Eine aufgebrachte Menschenmenge steht vor einem dampfenden Maschinengebäude – Szene aus „Metropolis“ (Archivfoto von 1926). Der legendäre Stummfilm von Fritz Lang aus der goldenen UFA-Ära wurde 2001 als erster Film in das Unesco-Weltdokumentenerbe aufgenommen. Foto: dpa

Vor 100 Jahren wurde der UFA-Palast in Berlin gegründet. Er war Deutschlands berühmtestes Filmtheater – ein Ort der Premieren, Propaganda und Liberalität. Hier erlebte der deutsche Film seine größten Triumphe – und unseligsten Momente.

Berlin - Einst war er Deutschlands bedeutendstes Kino – der UFA-Palast im Herzen Berlins. In den 1920er und 1930er Jahren war das Filmtheater in den Ausstellungshallen am Zoo Mittelpunkt großer Kinoereignisse der Ufa-Ära.

Dort erlebten die Filme von bedeutenden Regisseuren wie Ernst Lubitsch, Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau, Paul Wegener und Helmut Käutner ihre Uraufführung – und ab 1933 mit großem propagandistischen Aufwand des NS-Regimes die Filme von Leni Riefenstahl und Veit Harlan.

Zur 700-Jahr-Feier Berlins 1937 gelangten dort Zarah Leander und Willy Birgel „Zu neuen Ufern“, und 1940 schließlich waren dort die Uraufführungen von „Jud Süß“ und „Der ewige Jude“ trauriger Höhepunkt des NS-Premierenrummels.

Vom UFA-Palast am Zoo zum neuen Zoo-Palast

Nach der Premiere von „Münchhausen“ 1943 wurde das Filmtheater durch Bombenangriffe zerstört, und erst 1955/56 entstand dort der neue Zoo-Palast. Er wurde am 28. Mai 1957 am Bahnhof Zoologischer Garten als Ersatz für den im Krieg zerstörten Ufa-Palast am Zoo mit der Galapremiere des Films „Die Zürcher Verlobung“ von Helmut Käutner in Anwesenheit der Stars Liselotte Pulver und Bernhard Wicki eröffnet.

Seitdem gehört er als Premieren- und Festivalkino zu den besonderen Orten Berliner Kinokultur. Lange Jahre war er auch bis 1999 Hauptspielstätte der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale). Der Zoo Palast wurde seinerzeit als „Schaufenster des Westens“ zu einem der Symbole für den städtebaulichen Neubeginn im Westen der geteilten Stadt. Er zählt heute zu den bedeutendsten kulturellen Baudenkmälern der Berliner Nachkriegsmoderne.

2013 wurde der Zoo-Palast nach dreijähriger Renovierung wiedereröffnet. „Dieses Kino war in den vergangenen 100 Jahren etwas Besonderes – und soll es wieder werden“, sagt der Publizist und Filmexperte Friedmann Beyer. „Der neue Betreiber, Hans-Joachim Flebbe, verfolgt ein Konzept, dass die Magie dieses Ortes wiederbeleben soll.“

UFA-Palast – Deutschlands prominentestes Kino

Wir sprachen mit dem Publizisten und Filmexperten Friedemann Beyer über die wechselvolle Geschichte des Berliner UFA-Palastes, seine einstige Bedeutung und die seines Nachfolgebaus, des Zoo-Palastes:

Herr Beyer, welche Bedeutung hatte der UFA-Palast für die Kino- und Filmlandschaft in Berlin und Deutschland?

Der UFA-Palast am Zoo hat sich seit seiner Eröffnung 1919 zum Kino Nummer eins in Deutschland profiliert. Das lag zum einen daran, dass er das größte Kino in Deutschland war mit 1740 Plätzen. 1925 wurde er auf 2165 Plätze erweitert. Auch aufgrund seiner zentralen Lage mitten in West-Berlin hatte er eine ausgesprochen prominente Stellung.

Hing die Bedeutung auch mit der UFA als größtem deutschem Filmkonzern zusammen?

Der UFA-Palast gehörte der Universum Film AG. Er war so etwas wie ein Flaggschiff- und Leuchtturm-Kino für die UFA, die dort ihre größten und bekanntesten Produktionen immer in Premiere zeigte. Dort wurde alles an Filmen uraufgeführt, was aus jener Ära heute noch berühmt ist.

War der UFA-Palast auch das beliebteste Kino Berlins?

Er war das prominenteste Kino, obwohl es architektonisch glanzvollere Kinos gab. Unweit lag das Capitol, ein innen prächtigerer Bau. Der UFA-Palast war eher schlicht gehalten. Zuvor war er eine Ausstellungshalle, die umgewandelt wurde in ein eher einfach gestaltetes Kino.

Galt dieser Zuspruch auch für die Zuschauer?

Auf jeden Fall. Es gibt Berichte über die Eröffnung des UFA-Palastes am 18. September 1919 mit „Madame Dubarry“ von Ernst Lubitsch, in denen es heißt: Man kam sich vor wie bei einer Max-Reinhard-Premiere. Hier präsentierte sich das elegante Berlin. Hochfinanz mischte sich mit Kulturleben. Die UFA und Kino-Direktion legte großen Wert darauf, dass es immer sehr prestigehaft zuging.

An welche cineastischen Meilensteine erinnern Sie sich?

„Madame Dubarry“ (1919) war die erste große Produktion der UFA, die auch im Ausland hohe Aufmerksamkeit erfuhr. Ein außerordentlich großer Erfolg in den USA und eine Kampfansage der deutschen Filmindustrie an Hollywood. Dieser Film wird am 18. September anlässlich einer Geburtstagsfeier des UFA-Palastes nochmals gezeigt – im heutigen Zoo-Palast, der an einer ähnlichen Stelle wie der historische UFA-Palast steht.

Konnten denn die UFA-Filme mit Hollywood mithalten?

Durchaus. Gerade die Monumentalfilme von Ernst Lubitsch konnten zumindest in Deutschland, dass nach dem Ersten Weltkrieg sehr stark von Hollywood dominierte wurde, der US-Filmindustrie die Stirn bieten und auch in den USA Erfolge einfahren. „Madame Dubarry“, der in USA unter dem Titel „Passion“ firmierte, lief wochenlang in New Yorker Kinos.

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In welcher Weise waren die großen Regisseure der Weimarer Republik wie Ernst Lubitsch, Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau an den UFA-Palast gebunden?

Indem sie ihre Filme dort uraufführten. Bei Fritz Langs „Die Nibelungen“ (1924) wurde das Kinofoyer durch Kulissen in eine Erlebnislandschaft wie eine germanische Burg verwandelt. „Der letzte Mann“ (1924) und „Faust – eine deutsche Volkssage“ (1926) von Friedrich Wilhelm Murnau, „Varieté“ (1925) von Ewald André Dupont, „Metropolis“ (1925/26) von Fritz Lang, „Asphalt“ (1929) von Joe May – sämtliche Großproduktionen der UFA feierten im UFA-Palast ihre Premiere. In der Nachbarschaft des Kinos gab es noch den sogenannten Marmorsaal am Zoo. Das war ein großer Festsaal, in dem anschließend die Premierenfeiern stattfanden.

War Kino damals ein Gesamtkunstwerk?

Es war vor allem eine Kunst, die alle gesellschaftlichen Schichten erreichte – gerade in Berlin das Bildungsbürgertum und die gehobenen Schichten. Das lag auch daran, dass die UFA eine Konstruktion war, die, mit deutschem Großkapital (etwa der Deutschen Bank) gegründet, stets eine gewisse Staatsnähe hatte.

Heute dient Kino größtenteils der Zerstreuung. Was es damals in der Weimarer Republik ein Aushängeschild für das neue Deutschland nach dem Krieg?

Ja, durchaus. Die deutsche Filmkunst hatte im UFA-Palast Anfang der 1920er Jahre ihre Heimstatt. Das deutsche Kino wurde zu einem weltweit vermarkteten Exportartikel – und der fand zuerst im UFA-Palast statt.

Dann kam 1933, die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Inwiefern war das eine Zeitenwende für den UFA-Palast?

Das Kino, das vor 1933 ein Schauplatz glanzvoller Premieren war, in denen sich das kulturell-gesellschaftliche, aber auch politische Leben Berlins ein Stelldichein gab, erfuhr eine starke Zäsur. Der UFA-Palast wurde zum Staatskino – in dem Maße, in dem die UFA staatlich vereinnahmt wurde. Alles, was propagandistisch das NS-Regime flankierte, wurde im UFA-Palast präsentiert.

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An welche Filme denken Sie?

An propagandistische Filme wie „Der Sieg des Glaubens“ (1933), „Triumph des Willens“ (1935) und „Tag der Freiheit! – unsere Wehrmacht“ (1935) von Leni Riefenstahl. Das waren absolut staatstragende Filme. Es liefen natürlich auch Unterhaltungsfilme, aber die Ausrichtung dieses Kinos war sehr stark ideologisch – bis hin zu Hardcore-Propaganda wie „Jud Süß“ (1940), „Der ewige Jude“ (1940), „Ohm Krüger“ (1941), „Heimkehr“ (1941).

Kann man die Zeit von 1933 bis 1945 einfach abhaken? Oder bleibt cineastisch und ästhetisch etwas in der Rückschau?

Unbedingt. Diese zwölf Jahren war seitens des Kinos von einer großen Ambivalenz gekennzeichnet. Es gab so etwas wie eine funktionierende Filmindustrie, die Hollywood durchaus Paroli bieten konnte – allein schon aufgrund der Marktstellung der UFA. Es gab durchaus Regisseure, deren Arbeit künstlerisch sehr bedeutsam war – etwa die Filme von Helmut Käutner „Große Freiheit Nr. 7“ (1944) „Unter den Brücken“ (1944) oder Josef von Báky „Münchhausen“ (1943).

Was machte die Magie des UFA-Palastes aus?

Ein Kino wie der UFA-Palast hatte tatsächlich eine enorme Strahlkraft, die auch den normalen Passanten erreichte. Bei Fritz Langs „Frau im Mond“ (1929) etwa wurde die Außenfassade durch einen Vorsetzer verkleidet, der das Weltall zeigte. Die gesamte Fassade wurde illuminiert von unendlich vielen kleinen Sternchen aus Glühbirnen.

Über diesen nächtlichen Sternenhimmel zog wie ein Kometenstreif eine animierte Rakete. So hat man diese Architektur des UFA-Palastes optisch nochmals aufgewertet. Es wurde eine Verbindung hergestellt zwischen dem, was drinnen ablief und der Außenwirkung.

1957 wurde am historischen Ort der Zoo-Palast eingeweiht – auch als Veranstaltungsort der Berlinale. Wurde damit die Geschichte des UFA-Palastes fortgesetzt oder neu geschrieben?

Sie wurde neu geschrieben. Ich kann den Betreiber des heutigen Zoo-Palastes gut verstehen, dass er zwischen der Geschichte nach 1957 und der Vergangenheit eine Zäsur setzen möchte. Es gibt keine nahtlose Kontinuität. Der Zoo-Palast ab 1957 repräsentierte das neue demokratische Deutschland im freien Westen. Auch dieser Ort hat eine glanzvolle Geschichte. Man denke nur an die großen Premieren der Berlinale mit dem Schaulaufen der Stars.

Ist dieser Nimbus heute Geschichte?

Das war etwas ganz Besonderes – und soll es heute wieder werden. Denn der neue Betreiber des Zoo-Palastes in der Hardenbergstraße im westlichen Zentrum Berlins im Ortsteil Charlottenburg, Hans-Joachim Flebbe, verfolgt ein Konzept, das an das Besondere dieses Ortes erinnern soll.

Ein paar Beispiele: Man kann im Zoo-Palast seine Garderobe abgeben. Es gibt ein gediegen gestaltetes Interieur. Dies soll Zielgruppen ansprechen, die nicht nur Blockbuster mit einem Riesenbeutel Popcorn anschauen wollen, sondern ein stilvolles Kinoerlebnis haben möchten.

Das heißt, 100 Jahre nach der Gründung ist der Symbolgehalt des alten UFA-Palastes geblieben.

Er ist geblieben. Der Zoo-Palast hat einen ganz besonderen Klang und eine Signalwirkung. Und das könnte er in Zukunft verstärkt wiederbekommen. Der Standort Potsdamer Platz für die Berlinale steht derzeit in der Diskussion, weil der Berlinale-Palast den Betreiber wechselt. Die Kinos im Sony-Center sollen angeblich geschlossen werden. Es gibt Stimmen, die dafür plädieren, die Berlinale wieder in den Westteil Berlins zu verlegen – in den Zoo-Palast.

Zur Person: Friedemann Beyer

1955 geboren in Düsseldorf

1977-1983 Studium der Germanistik, Geschichte und Soziologie in München

1984-2001 Arbeit zuerst als Freischaffender Journalist, danach als Leitender Mitarbeiter beim Bayerischen Fernsehen, bei RTL und Columbia-TriStar Pictures

2001-2007 Vorstand bei der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Berlin

Seit 2008 Freier Autor und Publizist, Kurator und Filmfest-Leiter

Zuletzt erschien sein Buch „Die UFA – Ein Film-Universum“, Morisel-Verlag München, 2017, 172 Seiten