Vom Schwabenland nach Österreich gereist: Eine Aufnahme von Hermine nach der Ankunft in ihrer neuen Heimat. Foto: Aiderbichl

Von StN-Leserin freigekaufte vom Schlachter geflohene Rind lebt jetzt auf einem Gnadenhof in Österreich.

Ditzingen/Henndorf - „Der Kuh geht’s gut, das ist das Wichtigste.“ Das sagt die Leserin unserer Zeitung, die zur Retterin von Hermine geworden ist. „Mit einem Satz sprang Hermine in ihr neues Leben“, berichtet Britta Freitag vom Gut Aiderbichl in Henndorf.

Ein weiterer Mitarbeiter, Christian Kögl, hat das jetzt knapp zwei Jahre alte Rind vor wenigen Tagen aus seinem Stall im Ditzinger Teilort Heimerdingen (Kreis Ludwigsburg) abgeholt und nach Österreich gefahren. „Als die Laderampe zum Aussteigen nach unten gelegt wurde, scharrte Hermine wie ein Stier mit dem rechten Fuß“, erzählt Freitag. Kögl rief „geht alle weg“ – und schon sprang Hermine heraus.

Britta Freitag hatte beim ersten Blick auf den neuen Bewohner des rund 20 Kilometer östlich von Salzburg gelegenen Gnadenhofs ein Déjà-vu-Erlebnis: „Das ist Yvonne zwei!“ Kuh Yvonne, wir erinnern uns, war Ende Mai 2011 ausgebüxt und drei Monate lang in einem Waldgebiet im oberbayerischen Kreis Mühldorf untergetaucht – auch sie darf jetzt auf einem Gut Aiderbichl in Frieden alt werden. Yvonne ist nahe der bayerischen Stadt Deggendorf untergebracht.

Beeindruckt vom Lebenswillen des Tiers

So lange wie Yvonne war Hermine bei ihrer Flucht bei weitem nicht in Freiheit gewesen. Und sie hat auch nicht wie ihre berühmte Artgenossin wochenlang bundesweit die Aufmerksamkeit der Medien gehabt. „Kuh rennt dem Schlachter davon“, lautete am 3. März die Überschrift einer 17-Zeilen-Meldung in unserer Zeitung.

Doch sie hat genügt, um die Leserin auf den Plan zu rufen. Die 66-Jährige, die anonym bleiben will, war vom Lebenswillen des Tiers so beeindruckt, dass sie sich entschloss, es zu kaufen und lebenslang für seinen Unterhalt zu sorgen. Die Frau, so viel kann verraten werden, ist in der Region Stuttgart zu Hause, war früher juristisch tätig und gehört zu einer Unternehmerfamilie.

Hermine hätte am frühen Morgen des 2. März, einem Freitag, das letzte Stündlein schlagen sollen. Ihr Bauer hatte sie vom Heimerdinger Stall zum Schlachter nach Ditzingen gebracht. Doch beim Ausladen vom Viehanhänger vor der Metzgerei hatte das Rind Reißaus genommen. „Sie hat einen Hupfer gemacht und mir den Strick aus der Hand gerissen“, so damals der Landwirt. Dann hatte der Metzger zum Strick gegriffen, doch auch er konnte das rund 600 Kilogramm schwere Tier nicht aufhalten.

Die für die Schlachtbank bestimmte Hermine war in den mehrere Hundert Meter entfernten Schlosspark von Ditzingen getrabt. In dem kleinen Park hatte sie dann zwei Stunden lang niemand an sich herangelassen. Nicht den Bauern, nicht den Schlachter, nicht die zu Hilfe gerufenen Polizisten und auch nicht mehrere Mitarbeiter des städtischen Bauhofs. Eine Tierärztin mit Blasrohr betäubte schließlich das Rind.

Kuhhandel ging langsamer als gedacht über die Bühne

Hermine kam zurück in ihren Stall. Und dort ist sie auch noch mehrere Wochen geblieben, obwohl sich ihre Wohltäterin schon kurz nach der Flucht bei unserer Zeitung gemeldet hatte. Auf diesem Weg wurde der Kontakt zu dem Bauern hergestellt. Der anschließende Bericht über die wahrscheinliche Rettung der Kuh hatte dann auch gleich ein ehrenamtlich für Gut Aiderbichl arbeitendes Ehepaar aus Weinstadt elektrisiert. Es bot an, das Rind auf einem Gnadenhof unterzubringen.

Doch so schnell, wie es sich die Retterin vorgestellt hatte, ging der Kuhhandel nicht über die Bühne. Auch deshalb, weil Hermine erst einmal in Quarantäne musste. Sie wurde auf BHV 1 (Bovine Herpesvirus 1) untersucht. Nur Rinder, die gesichert nicht an dieser Viruserkrankung leiden, dürfen nach Österreich einreisen.

„Artgenossen sind jetzt sehr wichtig für Hermine“

Jetzt aber ist sie da und hat bereits eine Freundin gefunden. Es ist Boxennachbarin Isabella. Ihr Schicksal ähnelt verblüffend dem von Hermine. Isabella sollte im Januar in Bergheim (Bundesland Salzburg) geschlachtet werden. Sie stieß beim Entladen ihren Bauern um, rammte auf der Flucht einen Passanten zu Boden und hielt dann auf einer Wiese neben einer Bundesstraße mehrere Polizisten mächtig auf Trab. Selbst ein Mitarbeiter von Gut Aiderbichl konnte die verängstigte Isabella nicht bändigen. Sie wurde dann von einem Tierarzt mit einem Narkosegewehr betäubt.

„Artgenossen sind jetzt sehr wichtig für Hermine“, weiß Britta Freitag. Die Freundinnen würden sich gegenseitig beruhigen. Isabella ist inzwischen Mutter geworden. Ihr Stierkalb heißt Walter.

Die Kühe sind schon bald nach Hermines Ankunft zusammengestanden. Die Begegnung hatte eine Ziege ermöglicht. „Sie hat die Boxentüre zwischen den beiden geöffnet“, erzählt Freitag. Inzwischen seien sie schon stundenweise zusammen in einer Box.

Hermine ist offiziell von Gut Aiderbichl erworben worden. Die Rechnung aber hat die 66-jährige StN-Leserin bezahlt. Auch für die Kosten der Quarantäne ist Hermines Retterin aufgekommen.

Ende gut, alles gut.