Ein Teil des Handels ist latent von Insolvenzen bedroht. Foto: picture alliance/dpa/Oliver Berg

In der Tarifrunde des Einzelhandels liegen die Ausgangspositionen der Tarifpartner so weit auseinander wie vielleicht noch nie zuvor. Der Handelsverband Baden-Württemberg zeichnet eine düstere Lage der Branche.

Die regional geführte Tarifrunde im Einzelhandel zählt neben der im öffentlichen Dienst zu den wichtigsten des Jahres: Bis zu 3,1 Millionen Beschäftigte werden davon profitieren. Mit der 15-Prozent-Forderung wagt der Verdi-Landesbezirk im Südwesten einen Alleingang; in anderen Bezirken verlangt die Gewerkschaft eine Lohnanhebung um 2,50 Euro pro Stunde – was in der unteren Beschäftigungsgruppe rund 25 Prozent mehr Lohn entspricht und in der sogenannten Ecklohngruppe der Verkäuferinnen annähernd 15 Prozent.

Nicht Bestandteil der Forderung, womöglich aber des Abschlusses, ist eine Inflationsausgleichsprämie. Bis zu 3000 Euro können steuerfrei eingebracht werden. Die Arbeitgeber werben dafür, Verdi setzt auf nachhaltige Lohnzuwächse. Dass der Handelsverband Baden-Württemberg der Gegenseite eine „völlige Realitätsferne“ konstatiert, war zu erwarten. Der Einzelhandel befinde sich im vierten Krisenjahr am Stück, viele Geschäfte bangten um ihre Wettbewerbsfähigkeit, heißt es. Dies zeigten „die jüngsten Insolvenzen bedeutender bundesweiter Handelsunternehmen mit dramatischer Deutlichkeit“. Der Handel habe weiter mit den Folgen der Pandemie und den Kostensteigerungen zu kämpfen. Abgesehen von den Energiekosten, die teils exorbitant gestiegen seien, „sind die Produktionskosten von Lebensmitteln und anderen Konsumgütern explodiert, was zu höheren Einkaufspreisen führt“. Die Preisschübe könnten nicht vollständig an die Kunden weitergereicht werden, sodass die Gewinnspanne weiter gesunken sei. Hinzu komme die Konsumzurückhaltung der Verbraucher, die sich nach einem Aufwärtstrend zuletzt wieder abgeschwächt habe.

Mindestens jedes zehnte Unternehmen in der Existenz bedroht

Nach Umfragen des Münchner Ifo-Instituts sah sich Ende vorigen Jahres mindestens jedes zehnte Unternehmen im Einzelhandel in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht. Die Mehrheit der Händler schaute deutlich pessimistisch in die geschäftliche Zukunft.

Die erste Verhandlungsrunde ist für den 13. April geplant, der zweite Termin am 17. Mai. Für die rund 190 000 Beschäftigten des baden-württembergischen Groß- und Außenhandels fordert Verdi 13 Prozent – da beginnt die Tarifrunde am 4. Mai.