Philipp Lahm (li.) und sein Schuss ins Glück – der spätere Weltmeister trifft im Eröffnungsspiel der WM 2006 gegen Costa Rica. Foto: imago/Lackovic

Wie beim Sommermärchen 2006 startet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Freitag in München in die Heim-EM. Kann sie auch diesmal eine Euphorie entfachen?

Vermutlich würde Danny Fonseca heute noch in der Münchner Allianz-Arena auf dem Hosenboden sitzen, wenn dort nicht fünf Tage später das nächste Spiel stattgefunden hätte. Der costa-ricanische Nationalspieler war an jenem 9. Juni 2006 von Philipp Lahm umkurvt worden, zu allem Überfluss noch ausgerutscht und hatte dann machtlos zusehen müssen, wie der deutsche Linksverteidiger den Ball vom Strafraumeck unwiderstehlich in den Winkel schlenzte. Die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland war zu diesem Zeitpunkt keine sechs Minuten alt, es war ihr erstes Tor, der Startschuss zum Sommermärchen.

 

Ein Treffer als Gesamtkunstwerk. Von Philipp Lahm, der sich im letzten Testspiel vor dem Turnier gegen den FSV Luckenwalde verletzt hatte und deshalb mit bandagiertem Arm spielen musste. Eine Körpertäuschung, die nicht nur Danny Fonsenca in die Knie zwang, sondern dem Münchner auch den nötigen Platz für den Abschluss verschaffte. Ein Ball, der nicht aufhören wollte zu fliegen, ehe er wuchtig an den rechten Innenpfosten klatschte und von dort ins Tornetz glitt.

Noch ist die Euphorie nicht entfacht

Häufig wird der Treffer von Oliver Neuville im zweiten Gruppenspiel gegen Polen als wahre Geburtsstunde des sogenannten Sommermärchens 2006 genannt. Nachspielzeit, Flankenlauf David Odonkor, Abstauber Neuville, das Dortmunder Westfalenstadion und letztlich die ganze Nation im Ausnahmezustand. Den ersten Treffer des Turniers kann Philipp Lahm trotzdem niemand nehmen. Er zeigte der einst stolzen Fußballnation Deutschland, was möglich war.

Von Euphorie wagte vor Turnierbeginn kaum jemand zu sprechen. Zwei Mal in Folge war die deutsche Nationalmannschaft 2000 und 2004 in der Vorrunde der Europameisterschaft ausgeschieden. 2002 war es einzig Torwart-Titan Oliver Kahn zu verdanken, dass Deutschland sich ins WM-Finale verirrte und dort von den fabelhaften Brasilianern die Grenzen aufgezeigt bekam. Jener Kahn wurde vor der Heim-WM 2006 vom neuen Teamchef Jürgen Klinsmann zur Nummer zwei degradiert, sein ewiger Rivale Jens Lehmann sollte im Turnier das Tor hüten.

Klinsmann war es auch, der bei seiner Vorstellung im Juli 2004 vollmundig verkündet hatte: „Ich weiß, dass die Fans in unserem Land vor allen Dingen einen Wunsch haben, nämlich, dass wir die WM 2006 gewinnen. Das ist auch mein Ziel.“ Spätestens als seine Mannschaft im März 2006 mit 1:4 gegen die Italiener unterging, dürfte auch bei jedem noch so optimistischen Fan der letzte Funken Hoffnung erloschen sein. Dann kam Lahm im Eröffnungsspiel. Und alles schien möglich.

15 Jahre später startete die deutsche Nationalmannschaft wieder in München in ein Turnier. Bei der kontinental ausgetragenen Euro 2020 war es Mats Hummels, wie Lahm in der bayrischen Landeshauptstadt geboren, der im Auftaktspiel der Deutschen als erster den Ball im Tor unterbrachte. Ärgerlich: Es war ein Eigentor. Noch ärgerlicher: Es blieb der einzige Treffer des Spiels, Deutschland unterlag Frankreich mit 0:1 und schied später im Achtelfinale gegen England aus. Der deutsche Fußballs war mittendrin in seiner größten Krise.

Und dieses Mal? Geht Deutschland als große Wundertüte ins Turnier. Erneut geht es am Freitag in München los. Ein gebürtiger Münchner wird dann aber mit Sicherheit nicht treffen, der einzige Kandidat musste in Person von Aleksandar Pavlovic seine Teilnahme am Mittwoch absagen. Aber vielleicht macht es ja wieder der Linksverteidiger. Der spielt bekanntlich beim VfB Stuttgart und heißt Maximilian Mittelstädt.