Wo heute das Einkaufszentrum Mercaden die Böblinger Unterstadt bestimmt, sah es vor zehn Jahren völlig anders aus. Im Herbst 2012 wurden in wenigen Wochen zahlreiche prägende Gebäude vor Ort abgerissen – wir erinnern uns.
Das Gebiet um den Böblinger Bahnhof ist seit Jahrzehnten einem steten Wandel unterworfen – aus einer sumpfigen Wiesenfläche wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst ein Shopping-Eldorado. Kaufcentrum und Hertie schossen in den 1960er-Jahren, das City-Center und C&A etwas später aus dem Boden. Der Busbahnhof galt als Verkehrsdrehscheibe und Tummelplatz, McDonald’s und all die Kneipen drumherum waren beliebte Treffpunkte.
Doch in den 2000er Jahren verlor das Areal am Busbahnhof zunehmend an Attraktivität, galt bald als Problemgebiet. Was tun? Schließlich war klar: Ein neues Einkaufszentrum soll entstehen. 2009 verkaufte die Stadt das Gelände an den Investor Herbert Krämer, der die Pläne für die Mercaden entwickelte. Parallel wurde der Busbahnhof auf die andere Seite der Talstraße verlegt. Im Sommer 2012 erhielt Krämer schließlich die Baugenehmigung für das neue Einkaufszentrum – dann ging alles ganz schnell. An der Bahnhofstraße fiel ein Haus nach dem anderen – darunter altehrwürdige, die das Leben in der Stadt jahrzehntelang geprägt hatten.
Bald nach der Eröffnung des Böblinger Bahnhofs 1879 entsteht der Schönbuch-Gasthof
Ganz zuvorderst Schönbuch-Gasthof und Schönbuch-Saal. Die Gemäuer blickten auf eine besonders lange Geschichte zurück. Denn bereits kurz nach der Eröffnung des Böblinger Bahnhofs 1879, wuchsen die ersten Gebäude in der Nachbarschaft aus dem Boden. Seinerzeit ließ Gewerbebankvorstand Carl Wanner das Gasthaus „Zum Schönbuch“ bauen, was schließlich in den Besitz der Brauereifamilie Dinkelaker kam. Die neuen Eigentümer beauftragten ein Stuttgarter Architekturbüro, einen großen Veranstaltungsraum in der Bahnhofstraße anzubauen – den Schönbuch-Saal. Auch wenn die Pächter in den darauffolgenden Jahren häufig wechselten, größere Böblinger Feste, Konzerte oder Versammlungen fanden fortan fast alle im Schönbuch-Saal statt.
Die freie Turnerschaft feierte dort Weihnachten, die süddeutsche Wanderbühne nutzte den Saal für ihre Aufführungen, viele Böblinger trafen sich zu Tanz und Musik. Auch der erste öffentliche Kampf der neugegründeten Box-Abteilung der SV Böblingen lockte 1934 viele Böblinger in die Bahnhofstraße. Als in den 1960ern die Kongresshalle gebaut wurde, lief die dem Schönbuch-Saal als Veranstaltungsort Nummer eins zwar den Rang ab, doch viele Jahre lang blieb dieser ein wichtiger Treffpunkt im Stadtleben. Ende der 80er Jahre brach dann die Ära der Diskotheken und Tanzschuppen an: Los ging es mit dem „Arcade“, es folgten „Blue Night“ und „Twelve Inch“, ab 1995 dann „Temple“ und „Red Cage“. Zuletzt wechselten die Pächter regelmäßig, gefeiert wurde trotzdem weiter. Ehe im September 2012 der Abrissbagger anrollte.
In die Abrissarbeiten reiht sich die Familie Krauß ein
Im Zuge der Abrissarbeiten für die Mercaden löste sich auch ein langjähriges Thema auf der anderen Seite der Bahnhofstraße buchstäblich in Staub auf. Das Gebäude des Modeunternehmens Krauß an der Ecke zur Wilhelmstraße war die Jahre zuvor völlig heruntergekommen. Das älteste Modehaus Böblingens hatte in den 1990er-Jahren ausgedient. Es gab mehrere Anläufe von verschiedenen Seiten, die zunehmend ramponierte Immobilie samt Grundstück abzuwerben – doch alle Versuche verliefen im Sand, die Familie Krauß wollte sich nicht trennen. Erst die Mercaden-Pläne brachten Schwung in die Sache. Im Herbst 2012 war die Gelegenheit gekommen, den Abriss mitzuerledigen. Die Stadt Böblingen kam der Familie Krauß finanziell entgegen, im Oktober bissen die Bagger zu und schlossen das Kapitel innerhalb weniger Tage ab. Darauf verkaufte Krauß das Grundstück endlich.
Seitdem klaffte dort eine Lücke, doch nun hat die BB Wohnbau GmbH damit begonnen, diese Lücke zu schließen. Böblingen verändert sich – unaufhörlich.
Böblingen und seine Einkaufszentren
Mercaden
Nach den Abrissarbeiten rund um den alten Böblinger Busbahnhof startete der Mercaden-Neubau offiziell im November 2012. Die Gesamtfläche betrug 14 000 Quadratmeter, etwa zwei Fußballfelder. Im Oktober 2014 wurde das neue Einkaufszentrum zwischen Bahnhofstraße und Brumme-Allee eröffnet.
Hertie/Kaufcentrum
Ab den 1960er-Jahren galt Böblingen als Einkaufsstadt Nummer eins in der Region. Im April 1966 eröffneten Hertie und MC Krauß, kurz darauf kam das Kaufcentrum dazu. Doch seit vielen Jahren schwächelt der Komplex, das Kaufcentrum soll bald abgerissen, die Fläche neu bebaut werden.
City-Center
Im Jahr 1980 eröffnete zudem das City-Center zwischen Kreissparkasse und C&A. Doch bereits in den 1990er-Jahren begann sein Niedergang, mit der Mercaden-Eröffnung wurde es schnell zum Geistergebäude. 2020 wurde der Komplex abgerissen, derzeit baut die BBG dort das neue Pulse-Quartier.