffällig aus. „Aber der Erfahrung nach kann sich daraus in ein, zwei Jahren ebenso gut ein Melanom entwickeln.“ Sein Rat: Lieber gleich raus damit.