Sebastian Kurz geht selbstbewusst und siegessicher in die Wahl am Sonntag. Foto: AP

Sebastian Kurz gilt als Favorit bei der Nationalratswahl. Die ÖVP hat ihren Wahlkampf voll auf den 31-Jährigen zugeschnitten.

Wien - Er ist für sein Alter erstaunlich gelassen. Und angesichts der Tatsache, dass seine Partei, die ÖVP, vor ein paar Monaten noch an dritter Stelle lag, unglaublich selbstbewusst und siegessicher. Der 31-jährige Sebastian Kurz gilt als Favorit bei der Nationalratswahl. Die konservative ÖVP könnte mit ihm erstmals seit 2002 wieder gewinnen. Das hat vor allem damit zu tun, dass Kurz einen personalisierten Wahlkampf führt, die Partei wurde ganz auf seine Person zugeschnitten. „Ja, es ist viel Macht gebündelt bei einer Person – mehr als in anderen Parteien“, kommentiert er selbst die Rechte, die er sich zu Beginn des Sommers ausbedungen hat. Der 31-Jährige hat sich aus der Umklammerung der Landesparteien befreit.

Sein Erfolgsrezept bei den Wählern: Er konzentriert sich – so wie früher nur die FPÖ unter Heinz-Christian Strache – voll auf den Stopp von Migration. Dies veranlasste den Ex-Grünen Peter Pilz, der mit einer eigenen Liste antritt, zu der Aussage: „Sie sind der beste Strache-Imitator, den es je gegeben hat.“ Kurz verknüpft fast jedes Thema mit den „Ausländern“: Einsparungen im Sozialbereich, die Senkung der Steuerquote, die innere Sicherheit des Landes. Er thematisiert, dass die Flüchtlinge 2,7 Milliarden Euro im Jahr kosten und dass 300 Millionen Euro jährlich an Familienbeihilfe für Kinder ins Ausland überwiesen werden – Kinder von Gastarbeitern, die nicht in Österreich leben.

Sein bisher größter Erfolg: die Schließung der Balkanroute im März 2016

Sein Lieblingsthema ist die Schließung der Fluchtrouten, die in die EU führen. Tatsächlich kann er dabei auf seinen bisher größten Erfolg verweisen: die Schließung der Balkanroute im März 2016. Dabei kann er sich gut von der Merkel’schen Willkommenspolitik abgrenzen und von der eigenen Regierungsbeteiligung zu diesem Zeitpunkt ablenken. In TV-Interviews räumte er ein, dass er in Sachen Flüchtlingspolitik näher bei Viktor Orbán als bei Angela Merkel gelegen sei. Er kritisiert, dass Deutschland im Jahr 2015 ohne Absprache mit den EU-Partnern Flüchtlinge weitergewinkt habe. Kurz will nun, dass Flüchtlinge überhaupt nicht mehr in die EU gelassen werden, weil dies einen „Pull-Effekt“ auslöse. Sie sollten an den Außengrenzen – etwa auf Lampedusa – versorgt und dann in die Herkunftsländer „zurückgestellt“ werden. „Die Rettung im Mittelmeer darf kein Ticket nach Mitteleuropa sein“, wiederholt er seit Monaten wie ein Mantra.

Er nennt die gesetzlichen Regelungen, die die EU dazu verpflichten, Wirtschaftsmigranten aus Afrika Asylverfahren zu gewähren „absurd“. Kurz plädiert dafür, die Genfer Flüchtlingskonvention zu adaptieren, und steht damit im Vergleich zu anderen konservativen Politikern in der EU ziemlich weit rechts. Viele Österreicher standen während der Flüchtlingswelle 2015 unter Schock. Bis heute fürchten sie, dass sich Ähnliches wiederholen könne, als Kolonnen von Migranten über die Grenze kamen. Und sie sehen in Kurz jenen Politiker, der dies verhindern will, und bemerken dabei nicht, dass er Ängste schürt, um Wählerstimmen zu generieren.

So wohlerzogen seine Art zu streiten ist, so hartnäckig ist er

Die Österreicher „stehen“ auf Kurz, weil er Erneuerung vermittelt. Einen durchschnittlichen Zuwachs von neun Prozent der Wählerstimmen kann die ÖVP verzeichnen, seit der Außenminister die Partei übernommen hat. Bereits 2011 wurde er Integrationsstaatssekretär, seit vier Jahren ist er Außenminister. Kurz sagt im Gespräch gerne „Ist ja nicht bös gemeint“ oder auch „Seien Sie mir nicht böse“, wenn es darum geht, dem Gegenüber etwas zu erwidern. So wohlerzogen seine Art zu streiten ist, so hartnäckig ist er. Gefragt nach den christlichen Werten, fällt ihm vor allem ein, dass die Menschen „ihre Talente einbringen“ und nicht nach dem Staat fragen sollten. Wirtschaftspolitisch könnte man ihn liberal nennen, gesellschaftspolitisch ist er ein „Softie-Konservativer“.