Von Baden-Württemberg aus – hier eine Szene vom 16. Januar in Sindelfingen – rollte die Warnstreikwelle durch die Republik. Am Freitag befindet die IG Metall über eine baldige Ausweitung. Foto: dpa

Die Hoffnung auf einen Metalltarifabschluss an diesem Mittwoch dürfte sich nicht erfüllen. Vielmehr kristallisieren sich zwei Szenarien heraus: entweder eine Einigung bis zum Wochenende oder der Beginn von 24-Stunden-Streiks in der nächsten Woche.

Stuttgart - IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger hatte sich weit vorgewagt: An diesem Mittwoch solle in Böblingen ein „ernsthafter Einigungsversuch“ im Tarifkonflikt gemacht werden, kündigte er nach der dritten Verhandlungsrunde am 11. Januar an. Nun zeichnet sich ab, dass es mit dem zügigen Kompromiss nichts wird.

„Nach bisherigem Gesprächsstand halten wir ein Ergebnis am Mittwoch für höchst unwahrscheinlich“, sagt der baden-württembergische Chefunterhändler nun. Sein Pendant, Südwestmetall-Chef Stefan Wolf, zeigt die gleiche Skepsis: „Ich kann mir Stand heute nicht vorstellen, dass wir in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ein vernünftiges Endergebnis finden.“

Aus seiner Sicht gibt es nun zwei Szenarien: Entweder es gelingt, den Konflikt auf Basis der erreichten Fortschritte bis zum Wochenende zu lösen – oder aber der IG-Metall-Vorstand leitet an diesem Freitag die 24-Stunden-Streiks für kommende Woche ein. „Dann würden wir eventuell in der Woche vor den Faschingsferien noch einmal versuchen, das hinzubekommen.“

„Juristische Gegenmaßnahmen“ im Köcher

Wegen des wirtschaftlichen Schadens „würde dies zu einer weiteren Verhärtung führen“, warnt Wolf die IG Metall. Dann würden die Arbeitgeber auch wieder überlegen, „juristische Gegenmaßnahmen“ einzuleiten. So könnten sie versuchen, die Streiks mit einstweiligen Verfügungen zu unterbinden. Dafür setzen die Arbeitsgerichte hohe Hürden – es besteht somit eine Möglichkeit des Scheiterns. Zudem würde dieser Weg die Gewerkschaft enorm aufbringen und noch mehr Streiks provozieren. Die Alternative wäre eine Klage gleich im Hauptsacheverfahren mit einer Entscheidung in einigen Monaten. Bekämen die Arbeitgeber dort recht mit ihrer unverminderten Einschätzung, dass die IG Metall etwas Rechtswidriges verlangt, weshalb auch die Streiks unrechtmäßig wären, so trüge die Gewerkschaft das Risiko hoher Schadenersatzansprüche der Firmen.

Die Drohkulisse mit Streiks einerseits und Gerichtsklagen andererseits drückt noch immer mangelndes Vertrauen auf beiden Seiten aus, weist aber auch in die falsche Richtung. Denn seit der dritten Verhandlungsrunde sind sich die Tarifpartner sehr wohl näher gekommen. Das Vehikel ist die sogenannte Expertenkommission, die sich derzeit praktisch täglich trifft. Im Wesentlichen handelt es sich um die hauptamtlichen Fachleute beider Seiten mit Zitzelsberger und Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick an der Spitze, die wiederum von zahlreichen betrieblichen Vertretern aus diversen Branchen unterstützt werden. Wegen der Komplexität der Arbeitszeitfragen geht es allerdings nicht so schnell voran, wie man es sich ursprünglich vorgestellt hat.

Befristete Teilzeit wird kommen

Nun zeichnet sich ab, dass die IG Metall den individuellen Rechtsanspruch auf eine befristete Teilzeitarbeit schon deswegen erhalten wird, weil auch die immer wahrscheinlichere große Koalition dieses Projekt in Angriff nehmen wird. Da das Gesetz allerdings deutlich später kommen wird als die tarifliche Regelung der Metaller, müssen die Tarifpartner alle Eventualitäten einbauen, was eine Lösung erschwert. Eine Frage wird sein, ob das Unternehmen eine Widerspruchsmöglichkeit erhält, wenn ein Beschäftigter für zwei Jahre in Teilzeit gehen will, auf den er nicht verzichten kann. Die Kunst besteht ferner darin, die Qualifikationen zu ersetzen, die durch die Teilzeit vorübergehend ausfallen. Dies soll der Sorge der Arbeitgeber entgegenwirken, dass ihnen in Zeiten des Fachkräftemangels weitere Beschäftigte abhanden kommen.

Mittlerweile zeigt sich die IG Metall willens, Mehrarbeit einzuräumen. „Wir sehen gute Chancen, dass wir einen erheblichen Teil unseres Ziels – eine Öffnung des Arbeitszeitvolumens nach oben – erreichen“, betont Wolf. Die Gewerkschaft dürfte dies mindestens in dem Maße zulassen, wie die neuen Teilzeitansprüche das tatsächliche Arbeitsvolumen verringern. Im Gegenzug möchte sie ihren Betriebsräten noch mehr Mitsprache bei der tariflichen Ausweitung der 35-Stunden-Woche erkämpfen, für die es diverse Quoten gibt.

Entgeltzuschuss soll umgangen werden

Am schwierigsten zu lösen scheint die IG-Metall-Forderung nach einem Teilentgeltausgleich von 200 Euro pro Monat für die Beschäftigten, die daheim Kinder unter 14 Jahren betreuen oder ältere Angehörige pflegen wollen. Diesen Zuschuss lehnen die Arbeitgeber weiter strikt ab, weshalb nun über neue Wege nachgedacht wird, um aus der Bredouille herauszukommen. Ob sie gangbar sind, is tallerdings noch offen.

Über die sechsprozentige Lohnforderung der IG Metall ist noch gar nicht verhandelt worden, wird glaubwürdig vermittelt. Dies soll wie üblich der Endphase des Tarifpokers vorbehalten bleiben. Eines scheint aber gewiss: Der Pilotabschluss findet in Baden-Württemberg statt. Zu viel Vorarbeit ist hier geleistet worden. Ein Ausweichen in einen anderen Tarifbezirk ist nach Einschätzung der Unterhändler nicht mehr praktikabel. Auch zeichnet sich wegen der Komplexität der Materie ein Tarifvertrag mit mehrjähriger Laufzeit ab.