Die Pleiten im Einzelhandel häufen sich. Foto: dpa/Stefan Jaitner

Die Pleiten im Einzelhandel Baden-Württembergs häufen sich. Der Handel wirft der Landesregierung vor, inkonsequent und planlos die Geschäfte zu öffnen.

Stuttgart - Die selektive Öffnungsstrategie der Landesregierung für Handel und Dienstleistungen löst harsche Kritik aus. Floristen und Friseure dürfen ab Montag ihre Geschäfte öffnen, andere Händler bleiben außen vor. Die Begründung des Staatsministeriums, „bei längerer Schließung müssten umfangreiche Teile der Pflanzen vernichtet werden“, sei inkonsequent und inkonsistent, kritisiert Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg. Auch die Textilunternehmen hätten verderbliche Saisonware, die danach nicht mehr verkauft werden könne.

„Der Einzelhandel muss sofort komplett öffnen“, verlangt Hagmann. Mehrere Studien zeigten, dass die Ansteckungsgefahr im Handel gering sei. „Sogar das Robert-Koch-Institut sagt das“, so Hagmann. Sie fordert: „Wir dürfen nicht mehr auf die Inzidenzzahlen starren, wir müssen mit dem Coronavirus leben.“ Die Landesregierung solle sich lieber auf die Tests und die Impfungen konzentrieren – und die Hygienekonzepte berücksichtigen.

Zweifel an Umsetzbarkeit von Schnelltests für alle

Der Vorschlag des Staatsministeriums für das Bund-Länder-Treffen an diesem Mittwoch, künftig mit negativen Schnelltests die Geschäfte betreten zu können, irritiert den Handel: „Baden-Württemberg hat viel zu wenige Teststreifen. Es ist eigentlich unmöglich, das durchzusetzen“, sagt Hagmann. Die Kontrolle der Tests vor den einzelnen Geschäften wäre eine weitere Hürde. Besser wäre es, den Zugang zu den Innenstädten ausschließlich mit einem negativen Coronatest zu erlauben. „Wir haben in den Geschäften schon ein geringes Infektionsgeschehen und beschränken die Kundenanzahl. Wir dürfen den Zutritt nicht auch noch durch Tests beschränken“, fordert Hagmann.

Trotz allem begrüßt der Handel die heutige Wiedereröffnung der Friseursalons, Gartencenter und Blumenläden. Besonders die etwa 11 500 Inhaber der Friseurbetriebe in Baden-Württemberg sind erleichtert: „Die Betriebe sind froh, dass sie wieder öffnen dürfen, denn viele sind in enorme Liquiditätsschwierigkeiten gekommen“, sagt Matthias Moser, Landesgeschäftsführer des Fachverbands Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg.

Dramatische Lage bei den Modehändlern

Aber auch die wirtschaftliche Situation der schätzungsweise 500 Gartencenter in Baden-Württemberg ist angespannt – trotz des Booms im vergangenen Jahr: „Ein Stück weit konnten wir davon zehren, aber nach zwei, drei Monaten ohne Umsatz ist das aufgebraucht“, sagt Andreas Streb, der Geschäftsleiter eines Gartencenters in Pforzheim.

Viel dramatischer ist die Lage bei den Modehändlern, die sich vom Bund-Länder-Treffen am Mittwoch eine Öffnungsperspektive erhoffen. Denn die Rücklagen sind aufgebraucht, die Kredite müssen bezahlt werden. Die Stimmung sei katastrophal, heißt es.