Das Ensemble entführte ihre Zuhörer unter anderem in die Welt der barocken Opern. Foto: Ralf Poller/Avanti

Nicht nur klassische Musik: Beim traditionellen Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim wurden auch Texte von Shakespeare bis Rilke rezitiert. Es war das erste Konzert nach der Corona-Pause.

Zwei Mal hatte es wegen Corona ausfallen müssen, jetzt fand es endlich wieder statt: das Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in Murr. Zwölf Streicherinnen und Streicher unter der bewährten Leitung von Peter Wallinger setzten eine beliebte, nun schon mehr als 15-jährige Tradition fort. Waltraut Menzel vom Kulturamt würdigte zur Eröffnung die stets „innovativen und anregenden Konzertprogramme“ des Ensembles.

Stücke mit Einlagen von Schauspieler

Dieser Anspruch wurde auch diesmal wieder eingelöst. Das gewählte Motto - „…es wird einmal“ – schien zwar zunächst etwas rätselhaft. Doch der Schauspieler Johann-Michael Schneider, der die Stücke mit kurzen Texten begleitete, gab Hinweise. In all seinen Rezitationen, verfasst von Shakespeare, Morgenstern, Rilke und Tagore, ginge es um den Menschen in der Natur. Die Natur wiederum sei, wie die Musik, beständig im Werden, so würde aus dem „Es war einmal“ und dem „Es ist“ das „Es wird einmal“. Schneider betonte, Offenheit sei wichtig in einer Zeit der Katastrophen und Krisen.

Ausgesprochen schöne Musik spielte dann das Ensemble aus Bietigheim. Im ersten Teil entführten die Künstlerinnen und Künstler ihre Zuhörer in die Welt der barocken Opern. Den Auftakt bildeten Sätze aus dem „Orfeo“ von Claudio Monteverdi, lebhafte und schwungvolle Melodien, in denen die hellen, fröhlichen Stimmen von Violinen und Bratschen mit den tiefen Tönen von Celli und Kontrabass reizvoll zusammenwirkten. Schnell und dynamisch, dabei immer souverän und mit großer Spielfreude vorgetragen auch „The Fairy Queen“ von Henri Purcell nach Shakespeares bekanntem Sommernachtstraum.

Nicht nur gespielt, auch gesungen aus „Andromeda liberata“

Opernmusik wurde an diesem Abend nicht nur gespielt, sondern auch gesungen. Der Countertenor Nils Wanderer stimmte, begleitet vom Orchester, Stücke aus „Andromeda liberata“ von Antonio Vivaldi und „Dido and Eneas“ von Henri Purcell an. Ein Countertenor zeichnete sich dadurch aus, dass er seine männliche Stimme im ungewöhnlichen Bereich von Alt erklingen lassen konnte, also in einer hohen Stimmlage unterwegs war.

Sehr eindrücklich gelang das Wanderer, als er den Part der sterbenden karthagischen Königin Dido sang, die verzweifelte Klage einer verratenen Liebe, getragen vom melancholischen Klangteppich der Streicher. Das Publikum war berührt, und Wanderer, eine imposante, sympathische Erscheinung, gab eine gefühlvolle Zugabe, „Lascia chio pianga“, etwa: Lass mich mein Schicksal beweinen, aus Händels Oper „Rinaldo“. Wanderer, ein gebürtiger Ludwigsburger, ist erster Preisträger des Bundeswettbewerbes Gesang 2022, er gewann auch als erster Deutscher einen 2. Preis bei Operalia 2022, dem wichtigsten internationalen Wettbewerb für Oper.

Künstler spielt seit seinem vierten Lebensjahr Violoncello

Ein weiterer Höhepunkt leitete den zweiten Teil des Konzerts ein. Im Violoncello-Konzert C-Dur von Joseph Haydn zeigte Arthur Cambreling als Solist sein ganzes Können. Der Franzose spielt seit seinem vierten Lebensjahr Violoncello, und er ist mit diesem vielseitigen Instrument geradezu verwachsen.

Der junge, schalkhaft wirkende Künstler ging völlig in seiner Musik auf. Mit Hingabe entlockte er dem Violoncello ebenso nachdenkliche wie forsche, dominante Töne, rief sogar kurze Klanggewitter hervor. Über ein abwechslungsreiches Moderato und ein getragenes Adagio spielte sich das Ensemble zu einem furiosen Allegro molto, in dem Cambreling die Melodie nicht nur aufnahm, sondern verstärkte, variierte, die ganze Streicherrunde anregte, seinem vibrierenden Bogen zu folgen. Sein Violoncello war buchstäblich die erste Stimme, machte Tempo, unterstrich, setzte akustische Ausrufezeichen. Begeisterter, stürmischer Beifall belohnte die starke Leistung des Solisten und des Orchesters.

Für einen schwungvollen Ausklang sorgten die Rumänischen Volkstänze von Bela Bartok. Die Mischung aus schönen rhythmischen Tänzen, Märschen und auch melancholischen, fast an jiddische Kompositionen erinnernden Stücken waren noch einmal ein Spiegelbild des gesamten Abends: gut anzuhören und höchst abwechslungsreich. Die Zuhörerinnen und Zuhörer dürften sich weitgehend einig gewesen sein: Das war die gelungene Fortsetzung einer Tradition.