Kein Pharaonengrab war bis dahin in so unberührtem Zustand gefunden worden wie das von König Tutanchamun. Der Mann, der den Jahrhundertfund der Ägyptologie machte, wurde dadurch weltberühmt - Howard Carter.
Am 4. November 1922 stieß Howard Carter im Tal der Könige, fünf Kilometer nordwestlich der oberägyptischen Stadt Luxor, auf eine steinerne Treppenstufe. Der britische Archäologe war, ohne es zu diesem Zeitpunkt zu ahnen, auf das Grab des ägyptischen Pharaos Tutanchamun (1332-1323 v. Chr.) gestoßen.
Symbol für den Glanz des antiken Ägyptens
Nach knapp zehnjähriger Regierungszeit starb dieser Herrscher aus den Dynastien des Neuen Reiches, kaum dass er dem Jugendalter entsprungen war. Unter seiner Herrschaft wurde die Rückkehr zu den alten Göttern eingeleitet, von denen sich sein Vater Echnaton (Amenophis IV.) zuvor abgewandt hatte.
Historisch ist Tutanchamuns Regierungszeit eher unbedeutend. Dennoch gilt er heute als Symbol für den Glanz des antiken Ägyptens, weil Howard Carter sein mit zahlreichen Schätzen ausgestattetes Grab weitgehend unversehrt entdeckt hatte.
„Wunderbare Dinge“
Er sehe „wunderbare Dinge“, sagte der britische Ägyptologe Howard Carter (geboren am 9. Mai 1874 in Kensington, gestorben am 2. März 1939 in London), als er als erster Mensch seit wohl mehr als 3000 Jahren einen Blick in das Grab des Pharaos Tutanchamun werfen konnte. Der Fund des beinahe unberührten Königsgrabs nahe Luxor im Jahr 1922 gilt als Sternstunde der Archäologie. Die Entdeckung ist bis heute untrennbar mit dem Namen Carter verbunden, der vor 150 Jahren, am 9. Mai 1874, in London geboren wurde.
Carter leitete nicht nur die Ausgrabung, sondern war auch maßgeblich für die Erfassung der Funde zuständig, die er akribisch betrieb und die ein Jahrzehnt dauern sollte. Fotos der Streitwagen, Statuen, Möbel und Kisten voller Grabbeigaben und nicht zuletzt der reich verzierten Totenmaske gingen um die Welt und lösten eine erneute Welle der Ägypten-Begeisterung aus.
Carter wollte ursprünglich Kunstmaler werden
In die Wiege gelegt war Carter dieser Erfolg nicht. Er stammte aus einer Familie von Handwerkern und Kunsthandwerkern, wie die Historikerin Sue Gattuso berichtet. Über eine akademische Ausbildung verfügte Carter nicht. D
Die Berührung mit der Ägyptologie kam durch die Familie Amherst, für die Carters Vater arbeitete und die in ihrem Herrenhaus eine ansehnliche Sammlung an altägyptischen Objekten zusammengetragen hatte.
Carter wollte wie sein Vater Kunstmaler werden und zeigte Talent beim Zeichnen der Artefakte. Das brachte ihn auf den Radar eines Ägyptologen, der ihn im Alter von 17 Jahren als Zeichner auf eine Expedition in das Land am Nil mitnahm.
Carter galt als dickköpfig und schwierig im Umgang
Carter arbeitete sich im Laufe der Jahre zum Generalinspekteur der ägyptischen Altertumsbehörde hoch. Seinen Posten verlor er jedoch wieder, weil er sich nach einem handfesten Streit zwischen seinen ägyptischen Mitarbeitern und französischen Touristen weigerte, bei den Franzosen Abbitte zu leisten. Carter galt als dickköpfig und schwierig im Umgang.
Später ging er eine Zusammenarbeit mit dem englischen Adligen Lord Carnarvon ein, der die Lizenz für Grabungen im Tal der Könige in Luxor erwarb. Nach mehreren fruchtlosen Ausgrabungen in der legendären Nekropole nahe dem antiken Theben war Carnarvon nahe daran, den Geldhahn zuzudrehen. Da entdeckte das Team die Stufen zu einer Grabkammer.
Fluch der Pharaonen? Unsinn, sagte Carter
Dass Lord Carnarvon der Londoner „Times“ Exklusivrechte einräumte, über die Entdeckung zu berichten, war nach Ansicht von Sue Gattuso ein großer Fehler. Es dürfte Gerüchte befeuert haben, „weil die Reporter nichts anderes über diese globale Neuigkeit zu berichten hatten, die soeben entdeckt wurde, und keine andere Quelle hatten außer der ‚Times‘“, so die Historikerin.
Als Carnarvon kurze Zeit später an einer Sepsis starb, die er sich infolge einer beim Rasieren verursachten Schnittwunde zugezogen hatte, wurde das als Beleg betrachtet, dass das Grab mit einem Fluch belegt war. Befeuert wurde die Legendenbildung von Romanautoren wie Sherlock-Holmes-Schöpfer Arthur Conan Doyle und der englischen Schriftstellerin Marie Corelli, die sich der nach Schlagzeilen gierigen Presse als Experten anboten und über den angeblichen Fluch fabulierten. Carter hingegen tat das Ganze als „tommy-rot“ (Unsinn) ab.
Weder Ritterschlag noch Medaille für Tutanchamun-Entdecker
Carter war ein begabter Schreiber und veröffentlichte mehrere Bücher über die Entdeckung des Grabes von „King Tut“, wie der Pharao auch genannt wird. Finanziell hielt er sich als Kunsthändler und mit dem Verkauf eigener Werke über Wasser.
Dass Carter wissentlich einige kleinere Gegenstände aus dem Grab Tutanchamuns gestohlen hat, wie nach seinem Tod behauptet wurde, hält Gattuso nicht für wahrscheinlich. Wohl eher habe er die Sachen im Rahmen der sich damals ständig ändernden Regelungen behalten dürfen, glaubt sie.
Obwohl ihn die Entdeckung Tutanchamuns weltberühmt machte, wurde Carter in seiner Heimat nicht gewürdigt. Weder gab es einen Ritterschlag oder eine Medaille des Königshauses, noch wurde ihm eine Ehrendoktorwürde zuteil.
Gattuso glaubt, dass dies an seiner bescheidenen Herkunft liegen könnte. Zudem vermutet sie, dass der eigenwillige Mann an einer autistischen Störung gelitten haben könnte. Gegen Ende seines Lebens vereinsamte er zunehmend. Als er 1939 im Alter von 64 Jahren starb, kamen gerade einmal neun Trauergäste zu seiner Beerdigung.