Mit dieser Urkunde ist der Verkauf der Filder-Dörfer an das Haus Württemberg besiegelt worden. In der Mitte der siebten Zeile von oben werden „Lengenfelt“ und der „Richenbach“ genannt. Foto: Hauptstaatsarchiv Stuttgart

Auf den Tag genau vor 650 Jahren verkauften die Herzöge von Urslingen ihre Besitzungen auf den Fildern an die Grafen von Württemberg.

Filder - Es war ein Markstein in der Geschichte Leinfeldens und der Filder: Der Verkauf der Dörfer auf der fruchtbaren Filderebene an die Grafen von Württemberg ist in einem erhalten gebliebenen Dokument festgehalten. Über die Zusammenhänge berichtet eine im Hauptstaatsarchiv Stuttgart erhaltene, am 14. September 1363, ausgestellte Urkunde.

Der Aufstieg Württembergs

Nach dem Zusammenbruch der Stauferherrschaft Mitte des 13. Jahrhunderts war in Süddeutschland ein Machtvakuum entstanden, von dem vor allem die aufstrebenden Grafen von Württemberg profitierten. Sie nützten die Schwäche des Königtums aus und gingen als Sieger im Territorialisierungsprozess des späten Mittelalters hervor. Es gelang ihnen gegen den Widerstand des Hauses Habsburg, zur wichtigsten politischen Kraft im mittleren Neckarraum aufzusteigen und die Landeshoheit zu gewinnen.

Geschickt verheiratet

Der Schlüssel zum Erfolg war eine planmäßige Territorialpolitik, bei der nicht so sehr das Führen von Kriegen, sondern vorteilhafte Heiraten, Kauf oder Tausch von Rechten und Gütern, Erwerb von Vogteien et cetera im Vordergrund standen. Dies waren vornehmlich die Instrumentarien, mit denen die Württemberger ihr Gebiet erweiterten und arrondierten. Bei ihrer Expansion im 14. Jahrhundert profitierten die Grafen von Württemberg auch vom Aussterben benachbarter Adelsgeschlechter wie der Pfalzgrafen von Tübingen und der Grafen von Calw. Württemberg geriet so immer mehr in Gegensatz zu den ebenfalls aufstrebenden und wirtschaftlich starken Reichsstädten.

Die Filder – 1229 erstmals urkundlich erwähnt – haben aufgrund der günstigen topografischen Gegebenheiten eine wechselvolle Geschichte. Hier stießen schon im 12. Jahrhundert die Welfen als Nachfolger der Grafen von Calw mit den Staufern und den Pfalzgrafen von Tübingen zusammen. Im späten Mittelalter prallten dann im Filder- und Schönbuchraum die Herrschaftsansprüche der Grafen von Hohenberg, der Pfalzgrafen von Tübingen, der Grafen von Württemberg und der Reichsstadt Esslingen aufeinander.

Wichtiger Baustein

Im Laufe des 14. Jahrhunderts kristallisierte sich die Dominanz der durchsetzungsfreudigen Württemberger heraus, denen es mehr und mehr gelang, im Raum Filder/Schönbuch Fuß zu fassen. In dieser Zeit kam Württemberg auch in den Besitz von Ober- und Unteraichen; der Erwerb der Leibherrschaft bildete den Einstieg hierfür. Auch in Echterdingen beispielsweise konnte Württemberg im späten 14. Jahrhundert Fuß fassen. 1476 ging außerdem der Besitz der Herren von Bernhausen in Stetten an Württemberg über.

Durch die Übernahme der ehemaligen Urslingischen Besitzungen und weitere Erwerbungen wurden die Filder zu einem wichtigen Baustein der württembergischen Territorialpolitik. Die Zugehörigkeit zu Württemberg ist den Filder- und Schönbuchgemeinden zunächst jedoch nicht gut bekommen. Bereits 1449 wurden mehrere Orte – darunter auch Leinfelden, Ober- und Unteraichen – im sogenannten dritten Städtekrieg zwischen Württemberg und den Reichsstädten, von Esslingen in Brand gesteckt und zerstört.

Die Landesherren schaffen administrative Strukturen

Württemberg ging im 15. Jahrhundert daran, seine Verwaltung auszubauen und die zahlreichen neuen Gebiete in die herrschaftlichen Verwaltungsgebiete, die Ämter, einzuteilen. Das persönliche Regiment des Landesherrn wurde so in eine Behördenstruktur und administrative Verfahren eingebunden. Mit der administrativen Einteilung ihres Landes in Ämter hatten die Grafen von Württemberg bereits Ende des 13. Jahrhunderts begonnen. Innerhalb des Amtes Stuttgart wurde ein Unteramt eingerichtet, das 1524 erstmals urkundlich erwähnte Leinfelder Ämtlein. Zu ihm zählten Oberaichen, Unteraichen, Leinfelden, Musberg, Stetten, Hof und Weidach sowie die Mühlen im Reichenbachtal. Verwaltungssitz des Ämtleins, das bis 1810 beziehungsweise 1819 Bestand hatte, war Leinfelden.

Damit sind schon zu einem frühen Zeitpunkt diejenigen Gemeinden (außer Echterdingen), die seit 1975 die Stadt Leinfelden-Echterdingen bilden, politisch zusammengefasst gewesen. Der Vorsteher des Leinfelder Ämtleins war zugleich Schultheiß von Leinfelden. Er wurde zunächst von der württembergischen Herrschaft ernannt, später vom Ämtlesgericht gewählt. Der Schultheiß war zwar kein ausgebildeter Verwaltungsfachmann, aber er führte als Zeichen seiner Amtsgewalt einen hölzernen Stab. Deshalb wurde er auch Stabsschultheiß genannt.

Musberg war das kirchliche Zentrum

War Leinfelden der politische Mittelpunkt des gleichnamigen Ämtleins und Sitz des Ämtleingerichts, so war Musberg das kirchliche und schulische Zentrum der westlichen Ämtleinsorte. Leinfelden zählte von 1563 an – zusammen mit Ober-, Unteraichen und Rohr – zum neu gegründeten Pfarrbezirk Musberg. Zuvor war es dem Echterdinger Pfarrsprengel zugeordnet gewesen.

Nach der Einführung der Reformation in Württemberg 1534 wurde die Verwaltung des Landes und der Kirche auf eine neue Grundlage gestellt. Dabei spielte das evangelische Glaubensbekenntnis eine zentrale Rolle. Kirche und Staat waren von nun an für lange Zeit untrennbar miteinander verbunden. Herzog Christoph (1550-1568) verabschiedete 1559 die Große Kirchenordnung, die zum württembergischen Staatsgrundgesetz wurde. Sie trug auch im Fall der Fildergemeinden maßgeblich dazu bei, die Herrschaft des Hauses Württemberg vor Ort zu sichern und zu verstärken. Am Ende des 17. Jahrhunderts hob Herzog Eberhard Ludwig die für Altwürttemberg typische Einheit von Stadt und Amt in dem speziellen Fall von Stuttgart auf: Die Landeshauptstadt und das Amt Stuttgart wurden getrennt.

Vom Ämtlein zum Oberamt

Napoleon I. schafft neue Strukturen

1806 erhob Napoleon I. Württemberg zum Königreich, das infolge der starken territorialen Vergrößerung verwaltungsmäßig neu organisiert wurde. Dies betraf auch die Ämter-Einteilung des Landes: aus den Ämtern wurden Oberämter, wobei ihre Zahl stark reduziert wurde. Im Falle Stuttgart blieb es bei der Trennung von Stadt und Amt. Zum neu gebildeten Amtsoberamt Stuttgart gehörten die heutigen Stadtteile von Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt sowie die heute zu Ostfildern zählenden Gemeinden Scharnhausen und Kemnat, außerdem die nach Stuttgart eingemeindeten Orte Plieningen, Möhringen, Vaihingen und Rohr. Auch die Schönbuchgemeinden Steinenbronn und Waldenbuch gehörten zum Amtsoberamt Stuttgart, das bis 1938 bestand. Vor genau 75 Jahren wurde es im Zuge der nationalsozialistischen Gebietsreform aufgelöst und die Gemeinden den neu gebildeten Landkreisen Böblingen und Esslingen zugeschlagen.

Die Urkunde von 1363

In einem Regest, einer Zusammenfassung der Urkunde von 1363, heißt es: Herzog Reinold (V.) von Urslingen und sein Sohn Konrad (VII.) verkaufen ihre Dörfer und Weiler Leinfelden („Lengenfeldt“), Plattenhardt („Plattenhart“), Obersielmingen („Obersyhelmingen), Schönaich, Dettenhausen („Dettenhusen“), die Stadt Waldenbuch („Waltenbuch“), Diemarweiler und Horb sowie den Reichenbach („Richenbach“) und alle ihre Güter auf den Fildern („Vildern“) „schulde wegen, die uns anlag“, um 13 000 Pfund Heller an die württembergischen Grafen, die Brüder Eberhard II. und Ulrich IV.

Auf diese Weise kamen Leinfelden und die auf seiner Markung gelegenen drei Mühlen sowie die anderen aufgezählten Filder- und Schönbuchgemeinden zur Herrschaft Württemberg, die alle obrigkeitlichen Rechte innehatte. Auch die Abgaben und Steuern waren größtenteils an Württemberg zu leisten. In einem Lagerbuch des 15. Jahrhunderts wird ein „Urslinger Hof“ in Leinfelden erwähnt. Die in der Urkunde ebenfalls genannten Ortschaften Diemarweiler und Horb existieren nicht mehr; sie sind wahrscheinlich noch im Mittelalter abgegangen.

Bei den Herzögen von Urslingen handelte es sich um ein edelfreies, schwäbisches Hochadelsgeschlecht, das sich nach seiner Burg beim Dorf Irslingen („Urselingen“) bei Oberndorf am Neckar benannte. Unter dem Stauferkaiser Friedrich I. „Barbarossa“ (um 1122-1190) nahm das Geschlecht einen steilen Aufstieg: Konrad von Urslingen zählte zu den wichtigsten Gefolgsleuten des Kaisers, den er auf seinen Feldzügen nach Italien begleitete. Er wurde dafür mit der Grafschaft Assisi und dem Herzogtum Spoleto belohnt und obendrein zum Reichsverweser von Sizilien bestellt. Obwohl die Urslinger das Herzogtum Spoleto später wieder verloren, durften sie den Herzogstitel weiter führen.

Verkäufe waren üblich

Im 14. Jahrhundert setzte der Niedergang des Geschlechts ein. Infolge Geldmangels sah es sich gezwungen, Güter und Besitzungen zu verkaufen, unter anderem die auf den Fildern und im Schönbuch. Bei den Verkäufen handelte es sich um ein zeittypisches Rechtsgeschäft unter Herrschaftsträgern. Es war üblich, dass in finanzielle Not geratene Adlige ihre Besitzungen und Rechte an Konkurrenten verpfändeten oder verkauften. Dabei waren die Urslinger selbst wahrscheinlich erst um 1340 in den Besitz der in der Urkunde aufgezählten Orte gekommen, möglicherweise als Erben und Nachfolger der hochadeligen Herren von Bernhausen, die in unserem Raum begütert waren.

Außer auf den Fildern hatten die Herzöge von Urslingen vor allem am oberen Neckar, am Bodensee und im mittleren Schwarzwald Besitzungen. In demselben Jahr, als die Urslinger ihre Besitzungen auf den Fildern und im Schönbuch an die Württemberger verkaufen mussten, also im Jahr 1363, machten sie eine bedeutende Erbschaft. In diesem Zusammenhang gelangten sie in den Besitz des Schwarzwaldstädtchens Schiltach, das sie schon bald an die Württemberger verkaufen mussten. Im Schiltacher Stadtwappen erscheint jedoch heute noch das Wappen der Herzöge von Urslingen, das drei rote Schilde in weißem Feld zeigt.