Vor dem zweiten Flüchtlingsgipfel im Südwesten schlägt der Landkreistag Alarm. Foto: dpa

Die Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge sind überbelegt. Deshalb werden immer mehr Asylsuchende immer schneller auf die Kommunen verteilt. Doch diese sind auch überfordert.

Stuttgart - Der Landkreistag schlägt vor dem zweiten Flüchtlingsgipfel im Südwesten Alarm. Die Erstaufnahmekapazitäten müssten erweitert werden, damit Flüchtlinge nicht mehr in den Kommunen landeten, ohne einen Asylantrag gestellt zu haben. Das sagte der Sozialdezernent des Landkreistages, Dietmar Herdes, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Sonst schiebt einer die Probleme dem anderen zu.“ Die Kreise müssten im Moment Personal zur Verfügung stellen, um den Asylsuchenden bei den Anträgen zu helfen.

Noch vor der Sommerpause beruft die Landesregierung einen zweiten Flüchtlingsgipfel ein. Ziel sei es, den bestehenden, teilweise aber fragilen Konsens zwischen allen Beteiligten zu halten, erläuterte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Über Einwände, Kritik und neue Ideen müsse man in gewissen Abständen miteinander reden. Für die Überbelegung der Erstaufnahmestellen in Meßstetten (Zollernalbkreis) und Ellwangen (Ostalbkreis) müsse jeder gutwillige Mensch Verständnis aufbringen. „Was sollen wir sonst machen?“ Er sei mit den Kommunen im Gespräch über mögliche Entlastungen.

Herdes forderte, das Land müsse den Bund stärker in die Pflicht nehmen, damit dieser Gebäude, etwa Kasernen, für die Erstaufnahme und mehr Personal für die Bearbeitung der Asylanträge bereitstelle. Kretschmann wies darauf hin, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Stellen schon um 2000 aufgestockt habe.

Der Vertreter der Landkreise unterstrich, die geforderte Mindestwohnfläche pro Flüchtling Anfang 2016 dürfe nicht wie von Grün-Rot geplant von 4,5 auf 7,0 Quadratmeter erhöht werden. Er hält das für völlig unrealistisch: „Dann werden wir die weiße Fahne raushängen.“ Auch der Gemeindetag sprach sich gegen die Flächenerweiterung aus, um der Wohnraumknappheit beizukommen.

Die CDU-Fraktion pocht auf Übergangsregelungen. Generell stehe man aber zum Ziel, sieben Quadratmeter pro Flüchtling zu erreichen, sagte der Integrationsexperte Bernhard Lasotta. Kretschmann erteilte den Forderungen eine Absage, zumal das Gesetz auch Ausnahmeregelungen vorsehe. Mit 4,5 Quadratmetern pro Flüchtling gehöre Baden-Württemberg im Ländervergleich bereits zu den Schlusslichtern.

Strobl pflichtet dem Kommunalverband bei

Nachdem das Land bislang vermieden hatte, Flüchtlinge in Zelten unterzubringen, brachte der Regierungschef Komfortzelte - sogenannte Lufttragehallen - ins Gespräch. Derzeit habe man aber noch Reserven unter anderem in Kasernen.

Herdes forderte auch, Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern wie Mazedonien, Serbien, Bosnien gar nicht mehr auf die Landkreise zu verteilen. Dann sei auch der Anreiz nicht mehr so groß, nach Deutschland zu kommen. Denn im Unterschied zu Erstaufnahme, bei der Flüchtlinge ein Taschengeld von 100 Euro im Monat erhalten, liege die Summe während der vorläufigen Unterbringung bei rund als 400 Euro im Monat. „Was sie hier in einem Monat bekommen, haben sie in ihren Herkunftsländern teilweise nicht mal im ganzen Jahr.“

CDU-Landeschef Thomas Strobl pflichtete dem Kommunalverband bei: „Weitere Balkanländer als sichere Herkunftsstaaten zu benennen, ist dringend überfällig - aber die Landesregierung verweigert sich hier.“ Damit würde auch den Menschen geholfen, die wirklich den Schutz des Asylrechts brauchten.

Auch Herdes verlangte größte Anstrengungen, Flüchtlinge mit Aussicht auf Verbleib in Deutschland möglichst schnell zu integrieren. Sprachkurse müssten für diese Zielgruppen in der vorläufigen Unterbringung beginnen. Doch das Land müsse dafür noch den Startschuss für seine Zuschüsse von rund 60 Prozent der Kosten geben. „Wir warten nach wie vor auf die Verwaltungsvorschrift, in der die Finanzierung des Landes dafür zugesagt wird.“ Herdes resümierte: „Wir befürchten, wenn das so weiter geht, bröckelt der Rückhalt in der Bevölkerung.“ Und die Unterstützung der Zivilgesellschaft sei unverzichtbar.