Erinnern an Eugen Bolz – im Freundeskreis des Hauses der Geschichte und darüber hinaus stieß das auf großes Interesse Foto: Lichtgut Christian Hass

Eugen Bolz war der ranghöchste Repräsentant der Weimarer Republik, den die Nazis ermordeten. Ein Wider- standskämpfer, der mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Das fanden die Teilnehmer einer Bolz gewidmeten Tagung im Haus der Geschichte.

Stuttgart - Auf das Fragezeichen, wie es sich sonst für Symposien geziemt, wurde verzichtet. „Eugen Bolz – ein vergessenes Vorbild“, so lautete der Titel der Veranstaltung im Haus der Geschichte über den gläubigen Katholiken, württembergischen Ministerpräsidenten und Zentrumspolitiker, der sich dem politisch-militärischen Widerstand gegen Hitler anschloss und am 23. Januar 1945 von den Nazischergen durch das Fallbeil ermordet wurde.

Warum das Fragezeichen zurecht fehlte, das legten die Historiker Thomas Schnabel und Peter Steinbach am Donnerstag in kenntnisreichen und spannenden Vorträgen über Bolz’ politisches Wirken in der Zeit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und über seine Rolle im Widerstand dar. „Er war der bedeutendste württembergische Politiker in der Weimarer Politik“, sagte Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte. Steinbach, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, bekannte unumwunden: „Ich bewundere Bolz. Er begründete als erster aus der katholischen Soziallehre heraus das Notwehrrecht des Volkes und das Gebot der Gehorsamsverweigerung“. Diesen Weg sei er konsequent und mutig bis zum Ende gegangen. „Er gönnte den Nationalsozialisten nicht den Triumph der moralischen Kapitulation.“ Bolz, so Steinbach, „gehörte zum Kern des deutschen Widerstands“.

Bolz, auch ein Vorbild im Glauben

Doch wie erinnern an das vergessene Vorbild? Diese Frage ist aktueller denn je, seit die 1906 erbaute Villa auf dem Killesberg, in der der Politiker fast zwölf Jahre bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo 1944 gewohnt hatte, zum Abriss freigegeben ist. Nach langer öffentlicher Diskussion hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) entschieden, dass die Landesregierung das Gebäude nicht erwirbt. Statt dessen wurde der Neubau des Staatsministeriums bei der Villa Reitzenstein nach Eugen Bolz benannt. Dort soll, wenn auch im bescheidenen Rahmen, künftig an den Zentrumspolitiker erinnert werden.

In der katholischen Kirche läuft ein Seligsprechungsverfahren, weil Bolz auch ein Vorbild im Glauben sei, wie Generalvikar Clemens Stroppel bei der Tagung im Haus der Geschichte sagte: „Aus dem Glauben schöpfte er die Kraft, das zu tun, was er tat, und es so zu tun, wie er es tat.“ Trotz der Glaubensgewissheit sei Bolz nicht zu verstehen, wenn man in ihm nicht auch den „formal korrekt handelnden Juristen“ sehe, ergänzte Christoph Palmer, ehemaliger Staatsminister in der Villa Reitzenstein.

Zudem müsse man Bolz aus seiner Zeit heraus verstehen – auch mit seinen Irrtümern, wozu der frühere CDU-Politiker dessen ambivalente Polizeipolitik als württembergischer Innenminister zählte, aber auch seine Fehleinschätzung, dass das „vernünftige Schwabenvolk“ dem Nationalsozialismus letztlich widerstehen werde. Statt dessen wurde Bolz nach seiner ersten Verhaftung im Juni 1933 und seiner Vernehmung im Hotel Silber in einer „Schandfahrt vor Tausenden Menschen, die ihn mit Pferdeäpfeln und Eiern bewarfen“ (Steinbach) durch Stuttgart gefahren. Als er sich später als Gasthörer an der Uni Stuttgart einschreiben wollte, verweigerte ihm das der damalige Rektor.

Palmer schlägt Widerstandspfad in Stuttgart vor

Ansatzpunkte, das – wie auch andere Widerstandskämpfer – vergessene Vorbild Bolz wieder Teil der Erinnerungskultur werden zu lassen, lieferte eine von SWR2-Programmchef Johannes Weiß moderierte Podiumsdiskussion, an der neben Palmer und Stroppel auch Paula Lutum-Lenger, Ausstellungsleiterin im Haus der Geschichte, und Jan Sellner, Lokalchef unserer Zeitung, teilnahmen. So gibt es Hoffnung, dass Denkschrift, Manuskripte und Briefe von Bolz neu und kritisch editiert werden. Das Haus der Geschichte denkt an eine Ausstellung. Palmer schlug einen „Widerstandspfad“ in Stuttgart vor, der den Landtag, das Bolz-Denkmal am Königsbau, die Stauffenberg-Gedächtnisstätte im Alten Schloss und die Erinnerungsstätten für die Deportation der Juden und Sinti und Roma einschließen könnte. Ob das ausreicht und wie Jugendliche erreicht werden können, ob sich nicht auch die Uni Stuttgart mehr beteiligen müsse, das blieb eine der offenen Fragen. In Bolz’ Geburtsstadt Rottenburg und in Ellwangen, wo er seinen Reichstagswahlkreis hatte, werde an den Politiker erinnert, so Schnabel.

Und sonst? Es gebe in jedem Ort einen Bolzplatz, zitierte Schnabel einen Kalauer, der Steinbach missfiel, weil das Wort ausgebolzt zur nationalsozialistischen Diffamierung gehöre und sich jedes Wortspiel verbiete. Doch wäre es so schlimm, wenn mehr Leute beim Wort Bolzplatz nicht nur ans Fußballspielen denken würden?