„Unser Song“ heißt der nationale Vorentscheid. Fünf Kandidaten stehen im Finale. Foto: NDR

An diesem Donnerstag wird ermittelt, wer Deutschland beim diesjährigen Eurovision Song Contest vertritt. Die ARD beschreitet dabei mal wieder einen neuen Weg.

Stuttgart - Erinnern wir uns: Nachdem 1996 der Schlagersänger Leon mit dem von Hanne Haller geschriebenen Titel „Planet Of Blue“ bereits in der Qualifikation so schlecht abschnitt, dass Deutschland nicht am Finale des Grand Prix teilnehmen durfte, wurden für das Jahr darauf die internationalen Regeln geändert. Deutschland drohte als größter Beitragszahler daraufhin, aus der Finanzierung auszusteigen. Die deutschen Teilnehmer genießen seitdem ein automatisches Startrecht im Finale. Womit immerhin dauerhaft die Frage überflüssig geworden ist, wie Deutschland in der Statistik wohl dastehen würde, wenn alljährlich erst die Halbfinals zu bestehen wären.

Zwanzig Jahre ist das her, ausprobiert wurde in dieser Zeit – von einer Ausnahme abgesehen: der nie in Rede stehenden Überlegung, die nationale Ausrichtung in andere Hände als jene der ARD zu legen – mehr oder weniger alles. Vier Mal durfte noch der häufig geschmähte Komponist Ralph Siegel ran, der immerhin für die zweitbeste deutsche Platzierung der letzten zwei Dekaden gesorgt hat. Diverse Male in unterschiedlichsten Funktionen der Moderator, Komponist und Produzent Stefan Raab, der seinerzeit bei der privatwirtschaftlichen Fernsehkonkurrenz der ARD unter Vertrag stand und immerhin für das beste, drittbeste und viertbeste Abschneiden im genannten Zeitraum stand.

Deutschland kam zwei Mal in Folge auf den letzten Platz

Zwischenzeitlich behagte es der ARD vor acht Jahren, auf den allseits beliebten nationalen Vorentscheid komplett zu verzichten und Kandidaten ihrer Gnaden zu entsenden, was für Alex swings, Oscar sings in einen zwanzigsten Platz beim Finale mündete. 2015 schließlich durften die deutschen Vorentscheidgucker staunend zusehen, wie der Gewinner Andreas Kümmert live seinen Verzicht auf die Reise nach Wien verkündete und Ann Sophie daraufhin beim Finale Letzte wurde.

Und 2016 wollte die ARD mal wieder eigenmächtig tätig werden und vorentscheidlos Xavier Naidoo nominieren, was sie dann angesichts dessen Nähe zu den „Reichsbürgern“ kleinlaut widerrufen musste; Jamie-Lee, die daraufhin den deutschen Vorentscheid gewann, errang beim Finale in Stockholm den zweiten letzten Platz in Folge für Deutschland.

Aber jetzt soll alles gut werden. Für die Herstellung einer abendlichen Fernsehsendung hat sich der federführende NDR Hilfe in Form eines Koproduzenten gesucht und – wie es der Zufall so will – in der Produktionsfirma Raab TV gefunden. Dazu wurde für die Show eine dreiköpfige Jury installiert, in der unter anderem der Moderator und Sänger Florian Silbereisen sitzt. Aber diese Jury macht eh nicht das, wozu eine Jury eigentlich da ist, nämlich zu urteilen – sie kommentiert nur und hat kein Stimmrecht.

Barbara Schöneberger moderiert den nationalen Vorentscheid

Die Finalisten, fünf bislang in musikinteressierten Kreisen gänzlich unbekannte Interpreten, wurden im Vorfeld des nationalen Vorentscheid an diesem Donnerstag von einer namentlich nicht bekannten Jury ausgesucht. Moderiert wird die auf drei Stunden angelegte Show von Barbara Schöneberger. Das ist keine sonderlich originelle Wahl. Originell ist jedoch die Auswahl der Musik. Die TV-Zuschauer werden sich am Ende zwischen zwei Titeln entscheiden müssen, für die die ARD zwei Komponistenteams ausgewählt hat, in denen kein einziger Deutscher vertreten ist. Es sind international erfahrene Songschreiber, die schon für prominente Musiker geschrieben haben. Ins Rennen schicken sie die Stücke „Wildfire“ und „Perfect Life“.

Diese werden jedoch nicht von allen fünf Teilnehmern gesungen. In der ersten von vier Runden präsentiert jeder aus dem Quintett zunächst eine Coverversion nach eigener Wahl, in der anschließenden ersten Abstimmungsrunde werden zwei Kandidaten auch schon rausgewählt. Die verbliebenen drei singen dann den ersten der beiden zur Wahl stehenden Songs in unterschiedlichen Arrangements, in der zweiten Abstimmungsrunde scheidet dann ein dritter Kandidat aus.

Das klingt nach einer interessanten Findungsrunde

Die verbliebenen zwei Teilnehmer singen dann den zweiten Song. Die Zuschauer wählen anschließend aus den jeweils zwei Auftritten beider Künstler aus den Runden zwei und drei ihre Lieblingskombination für die vierte und letzte Runde: das können entweder ein Künstler mit beiden ESC-Songs, beide Künstler mit unterschiedlichen Songs oder beide Künstler mit demselben Song sein. Am Ende wird abgestimmt, mit welchem Lied Deutschland beim ESC-Finale vertreten sein wird.

Das klingt kompliziert, aber auch nach einer interessanten Findungsrunde. Wer auch immer nach Kiew reist: Schlechter als beim letzten ESC-Gastspiel in der Ukraine kann’s nicht kommen: 2005 trat Gracia für Deutschland an. Und wurde Letzte. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.eurovision-song-contest-jamie-lee-tritt-auf-startplatz-zehn-an.b501f6bc-4be9-4869-80ed-1ee9b3413195.html