Egal in welchem Alter: Spielen hält jung. Foto: imago/Cover-Images

Kinder haben zwar mehr Zeit zum Spielen, doch auch Erwachsene tun es häufiger, als sie denken. Warum uns das Spielen ein Leben lang begleitet und was passiert, wenn Menschen nicht spielen dürfen.

Beeindruckende 11 695 Steine und mehrere Tage Zeit braucht es, um die Lego-Weltkarte zusammenzubauen. Kein Kinderspiel, der Bausteine-Hersteller hat seit mehreren Jahren auch anspruchsvolle Bau-Sets für Erwachsene im Angebot: neben der Weltkarte unter anderem Autos, berühmte Bauwerke oder Porträts von Prominenten.

 

Auch andere Hersteller bieten an Erwachsene angepasstes Kinder-Spielzeug wie komplexe Murmelbahnen, Modellautos, schwierige Ausmalbilder und natürlich Computerspiele. Nicht überraschend, findet Karin Falkenberg, Leiterin des Spielzeugmuseums in Nürnberg. „Es gibt weltweit keinen einzigen Menschen, egal ob Kind oder Erwachsener, der nicht das Verlangen hat, zu spielen.“

Alle spielen. Alle!

„Stimmt doch gar nicht!“, mag hier mancher Erwachsene einwenden, „ich baue doch keine Lego mehr zusammen.“ Aber wie sieht es mit Sport aus? Mit einem Musikinstrument, Computerspielen, Brettspielen, Werkeln an der Werkbank, malen, in der Küche experimentieren? „Alle Bereiche, in denen man kreativ ist, Fantasie einsetzt, sich ausprobieren kann oder nochmals von vorn beginnt, wenn etwas schiefgeht, sind letztlich spielen“, sagt Karin Falkenberg.

Spielen ist vom Baby bis zum Senior ein Grundbedürfnis wie Essen und Trinken, die Wissenschaft spricht deshalb auch vom „Homo ludens“, dem spielenden Menschen. Warum das so ist, lässt sich am besten bei Kleinkindern beobachten, die den ganzen Tag nur spielen. Sie machen das nicht etwa, weil sie nichts anderes zu tun hätten oder weil es so viel Freude bereitet, sondern weil sie im Spiel all das lernen, was sie zum Großwerden brauchen. Weltweit passiert das mit den gleichen fünf Spielformen. „Anhand dieser überall gültigen Spielformen sieht man, welch starke Kraft das Spielen hat“, sagt Karin Falkenberg.

Die Formen des Spielens

Los geht es im Alter von null bis etwa drei Jahren mit dem explorativen Spiel. Indem Kinder greifen, strampeln, den Kopf drehen, schaukeln, wippen, lernen sie ihren Körper kennen und welche Wirkungen sie damit erzielen können. Es folgen das Fantasiespiel und das Rollenspiel, im dem sich Kinder ausprobieren, um Lebenswelten und Gefühle anderer Menschen zu erforschen und Kommunikation sowie Interaktion zu üben.

Im Konstruktionsspiel kann mithilfe eigener Fantasie und Materialien wie Knete, Steine oder Bauklötze etwas erschaffen werden. Die fünfte Spielform ist das Regelspiel, welches beispielsweise mit Brettspielen oder Bewegungsspielen geübt wird. „Keine Gesellschaft kommt ohne Regeln aus. Bei solchen Spielen übt man den Umgang mit festen Strukturen und Grenzen“, sagt Karin Falkenberg.

Mit Niederlagen umgehen

Gleichzeitig bleibt das Spielen aber etwas Unverbindliches: Wenn man verliert, der Turm einstürzt, das Bild misslingt oder das Fußballtor verfehlt wird, probiert man es einfach nochmals. „Diese Erfahrung fördert nachweislich bis ins Erwachsenenalter hinein den Mut, sich auch im echten Leben mehr zuzutrauen“, sagt Karin Falkenberg.

Menschen, die als Kinder viel spielen konnten, haben es als Erwachsene auch sonst leichter. Sie sind kreativer und können sich besser an unterschiedliche Situationen anpassen oder auch mal mit Niederlagen umgehen.

Umgekehrt zeigt sich: Wem die Chance zu spielen verwehrt wird, der hat es schwer, in der Gesellschaft zurechtzukommen. „Es gibt Befragungen in den USA unter verurteilten Mördern: 80 bis 90 Prozent dieser Mörder haben extrem wenig gespielt in ihrer Kindheit“, sagt Karin Falkenberg. Dadurch fehle ihnen die Fähigkeit, ihre Verhaltensweisen an verschiedene Situationen anzupassen, weil das im Spiel nicht trainiert wurde. „In einer Extremsituation haben sie dann keinen anderen Weg gesehen, als jemanden umzubringen“, sagt Karin Falkenberg.

Optimismus holen

Bleibt die Frage, warum auch Erwachsene bis an ihr Lebensende weiterspielen. „Weil es einfach guttut“, ist Karin Falkenbergs kurze Antwort. Die längere: Spielen ist etwas Freiwilliges, Leichtes, Kreatives, weshalb es viel Optimismus verbreitet. Mit welcher Art des Spiels sich Erwachsene dann diesen Optimismus holen, unterscheidet sich stark und hängt mit den Persönlichkeitsstrukturen zusammen.

Aktive Menschen suchen sich Bewegungsspiele. Wer gern strategisch denkt, wird eher entsprechende Brettspiele bevorzugen als jemand, der gern selbst etwas erschafft und deshalb lieber malt, komponiert oder ein Regal baut. Manch einer mag die soziale Interaktion, wenn man ein gemeinsames Ziel verfolgt und kooperativ spielt wie beim Fußball oder in einem Orchester. Andere spielen eher der persönlichen Anerkennung wegen und suchen sich deshalb Individualsportarten oder kompetitive Brett- oder Computerspiele aus.

Egal, in welcher Form: „Spielen ist wie ein Lebenselixier für uns Menschen. Wenn wir nicht mehr spielen, sind wir tot“, sagt Karin Falkenberg.