Regierungspräsidium, ob ein rechtswidriges Verhalten der Lehrerin. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Der Fall der Drittklässlerin, die eine Strafarbeit schreiben musste, weil sie auf dem Schulhof Türkisch sprach, hat ein Nachspiel.

Blumberg/Heidelberg - Die Familie wehre sich gegen die Sanktion durch die Lehrerin, sagte der Heidelberger Rechtsanwalt Yalcin Tekinoglu dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er legte am Mittwoch beim baden-württembergischen Kultusministerium eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Lehrerin ein. Diese hatte die Neunjährige aufgefordert, die Strafarbeit zum Thema „Warum wir in der Schule Deutsch sprechen“ zu verfassen. Die Familie wolle erreichen, dass die bereits verfasste Strafarbeit aufgehoben, der Familie zurückgegeben wird und nicht in die Leistungsbewertung der Drittklässlerin einfließt, sagte Tekinoglu. Zudem sei zu fragen, ob ein „Deutschzwang“ auf dem Pausenhof rechtswidrig ist.

Regierungspräsidium prüft Verhalten der Lehrerin

Weil die Lehrerin einer Grundschule im baden-württembergischen Blumberg ein Gespräch mit den Eltern zunächst abgelehnt hatte, habe sich die Familie an ihn gewandt. Die Lehrerin habe im Telefonat mit der Mutter die Sanktionierung des Gebrauchs der türkischen Muttersprache mit ihren „pädagogisch-erzieherischen Freiheiten“ begründet. Sie habe auch auf schulische Regeln verwiesen, wonach auf dem Pausenhof Deutsch zu sprechen sei. Eine solche Regelung sei allerdings weder der Schülerin noch den Eltern bekannt, sagte der Anwalt.

Jetzt prüft das Regierungspräsidium, ob ein rechtswidriges Verhalten der Lehrerin vorliegt. Der Behörde zufolge ist die Regel „Wir sprechen alle die deutsche Sprache“ Bestandteil der dortigen Klassenregeln und gemeinsam mit den Schülern aufgestellt worden. Bei einem Verstoß sei ein Aufsatz zum Thema „Warum wir in der Schule Deutsch sprechen“ zu schreiben, hieß es auf Anfrage. Das Regierungspräsidium widersprach zudem der Aussage, dass ein Gespräch mit den Eltern abgelehnt worden sei. Vielmehr seien vonseiten der Schule mehrere Gesprächsangebote ausgegangen. Nach einem Gespräch sei die Strafarbeit zudem ausgesetzt worden. Die Schulverwaltung wies „in aller Deutlichkeit die Kritik zurück, der Fall sei ein Beispiel für diskriminierende Haltungen“.

Unverständnis bei den Eltern

In der halbseitigen Strafarbeit, die die Drittklässlerin ohne Wissen ihrer Eltern abgab, heißt es etwa: „Ihr wollt dass wir Deutsch sprechen. Die Schulen sind Deutsch. Wenn wir Türkisch sprechen, verstehn die Kinder uns nicht. Wir dürfen die Muttersprache nicht sprechen.“ In einer E-Mail an die Lehrerin schreibt die Mutter, ihre Tochter verstehe nicht, warum sie sich nicht auf Türkisch unterhalten dürfe, obwohl es ein Teil von ihr sei.

Nach Ansicht Tekinoglus ist eine Deutschpflicht außerhalb des Unterrichts rechtswidrig. Er verweist auf eine Stellungnahme des baden-württembergischen Kultusministeriums zur AfD-Anfrage „Deutsch als verpflichtende Umgangssprache an Schulen (“Schulhofsprache„)“ vom Januar 2017. Darin heißt es, die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht für Schülerinnen und Schüler schlössen das Recht ein, außerhalb des Unterrichts in einer anderen Sprache zu sprechen. Die Entscheidung, freiwillig - ohne Vereinbarung - auf eine Verständigung in der nicht-deutschen Herkunftssprache zu verzichten, stehe den Schülerinnen und Schülern aber jederzeit frei.

Auch Wissenschaftler zweifeln am Sinn einer Deutschpflicht außerhalb des Unterrichts. Das schränke die Kinder unnötig ein, sagte die Germanistin Heike Wiese. Auf deutschen Schulhöfen würden mehr als 100 Sprachen gesprochen, die Mehrsprachigkeit sei der Normalfall in menschlichen Gesellschaften. Die Wertschätzung mehrsprachiger Schüler komme nicht nur dem Bildungssystem, sondern auch der Gesellschaft zugute, schreibt die Wissenschaftlerin in dem Buch „Deutschpflicht auf dem Schulhof?“.