95 solcher Haselmaus-Tubes hängen zwischen Ehningen und Herrenberg. Foto: /Decksmann

Unscheinbare Kästchen hängen in Sträuchern am Wegesrand zwischen Ehningen und Herrenberg. Die kaum fünf Zentimeter hohen Boxen sollen einer Maus Unterschlupft geben, die eigentlich gar keine ist. Aber zu welchem Zweck?

Man muss schon genau hinschauen, um die Kästchen in den Sträuchern am Wegesrand zu entdecken – selbst jetzt, wo die Büsche noch keine Blätter tragen. Glatt könnte man die an Ästen hängenden schwarzbraunen Boxen übersehen, wären die Standorte nicht mit roten Schleifen markiert. Schließlich sollen die Frauen und Männer der Gruppe für ökologische Gutachten (GÖG) aus Stuttgart die insgesamt 95 Kästchen wiederfinden, die sie dort aufgehängt haben.

Wie hoch ist die Haselmausdichte?

An Fuß- und Radwegen zwischen Ehningen und Herrenberg sind, wenn man so will, die Vorarbeiten für geplante Schnellradtrassen in vollem Gange. Arbeiten, die ihre Zeit brauchen. Mithilfe der rund 25 Zentimeter langen Niströhren soll ermittelt werden, ob es zwischen Herrenberg und Ehningen geschützte Haselmäuse gibt. Und falls ja, wie viele es sein mögen. Dabei baut die Untersuchung der Gutachter aus Stuttgart darauf, dass die fast 15 Zentimeter langen Nager, die sonst wahre Kunstwerke von Nistplätzen in den Ästen bauen, sich gern auch ins gemachte Nest setzen, in sogenannte Haselmaus-Tubes.

Fällt dann der Radschnellweg flach?

Noch tappe man aber im Dunkeln, erzählt Marcel Haas, Radwegebeauftragter beim Landratsamt Böblingen, das die artenschutzrechtlichen Untersuchung in Auftrag gegeben hat. Die nachtaktiven Nager, die in kalten Monaten in Baumstümpfen oder Erdhöhlen überwintern, seien nur schwer auszumachen.

Weder behördliche noch private Tierschützer hätten bisher Exemplare der geschützten Tiere entdeckt. Aber das heiße nichts. Und was, wenn eine Population nachgewiesen werden kann? Fällt dann der Ausbau der Strecken zum Radschnellweg, der bisher von Stuttgart kommend in Ehningen endet, flach? Das eher nicht, meint Haas, aber dann müsse überlegt werden, ob der Fortbestand der Tiere durch ein Zurückschneiden des Buschwerks gefährdet sei. Dass Haselmäuse wie Eidechsen eingesammelt und für teures Geld wie beim Bahnprojekt Stuttgart 21 umgesiedelt werden, sei nicht zu erwarten. Meist würden sie in benachbarte Sträucher ausweichen.

Nicht nur die Haselmaus liegt der Behörde am Herzen, die eigentliche gar keine Maus ist, sondern wie der Siebenschläfer zur Familie der Bilche gehört. Auch das Vorkommen von Reptilien, Amphibien, Brutvögeln und Fledermäusen wird nach Auskunft des Landratsuntersucht derzeit untersucht. Herrscht über das Tiervorkommen Klarheit, ist der Weg für eine Verbreiterung auf vier bis fünf Meter noch lange nicht frei. Dann müssten die Besitzverhältnisse geklärt werden, meint Haas: „Solche Grunderwerbsgeschichten können sich hinziehen.“

Baulärm könnte die Haselmäuse nicht schrecken

Kein Mensch weiß also derzeit, wann die Bagger und Raupen für den Radschnellweg anrollen. Fest steht nur, dass die Haselmäuse Baulärm kaum beeindrucken dürfte. Die Tiere gelten als äußerst lärmresistent. Nicht selten werden sie an Autobahnen und Bahnlinien angetroffen.

Kommenden Oktober sollen die Nistkästen wieder abgenommen werden. Dann haben sich die Haselmäuse, so es denn welche gibt, längst zum Winterschlaf ins Erdreich verzogen. Und im kommenden Jahr müsste sie dann wieder ihr eigenes Nest bauen.

Die Maus, die keine ist

Die Haselmaus
 (Muscardinus avellanarius) ist ein mausähnliches, nachtaktives Nagetier aus der Familie der Bilche (Gliridae). Sie wiegt 15 bis 40 Gramm und wird knapp 15 Zentimeter lang, fast die Hälfte (5,8 bis 6,8 Zentimeter) der Länge entfällt dabei auf den Schwanz. Das Fell ist meist gelbbräunlich bis rotbräunlich mit einem weißen Fleck an Kehle und Brust.

Lebensraum
 Das große Verbreitungsgebiet der Haselmaus erstreckt sich über fast ganz Europa, mit Ausnahme der Iberischen Halbinsel, Südfrankreichs, der nördlichen britischen Inseln und Skandinaviens.