Leni Breymaier und Lars Castellucci werben auf mehreren Konferenzen um das Vertrauen der baden-württembergischen Genossen – mit widersprüchlichen Botschaften. Foto: dpa

Vor dem Mitgliederentscheid wollen SPD-Landeschefin Leni Breymaier und ihr Herausforderer Lars Castellucci die Basis von sich überzeugen. Dabei offenbaren sie völlig konträre Sichtweisen auf die Realität.

Leinfelden-Echterdingen - Die SPD-Historie zeigt: Ein Mitgliederentscheid kann ein Lebenszeichen sein oder Ausdruck einer Spaltung. Leni Breymaier und Lars Castellucci, die um den baden-württtembergischen Landesvorsitz eifern, vermitteln das Eine – und können das Andere nicht überspielen. Das interne Interesse ist offenkundig jedoch geweckt: Insgesamt gut 450 Genossen verfolgen den Kürlauf bei den ersten zwei von vier Regionalkonferenzen.

Anders als am Morgen im Kreis Karlsruhe darf der Herausforderer beim zweiten Duell am Samstagnachmittag in Leinfelden beginnen. Seine Botschaft ist unverändert: „Wir brauchen so etwas wie einen Neuanfang“, versucht der langjährige Landesvize der Gemeinde Lust auf Veränderung einzuimpfen. „Ich will wieder sagen können, wofür die SPD steht.“ Es brauche einen Zukunftsentwurf für Baden-Württemberg. „Wir müssen den Menschen helfen, ihre Träume zu verwirklichen.“ Dafür wolle er die Partei „nach außen hin orientieren – weg von der Selbstbeschäftigung“. Denn „wir haben so viel mehr Power als die AfD, doch die AfD kommt mit klareren Botschaften rüber.“ Schon in seinem Wieslocher Wahlkreis werde die Landespartei nicht mehr wahrgenommen. Also müsse man hinschauen, „wo die Partei in die Selbstverwaltung abgerutscht ist“.

„Visionen bitte konkretisieren!“

Die Begriffe „Zukunft“ und „gemeinsam“ kommen besonders oft vor in der frei gehaltenen Rede. Die Zuhörer sollen seine „Energie spüren“, aber auch seine Anklage vernehmen, dass Breymaier es nicht schaffe, speziell mit der Landtagsfraktion an einem Strang zu ziehen. „Wir müssen die alten Geschichten hinter uns lassen“ und „lernen, miteinander zu reden“. Dies wolle er als Landesvorsitzender vorleben. Daher sei er „froh, dass Sascha Binder die Nase rausgestreckt hat“. Gemeint ist der Fraktionsvize, der seit Dienstag Anspruch auf den Posten des Generalsekretärs erhebt.

Als bei der Fragerunde die Aufforderung kommt: „Visionen bitte konkretisieren!“, bleibt Castellucci weiterhin eine genaue Antwort schuldig. Sein Verzicht auf Details begründet er auch damit, dass „nicht in der Zeitung stehen soll, wie schlecht es läuft“ – um im nächsten Satz zu kritisieren: „Dem Landesverband fehlt eine Strategie.“

Breymaier findet die SPD „gut aufgestellt“

Die attackierte Landeschefin zeichnet ein völlig konträres Bild ihrer Arbeit: „Ich finde, dass wir ganz gut aufgestellt sind – wir haben angepackt, was man anpacken muss“, lobt sich Breymaier. Zudem „haben wir es echt hingekriegt, den Laden zusammenzuhalten“. Sie sei über die Zusammenarbeit mit der Fraktion „nicht bekümmert“ und habe „nicht das Gefühl eines Kommunikationsvakuums“. Auch Fraktionschef Andreas Stoch hatte jüngst „von einer guten, vertrauensvollen Zusammenarbeit“ gesprochen – es bleiben aber starke Zweifel, dass die Fraktion dies wirklich so sieht.

Breymaier will nicht hadern oder über Fehler reden – sie tut, was sie lange nicht gezeigt hat: kämpfen. Um ihren Markenkern zu reparieren, „muss die SPD über eine lange Strecke glaubwürdige Politik machen“, sagt sie und fordert mehr Zeit für die Erneuerung, denn„eine lange Strecke sind nicht zwei Jahre“. Dann zieht sie die Geschlechterkarte: „Lars und Sascha wollen zwei Frauen durch zwei Männer ersetzen – das finde ich echt blöd.“ Castellucci zeigt sich „nicht glücklich, dass zwei Männer gegen zwei Frauen stehen“. Aber „man kann Vielfalt vielleicht auch so abbilden, dass hier ein Schwuler sitzt“. Breymaier kontert, sie sei sehr dafür, Politik auch für Minderheiten zu machen, „aber die Frauen sind nicht die Minderheit – sie sind die Mehrheit“. Demonstrativ lobt sie ihre Generalsekretärin Luisa Boos – einen „super guten Job“ habe sie gemacht. Dieses „junge, weibliche Gesicht würde uns fehlen“.

Streit um 5000-Euro-Versprechen für die Basis

So wird es gegen Ende noch persönlich. Via Facebook hatte Castellucci unlängst gefordert, den Generalsposten wieder zum Ehrenamt umzuwidmen. Das eingesparte Geld solle die Basis in den Landtagswahlkreisen ohne Abgeordneten bekommen, meint er. „Das macht bis 2021 fast 5000 Euro pro Wahlkreis.“ Soll das ein unmoralisches Angebot sein? Die SPD sei „nicht auf Rosen gebettet“, daher müssten die Gelder gesteuert werden, argumentiert er nun.

Die Offerte hat schon viel Staub aufgewirbelt. Denn bei derzeit 51 tangierten Wahlkreisen kämen gut 250 000 Euro zusammen, weshalb Boos nun ein vermeintlich stattliches Salär vorgeworfen wird. In Wahrheit, so heißt es, betrage ihr Jahreseinkommen lediglich ein Viertel der Summe. „Luisa Boos bekommt kein fürstliches Gehalt“, betont Breymaier. Ihr Herausforderer wehrt sich gegen den Verdacht, „fake news“ zu verbreiten. Der Landesschatzmeister würde die Beträge bestätigen, die „jeder im Haushaltplan nachlesen kann“.

Doch es gibt auch noch Einigkeit: Als ein Genosse den Kombattanten die Frage stellt „Wie haltet Ihr es mit der Agenda 2010?“, geht ein großes Aufstöhnen durch den prall gefüllten Saal. Nicht schon wieder. Der Blick soll endlich wieder nach vorne gehen.