Zur Sicherung ist ein Netz am Hotelturm angebracht worden. Foto: Mario Esposito

Ein Stück eines Gebäudes am Mailänder Platz ist herabgefallen. Nun wird die Fassade zur Sicherung eingerüstet, Stein für Stein kontrolliert. Und das dauert.

Viele stört es, dass ihnen der kürzlich fertiggestellte Turm am Mailänder Platz (60 Meter) die Sicht auf die Stadtbibliothek (40 Meter) versperrt. Andere empfinden Enttäuschung beim Anblick der Fassade, die doch eigentlich – so sah es der Entwurf ursprünglich vor – von Pflanzen begrünt sein sollte. Derzeit ist die Fassade aber durch ein Netz gesichert und das Gebäude somit komplett eingehüllt. Es ist ein grünes Netz, immerhin. In der ersten Aprilwoche hatte sich im sechsten Obergeschoss des Sockelbaus, an der zur Stadtbibliothek gerichteten Ostseite des Gebäudes, eine der Fassadenplatten gelöst und war auf den Gehweg gefallen.

Sturm hat offenbar Platte gelöst

Die Eigentümerin und einstige Bauherrin ist die Strabag Real Estate GmbH. Axel Möhrle, der Leiter der Stuttgarter Niederlassung, erklärt dazu: „Ein Sturm hat die Platte gelöst. Verletzt wurde Gott sei Dank niemand. Auch Schäden hat es keine gegeben.“ In der Tat war laut Deutschem Wetterdienst an besagtem Tag das Sturmtief Nasim mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde über Baden-Württemberg hinweggefegt. Allerdings ist davon auszugehen, dass das lediglich der Auslöser war. Als eigentlichen Grund vermutet Möhrle menschliches Versagen: „Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit, dass die Platte nicht korrekt verankert wurde.“

Strabag: Jede Platte wird kontrolliert

Nun sieht sich die Strabag offenbar in der Pflicht, jede einzelne Platte am Gebäude zu kontrollieren. „Um die Einschränkungen für unsere Mieter zu minimieren, gerüsten wir das Gebäude abschnittsweise ein. Die Arbeiten sollen Mitte des Monats beginnen und im September abgeschlossen sein“, erklärt Möhrle. Alles solle in Abstimmung mit den Mietern geschehen, zwei internationalen Hotelketten, dem Premier Inn Hotel in den unteren sechs Etagen und dem Adina Apartment Hotel von Etage 7 bis 21.

Nun gab es zwar weder Personen- noch nennenswerte Sachschäden, aber es wird ein wirtschaftlicher Schaden in noch nicht zu beziffernder Höhe entstehen – zum einen, weil Kontroll- sowie etwaige Nachbesserungsarbeiten Zeit und Geld kosten. Zum anderen, weil bei aller Rücksicht doch mit umsatzrelevanten Betriebseinschränkungen im Hotelbetrieb zu rechnen ist. Mietminderungen seien nicht auszuschließen, sagt Möhrle, ebenso wenig, dass es Regressansprüche seitens der Strabag an die beteiligten Bauunternehmen geben werde. An wen also?

Siegerentwurf auch wegen der Begrünung

Die Bauherrin Strabag war durch die Stadt gehalten, den Auftrag für den Architekturentwurf des Gebäudes über einen Wettbewerb zu vergeben. Ein eigens dafür gegründeter Unterausschuss des Gemeinderats sollte das Vorhaben begleiten. Den Wettbewerb gewann im Jahr 2016 das Düsseldorfer Büro RKW Architektur+. Allerdings war an dessen Siegerentwurf auch das Wiener Architekturbüro MHM Ziviltechniker beteiligt. Auf der Website von RKW heißt es dazu: „Nach unserem gewonnenen Wettbewerb im Juni 2016 wurde im November 2017 der Vertrag zwischen MHM Ziviltechniker und RKW für die Planungsleistung der Fassade geschlossen.“ Gewonnen hatte der Entwurf insbesondere, weil er durch eine mit Pflanzen begrünte Fassade bestach – ein Plus in der eher vegetationsarmen Nachbarschaft.

Doch kein begrüntes Gebäude

Alsbald stellte sich jedoch zur Enttäuschung aller heraus, dass die Begrünung der Fassade in ihrer vorgesehenen Form aus Gründen des Brandschutzes nicht zulässig war. Um nun doch noch ein ästhetisch anspruchsvolles Ergebnis zu liefern, lobten die beiden Architekturbüros 2018, dem Jahr des Baubeginns, ihrerseits selbst noch einmal einen Wettbewerb aus, ausschließlich für die Fassadengestaltung. Diesen gewann die international bekannte Künstlerin Mariella Mosler, Professorin für Bildhauerei und Keramik an der ABK Stuttgart. Im April 2019 wurden die ersten Fassadenelemente geliefert. Quasi zeitgleich erfolgten die Prüfung durch den Städtebaulichen Gestaltungsbeirat sowie den Unterausschuss für Umwelt und Technik und die Baugenehmigung.